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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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achter der Artilleristen als ich. Ihre ausgezeichnete Adjüstirung, ver-
möge welcher selbst die Unteroffiziere wenig von den Oberoffizieren
unterschieden waren, zog mich an. Das niedere und unanstän¬
dige Benehmen der gemeinen Artilleristen an öffentlichen Orten und
selbst die Wahl ihrer vornehmeren Liebschaften, welche mit den anderen
Militärs contrastirten, entgingen meinen Beobachtungen nicht. Mein
Entschluß, Artillerist zu werden, erhielt aber erst dann eine Konsistenz,
nachdem ich mit zwei Kanoniers zufällig zusammentraf und in bei¬
den zwei "absolvirte Philosophen" fand, die zu meinem Erstaunen in
ihrem Gespräche keine gemeine Intelligenz entwickelten. In Betrach¬
tung, daß die Artillerie als die einzige Branche in der Monarchie
besteht, in der auch ein Individuum ohne Protektion vom Gemeinen
bis zum Marschall nicht erceptionöweise, sondern allgemein vorrücken
könne, -- daß bei der unausweichlichen Nothwendigkeit, das blutige
Opfer der goldenen Freiheit bringen zu müssen, doch der Trost bleibe,
größtentheils gebildete Menschen zu Gefährten zu haben; -- habe
ich, unerachtet der warnenden Einflüsterungen des bekümmerten Ge¬
müths, den schweren Gang in die Kaserne zum Obersten unternom¬
men und auch vollführt. --

Mein Herz klopfte gewaltig, lind der Angstschweiß rann in Strö¬
men von der Stirne, als ich nach mehreren Zurechtweisungen zu der
Thüre des Obersten gelangte. Vor derselben stand mein künftiger
Kamerad mit entblößtem Säbel, der mich, als einen Unbekannten,
ganz barsch zurück- und an den Negimentsadjutanten wies. Als ich
diesem letzteren mein Anliegen vorbrachte, führte mich derselbe vor
den Obersten, den er mit kurzen Worten von meinem Wunsche un¬
terrichtete. Der Oberst las meine Ausweise mit Aufmerksamkeit durch
und nachdem er mich Zitternden vom Fuße bis zum Kopfe gemessen
hatte, richtete er an mich folgende merkwürdige, in meinem Gedächt¬
nisse unauslöschbare Worte: Nach Ihren Zeugnissen zu urtheilen,
können Sie Ihr Fortkommen anderwärts und vielleicht überall besser
finden als hier. Was zwingt Sie zu diesem übereilten Schritte? --
Vorliebe für den Militärstand und der Mangel an Aussicht im Ci¬
vil, war meine Antwort. -- Und glauben Sie, sagte der Oberst, daß
Sie hier bald Offizier werden? -- Ich werde mit Ihnen ganz auf¬
richtig sprechen, damit Sie einst ni^de von später Reue gepeinigt wer¬
den. Ich nehme viel lieber Bauernsöhne an, die nicht schreiben tön-


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achter der Artilleristen als ich. Ihre ausgezeichnete Adjüstirung, ver-
möge welcher selbst die Unteroffiziere wenig von den Oberoffizieren
unterschieden waren, zog mich an. Das niedere und unanstän¬
dige Benehmen der gemeinen Artilleristen an öffentlichen Orten und
selbst die Wahl ihrer vornehmeren Liebschaften, welche mit den anderen
Militärs contrastirten, entgingen meinen Beobachtungen nicht. Mein
Entschluß, Artillerist zu werden, erhielt aber erst dann eine Konsistenz,
nachdem ich mit zwei Kanoniers zufällig zusammentraf und in bei¬
den zwei „absolvirte Philosophen" fand, die zu meinem Erstaunen in
ihrem Gespräche keine gemeine Intelligenz entwickelten. In Betrach¬
tung, daß die Artillerie als die einzige Branche in der Monarchie
besteht, in der auch ein Individuum ohne Protektion vom Gemeinen
bis zum Marschall nicht erceptionöweise, sondern allgemein vorrücken
könne, — daß bei der unausweichlichen Nothwendigkeit, das blutige
Opfer der goldenen Freiheit bringen zu müssen, doch der Trost bleibe,
größtentheils gebildete Menschen zu Gefährten zu haben; — habe
ich, unerachtet der warnenden Einflüsterungen des bekümmerten Ge¬
müths, den schweren Gang in die Kaserne zum Obersten unternom¬
men und auch vollführt. —

