Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.Karte, bring' mir den Kaffee, oder -- bei meinem Barte! -- ich -- ,sa llerrv! Ileiie! tlerre! So rumort und spektakelt es durcheinander. Karte stürzt athem¬ Nachdem sich endlich die Parteienwuth ein wenig gelegt, wurden Während ich mich mit solchen Gedanken trug, kam Maria, hell 22"
Karte, bring' mir den Kaffee, oder — bei meinem Barte! — ich — ,sa llerrv! Ileiie! tlerre! So rumort und spektakelt es durcheinander. Karte stürzt athem¬ Nachdem sich endlich die Parteienwuth ein wenig gelegt, wurden Während ich mich mit solchen Gedanken trug, kam Maria, hell 22»
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Karte, bring' mir den Kaffee, oder — bei meinem Barte! — ich
laß Dich spießen, sobald ich türkischer Kaiser werde!
— ,sa llerrv! Ileiie! tlerre!
So rumort und spektakelt es durcheinander. Karte stürzt athem¬
los umher, und Jeder hält ihn ab, den Andern zu bedienen.
Nachdem sich endlich die Parteienwuth ein wenig gelegt, wurden
Alle befriedigt; ich trank meinen warmen Kaffee und stieg wieder
empor, um frische Luft zu schöpfen. Es war oben noch ganz still,
nur ein brauner Junge putzte das Messingwerk. Bin ich zur See,
so kann ich, wenn ich auch nirgendwo Land erblicke, jenes Gefühl
großartiger und ungeheurer Einsamkeit nicht finden, das so oft ge¬
schildert worden ist. Mich trägt das Dampfschiff, ein herrliches Werk
der Gottheit, der Gottheit im Menschen — des Geistes. Wie viel
Bildung gehörte dazu, seinen hundertfachen Mechanismus zu erden¬
ken und auszuführen! Diese Bildung, oder doch das sichtbare Er¬
gebniß derselben, verknüpft mich mit der ganzen cultivirten Welt, und
die Schrecken der Einsamkeit können mich nicht erfassen. Sehe ich,
früh Morgens auf's Deck tretend, den Schiffsjungen beschäftigt, mit¬
ten unter Klippen und wallender See die Metallknopfe der Galerien
zu Poliren, so ist das unzweifelhafte Bildung. Weit Verlorner und
verlassener fühlte ich mich droben im Volsker« und Hernikergebirg,
wo Oede, Schmutz und Rohheit mich umgaben; wo mich aus ge¬
brochenen Säulen, aus zerfallenen Aquäducten eine vormalige, ge¬
storbene Bildung mit leeren Augenhöhlen entsetzlich anstarrte.
Während ich mich mit solchen Gedanken trug, kam Maria, hell
und schön wie der Morgen, auf's Verveck. Sie sagte: „Der Schlaf
sei ein Feind des Unglücks, darum komme er nicht zu ihr." Vor¬
sichtig und freundlich fragte ich sie «ach ihren Schicksalen, und es
schien dem Mädchen erwünscht, einen Theil der pressenden Last von
der Brust durch Mittheilung abwälzen zu köunen. Auf- und nieder¬
gehend erzählte sie mir ihre traurige Geschichte, um so trauriger, je
alltäglicher sie war. Vor zwei Jahren wohnte in Stockholm, ihren
Eltern — wohlhabenden und angesehenen Leuten — gegenüber, eilt
fremder Diplomat. Maria entwickelte sich damals zur Jungfrau;
feurig war ihr Herz, ihre Phantasie erregt, und sie sehnte sich nach
Liebe. Der schöne stolze Mann widmete ihr seine Aufmerksamkeit,
sie fühlte sich geschmeichelt, und in ihre Träume stahl sich sein Bild.
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