Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

prozeß eine ständige Zeitungsnotiz geworden, war mehrere Jahre Er¬
zieher in einem fürstlichen Hause, aus welcher Stellung er indeß, trotz¬
dem daß der Fürst demselben eine lebenslängliche Pension zusicherte,
für den Fall, daß er die Erziehung der Prinzen vollständig durch¬
führen wolle, bald wieder ausschied, um sich ganz und gar der Li¬
teratur zu widmen. Die Acten seines Prozesses sind spruchreif
und liegen noch immer bei der Staatskanzlei; sowohl die Sage
von seiner Verurtheilung zur Festungsstrafe in Munkacs, als auch
das Gerücht von seiner Verwendung im Cabinet des Staatskanzlers
sind gänzlich aus der Lust gegriffen.

Keine Veränderung im höheren österreichischen Staatsdienst hat
in der neuesten Zeit so viel Zeitungslärm verursacht, als der Abtritt
des Finanzministers Baron Eichhoff und dessen Ersetzung durch den
gegenwärtigen Hoskammerprästdcnten Baron Kübeck. Ueber den Trieb¬
federn dieses Ereignisses liegt ein gewisses Dunkel, das wir nicht zu
lichten vermögen, und welches erst die Fackel eines zweiten Hormayr
unseren Kindern ausheilen wird. Baron Eichhoff war königlich han-
növerscher Offizier, und ward bei der Schifffahrtscommission zu An¬
fang der zwanziger Jahre in Mainz verwendet; hier lernte er den
geistvollen Staatsmann Graf Kolowrat kennen, der in dem Hause
von Eichhoff's Schwager zu Mainz wohnte und von Seite der k. k.
österreichischen Negierung gleichfalls bei der genannten Schifffahrlö-
commission beschäftigt wurde. Graf Kolowrat empfahl den jungen,
talentvollen Capitän seiner Regierung und rühmte seine Verdienste;
als er darauf als Oberstburggraf nach Böhmen zurückkehrte, er wirkte
er dem königlich hannoverschen Offizier die Anstellung als Gubernial-
rath beim böhmischen Gubernium, aus welcher Stellung er in
der kürzesten Frist, gleichzeitig mit der Beförderung des Grafen zum
Staatsminister, zum Hofrath und später zum Präsidenten der Finanz¬
behörde vorrückte. Seit seinem Sturze lebt er abwechselnd in Wien
und auf seinen Gütern in Mähren.

Mit dem Antritt des Kammerpräsidenten, Baron Kübeck, ge¬
wann ein großer Theil der Staatsverwaltung eine erhöhte Regsam¬
keit; der Leser kennt die großartigen Maßregeln, welche seit drei Jah¬
ren unter der aufgeklärten Verwaltung dieses ausgezeichneten Chefs
des österreichischen Finanzwesens in's Leben getreten sind, er weiß
auch wahrscheinlich die verschiedenartigen Urtheile, welche dieselben in


Grenzboten isj-t. II. 2t

prozeß eine ständige Zeitungsnotiz geworden, war mehrere Jahre Er¬
zieher in einem fürstlichen Hause, aus welcher Stellung er indeß, trotz¬
dem daß der Fürst demselben eine lebenslängliche Pension zusicherte,
für den Fall, daß er die Erziehung der Prinzen vollständig durch¬
führen wolle, bald wieder ausschied, um sich ganz und gar der Li¬
teratur zu widmen. Die Acten seines Prozesses sind spruchreif
und liegen noch immer bei der Staatskanzlei; sowohl die Sage
von seiner Verurtheilung zur Festungsstrafe in Munkacs, als auch
das Gerücht von seiner Verwendung im Cabinet des Staatskanzlers
sind gänzlich aus der Lust gegriffen.