Mein Herz klopfte gewaltig, lind der Angstschweiß rann in Strö¬
men von der Stirne, als ich nach mehreren Zurechtweisungen zu der
Thüre des Obersten gelangte. Vor derselben stand mein künftiger
Kamerad mit entblößtem Säbel, der mich, als einen Unbekannten,
ganz barsch zurück- und an den Negimentsadjutanten wies. Als ich
diesem letzteren mein Anliegen vorbrachte, führte mich derselbe vor
den Obersten, den er mit kurzen Worten von meinem Wunsche un¬
terrichtete. Der Oberst las meine Ausweise mit Aufmerksamkeit durch
und nachdem er mich Zitternden vom Fuße bis zum Kopfe gemessen
hatte, richtete er an mich folgende merkwürdige, in meinem Gedächt¬
nisse unauslöschbare Worte: Nach Ihren Zeugnissen zu urtheilen,
können Sie Ihr Fortkommen anderwärts und vielleicht überall besser
finden als hier. Was zwingt Sie zu diesem übereilten Schritte? —
Vorliebe für den Militärstand und der Mangel an Aussicht im Ci¬
vil, war meine Antwort. — Und glauben Sie, sagte der Oberst, daß
Sie hier bald Offizier werden? — Ich werde mit Ihnen ganz auf¬
richtig sprechen, damit Sie einst ni^de von später Reue gepeinigt wer¬
den. Ich nehme viel lieber Bauernsöhne an, die nicht schreiben tön-


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[0011] achter der Artilleristen als ich. Ihre ausgezeichnete Adjüstirung, ver- möge welcher selbst die Unteroffiziere wenig von den Oberoffizieren unterschieden waren, zog mich an. Das niedere und unanstän¬ dige Benehmen der gemeinen Artilleristen an öffentlichen Orten und selbst die Wahl ihrer vornehmeren Liebschaften, welche mit den anderen Militärs contrastirten, entgingen meinen Beobachtungen nicht. Mein Entschluß, Artillerist zu werden, erhielt aber erst dann eine Konsistenz, nachdem ich mit zwei Kanoniers zufällig zusammentraf und in bei¬ den zwei „absolvirte Philosophen" fand, die zu meinem Erstaunen in ihrem Gespräche keine gemeine Intelligenz entwickelten. In Betrach¬ tung, daß die Artillerie als die einzige Branche in der Monarchie besteht, in der auch ein Individuum ohne Protektion vom Gemeinen bis zum Marschall nicht erceptionöweise, sondern allgemein vorrücken könne, — daß bei der unausweichlichen Nothwendigkeit, das blutige Opfer der goldenen Freiheit bringen zu müssen, doch der Trost bleibe, größtentheils gebildete Menschen zu Gefährten zu haben; — habe ich, unerachtet der warnenden Einflüsterungen des bekümmerten Ge¬ müths, den schweren Gang in die Kaserne zum Obersten unternom¬ men und auch vollführt. — Mein Herz klopfte gewaltig, lind der Angstschweiß rann in Strö¬ men von der Stirne, als ich nach mehreren Zurechtweisungen zu der Thüre des Obersten gelangte. Vor derselben stand mein künftiger Kamerad mit entblößtem Säbel, der mich, als einen Unbekannten, ganz barsch zurück- und an den Negimentsadjutanten wies. Als ich diesem letzteren mein Anliegen vorbrachte, führte mich derselbe vor den Obersten, den er mit kurzen Worten von meinem Wunsche un¬ terrichtete. Der Oberst las meine Ausweise mit Aufmerksamkeit durch und nachdem er mich Zitternden vom Fuße bis zum Kopfe gemessen hatte, richtete er an mich folgende merkwürdige, in meinem Gedächt¬ nisse unauslöschbare Worte: Nach Ihren Zeugnissen zu urtheilen, können Sie Ihr Fortkommen anderwärts und vielleicht überall besser finden als hier. Was zwingt Sie zu diesem übereilten Schritte? — Vorliebe für den Militärstand und der Mangel an Aussicht im Ci¬ vil, war meine Antwort. — Und glauben Sie, sagte der Oberst, daß Sie hier bald Offizier werden? — Ich werde mit Ihnen ganz auf¬ richtig sprechen, damit Sie einst ni^de von später Reue gepeinigt wer¬ den. Ich nehme viel lieber Bauernsöhne an, die nicht schreiben tön- t »

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/11>, abgerufen am 22.12.2024.