Keine Veränderung im höheren österreichischen Staatsdienst hat
in der neuesten Zeit so viel Zeitungslärm verursacht, als der Abtritt
des Finanzministers Baron Eichhoff und dessen Ersetzung durch den
gegenwärtigen Hoskammerprästdcnten Baron Kübeck. Ueber den Trieb¬
federn dieses Ereignisses liegt ein gewisses Dunkel, das wir nicht zu
lichten vermögen, und welches erst die Fackel eines zweiten Hormayr
unseren Kindern ausheilen wird. Baron Eichhoff war königlich han-
növerscher Offizier, und ward bei der Schifffahrtscommission zu An¬
fang der zwanziger Jahre in Mainz verwendet; hier lernte er den
geistvollen Staatsmann Graf Kolowrat kennen, der in dem Hause
von Eichhoff's Schwager zu Mainz wohnte und von Seite der k. k.
österreichischen Negierung gleichfalls bei der genannten Schifffahrlö-
commission beschäftigt wurde. Graf Kolowrat empfahl den jungen,
talentvollen Capitän seiner Regierung und rühmte seine Verdienste;
als er darauf als Oberstburggraf nach Böhmen zurückkehrte, er wirkte
er dem königlich hannoverschen Offizier die Anstellung als Gubernial-
rath beim böhmischen Gubernium, aus welcher Stellung er in
der kürzesten Frist, gleichzeitig mit der Beförderung des Grafen zum
Staatsminister, zum Hofrath und später zum Präsidenten der Finanz¬
behörde vorrückte. Seit seinem Sturze lebt er abwechselnd in Wien
und auf seinen Gütern in Mähren.

Mit dem Antritt des Kammerpräsidenten, Baron Kübeck, ge¬
wann ein großer Theil der Staatsverwaltung eine erhöhte Regsam¬
keit; der Leser kennt die großartigen Maßregeln, welche seit drei Jah¬
ren unter der aufgeklärten Verwaltung dieses ausgezeichneten Chefs
des österreichischen Finanzwesens in's Leben getreten sind, er weiß
auch wahrscheinlich die verschiedenartigen Urtheile, welche dieselben in


Grenzboten isj-t. II. 2t
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0169" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180728"/>
          <p xml:id="ID_389" prev="#ID_388"> prozeß eine ständige Zeitungsnotiz geworden, war mehrere Jahre Er¬<lb/>
zieher in einem fürstlichen Hause, aus welcher Stellung er indeß, trotz¬<lb/>
dem daß der Fürst demselben eine lebenslängliche Pension zusicherte,<lb/>
für den Fall, daß er die Erziehung der Prinzen vollständig durch¬<lb/>
führen wolle, bald wieder ausschied, um sich ganz und gar der Li¬<lb/>
teratur zu widmen. Die Acten seines Prozesses sind spruchreif<lb/>
und liegen noch immer bei der Staatskanzlei; sowohl die Sage<lb/>
von seiner Verurtheilung zur Festungsstrafe in Munkacs, als auch<lb/>
das Gerücht von seiner Verwendung im Cabinet des Staatskanzlers<lb/>
sind gänzlich aus der Lust gegriffen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_390"> Keine Veränderung im höheren österreichischen Staatsdienst hat<lb/>
in der neuesten Zeit so viel Zeitungslärm verursacht, als der Abtritt<lb/>
des Finanzministers Baron Eichhoff und dessen Ersetzung durch den<lb/>
gegenwärtigen Hoskammerprästdcnten Baron Kübeck. Ueber den Trieb¬<lb/>
federn dieses Ereignisses liegt ein gewisses Dunkel, das wir nicht zu<lb/>
lichten vermögen, und welches erst die Fackel eines zweiten Hormayr<lb/>
unseren Kindern ausheilen wird. Baron Eichhoff war königlich han-<lb/>
növerscher Offizier, und ward bei der Schifffahrtscommission zu An¬<lb/>
fang der zwanziger Jahre in Mainz verwendet; hier lernte er den<lb/>
geistvollen Staatsmann Graf Kolowrat kennen, der in dem Hause<lb/>
von Eichhoff's Schwager zu Mainz wohnte und von Seite der k. k.<lb/>
österreichischen Negierung gleichfalls bei der genannten Schifffahrlö-<lb/>
commission beschäftigt wurde. Graf Kolowrat empfahl den jungen,<lb/>
talentvollen Capitän seiner Regierung und rühmte seine Verdienste;<lb/>
als er darauf als Oberstburggraf nach Böhmen zurückkehrte, er wirkte<lb/>
er dem königlich hannoverschen Offizier die Anstellung als Gubernial-<lb/>
rath beim böhmischen Gubernium, aus welcher Stellung er in<lb/>
der kürzesten Frist, gleichzeitig mit der Beförderung des Grafen zum<lb/>
Staatsminister, zum Hofrath und später zum Präsidenten der Finanz¬<lb/>
behörde vorrückte. Seit seinem Sturze lebt er abwechselnd in Wien<lb/>
und auf seinen Gütern in Mähren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_391" next="#ID_392"> Mit dem Antritt des Kammerpräsidenten, Baron Kübeck, ge¬<lb/>
wann ein großer Theil der Staatsverwaltung eine erhöhte Regsam¬<lb/>
keit; der Leser kennt die großartigen Maßregeln, welche seit drei Jah¬<lb/>
ren unter der aufgeklärten Verwaltung dieses ausgezeichneten Chefs<lb/>
des österreichischen Finanzwesens in's Leben getreten sind, er weiß<lb/>
auch wahrscheinlich die verschiedenartigen Urtheile, welche dieselben in</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten isj-t. II. 2t</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0169] prozeß eine ständige Zeitungsnotiz geworden, war mehrere Jahre Er¬ zieher in einem fürstlichen Hause, aus welcher Stellung er indeß, trotz¬ dem daß der Fürst demselben eine lebenslängliche Pension zusicherte, für den Fall, daß er die Erziehung der Prinzen vollständig durch¬ führen wolle, bald wieder ausschied, um sich ganz und gar der Li¬ teratur zu widmen. Die Acten seines Prozesses sind spruchreif und liegen noch immer bei der Staatskanzlei; sowohl die Sage von seiner Verurtheilung zur Festungsstrafe in Munkacs, als auch das Gerücht von seiner Verwendung im Cabinet des Staatskanzlers sind gänzlich aus der Lust gegriffen. Keine Veränderung im höheren österreichischen Staatsdienst hat in der neuesten Zeit so viel Zeitungslärm verursacht, als der Abtritt des Finanzministers Baron Eichhoff und dessen Ersetzung durch den gegenwärtigen Hoskammerprästdcnten Baron Kübeck. Ueber den Trieb¬ federn dieses Ereignisses liegt ein gewisses Dunkel, das wir nicht zu lichten vermögen, und welches erst die Fackel eines zweiten Hormayr unseren Kindern ausheilen wird. Baron Eichhoff war königlich han- növerscher Offizier, und ward bei der Schifffahrtscommission zu An¬ fang der zwanziger Jahre in Mainz verwendet; hier lernte er den geistvollen Staatsmann Graf Kolowrat kennen, der in dem Hause von Eichhoff's Schwager zu Mainz wohnte und von Seite der k. k. österreichischen Negierung gleichfalls bei der genannten Schifffahrlö- commission beschäftigt wurde. Graf Kolowrat empfahl den jungen, talentvollen Capitän seiner Regierung und rühmte seine Verdienste; als er darauf als Oberstburggraf nach Böhmen zurückkehrte, er wirkte er dem königlich hannoverschen Offizier die Anstellung als Gubernial- rath beim böhmischen Gubernium, aus welcher Stellung er in der kürzesten Frist, gleichzeitig mit der Beförderung des Grafen zum Staatsminister, zum Hofrath und später zum Präsidenten der Finanz¬ behörde vorrückte. Seit seinem Sturze lebt er abwechselnd in Wien und auf seinen Gütern in Mähren. Mit dem Antritt des Kammerpräsidenten, Baron Kübeck, ge¬ wann ein großer Theil der Staatsverwaltung eine erhöhte Regsam¬ keit; der Leser kennt die großartigen Maßregeln, welche seit drei Jah¬ ren unter der aufgeklärten Verwaltung dieses ausgezeichneten Chefs des österreichischen Finanzwesens in's Leben getreten sind, er weiß auch wahrscheinlich die verschiedenartigen Urtheile, welche dieselben in Grenzboten isj-t. II. 2t

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/169
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/169>, abgerufen am 23.07.2024.