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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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rühmten Schwitz-Eugen zu contrahiren. Auch Otto Wigand, der
glückliche Gcheimnißkrämer, und zwei andere Buchhandlungen stehen
auf der Warte der Zeit. In Frankfurt will das Conversationsblatt
dem Ankömmling rasch den Weg abschneiden und mit Hilfe der lang¬
samen Thurn- und Tarif'schen Posterpedition den anderen Concurren-
ten vorauseilen. In Berlin haben drei Buchhandlungen und ein
Unterhaltungsblatt schon die Aermel aufgeschürzt, um gleich zuzugrei¬
fen. Wer sonst im lieben Vaterlande noch wartet und sich bereit
macht von Verlegern und "Lesefrüchten", ist uns zur Zeit noch un¬
bekannt; so viel ist gewiß, ganz Deutschland ist plötzlich judenfreund¬
lich geworden. Und wenn man auch die zeitlichen Juden noch nicht
emancipirt, den ewigen Juden steckt man mit beiden Handen in die
Emancipation. Denn wohlgemerkt, die zeitlichen Juden waren vor I8t)l)
Jahren Einwohner des Orients und können daher jetzt unmöglich bereits
germanisirt sein; der ewige Jude aber kommt direct aus Frankreich und
ist in drei Tagen mit Hilfe des Lexikons deutsch getauft. Und noch
ein Grund: die zeitlichen Juden sind Concurriren in allen Gebieten
des Handels und sind daher lauter Schwerenöther; an dem ewigen
Juden aber ist was zu verdienen, und der verdienstvolle Jude ist
überall willkommen, wie es offiziell heißt. Wenn nur der ^nit moi--
l"us nicht eben so viel fahle Gesichter zurückläßt, wie die t^iolei'!" er-
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dies könnte ein neuer Erschwerungspunkt gegen die Verleihung des
Staatsbürgerrechts an seine zeitlichen Glaubensgenossen werden.
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Notizen.

Mars auf der Börse. -- Polenball in London. --Die Brüder. -- Philosophi¬
sches Stylrccept.

-- Nichts ist charakteristischer für unsere Zeit, als daß den Of¬
fizieren in Berlin vom Kriegsministerium verboten wurde, in Actien
Geschäfte zu machen Das Verbot setzt voraus, daß man den tapfern
Friedenskriegern dergleichen moderne Spekulationen zumuthet. Und
warum nicht? Man weiß, daß Soldaten eine Stunde vor der Schlacht
zu würfeln und die Karte zu biegen pflegen. Das Börsenspiel ist ja
auch nur Hazardspiel, und stehen wir nicht fortwährend am Vorabend
großer Ereignisse? Heutzutage, wo der Staatspapiermann, wie jener
Römer aus den Falten seiner Toga, aus Coupons und Actien Krieg
oder Frieden schüttelt, ist es nur billig, daß auch Mars auf die Börse
geht.

-- Fast die ganze Aeitungspresse Europas beschäftigt sich mit des
Kaisers Nikolaus "acht Tagen in London"; weniger der politischen


rühmten Schwitz-Eugen zu contrahiren. Auch Otto Wigand, der
glückliche Gcheimnißkrämer, und zwei andere Buchhandlungen stehen
auf der Warte der Zeit. In Frankfurt will das Conversationsblatt
dem Ankömmling rasch den Weg abschneiden und mit Hilfe der lang¬
samen Thurn- und Tarif'schen Posterpedition den anderen Concurren-
ten vorauseilen. In Berlin haben drei Buchhandlungen und ein
Unterhaltungsblatt schon die Aermel aufgeschürzt, um gleich zuzugrei¬
fen. Wer sonst im lieben Vaterlande noch wartet und sich bereit
macht von Verlegern und „Lesefrüchten", ist uns zur Zeit noch un¬
bekannt; so viel ist gewiß, ganz Deutschland ist plötzlich judenfreund¬
lich geworden. Und wenn man auch die zeitlichen Juden noch nicht
emancipirt, den ewigen Juden steckt man mit beiden Handen in die
Emancipation. Denn wohlgemerkt, die zeitlichen Juden waren vor I8t)l)
Jahren Einwohner des Orients und können daher jetzt unmöglich bereits
germanisirt sein; der ewige Jude aber kommt direct aus Frankreich und
ist in drei Tagen mit Hilfe des Lexikons deutsch getauft. Und noch
ein Grund: die zeitlichen Juden sind Concurriren in allen Gebieten
des Handels und sind daher lauter Schwerenöther; an dem ewigen
Juden aber ist was zu verdienen, und der verdienstvolle Jude ist
überall willkommen, wie es offiziell heißt. Wenn nur der ^nit moi--
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dies könnte ein neuer Erschwerungspunkt gegen die Verleihung des
Staatsbürgerrechts an seine zeitlichen Glaubensgenossen werden.
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Mars auf der Börse. — Polenball in London. —Die Brüder. — Philosophi¬
sches Stylrccept.

— Nichts ist charakteristischer für unsere Zeit, als daß den Of¬
fizieren in Berlin vom Kriegsministerium verboten wurde, in Actien
Geschäfte zu machen Das Verbot setzt voraus, daß man den tapfern
Friedenskriegern dergleichen moderne Spekulationen zumuthet. Und
warum nicht? Man weiß, daß Soldaten eine Stunde vor der Schlacht
zu würfeln und die Karte zu biegen pflegen. Das Börsenspiel ist ja
auch nur Hazardspiel, und stehen wir nicht fortwährend am Vorabend
großer Ereignisse? Heutzutage, wo der Staatspapiermann, wie jener
Römer aus den Falten seiner Toga, aus Coupons und Actien Krieg
oder Frieden schüttelt, ist es nur billig, daß auch Mars auf die Börse
geht.

— Fast die ganze Aeitungspresse Europas beschäftigt sich mit des
Kaisers Nikolaus „acht Tagen in London"; weniger der politischen


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[0838] rühmten Schwitz-Eugen zu contrahiren. Auch Otto Wigand, der glückliche Gcheimnißkrämer, und zwei andere Buchhandlungen stehen auf der Warte der Zeit. In Frankfurt will das Conversationsblatt dem Ankömmling rasch den Weg abschneiden und mit Hilfe der lang¬ samen Thurn- und Tarif'schen Posterpedition den anderen Concurren- ten vorauseilen. In Berlin haben drei Buchhandlungen und ein Unterhaltungsblatt schon die Aermel aufgeschürzt, um gleich zuzugrei¬ fen. Wer sonst im lieben Vaterlande noch wartet und sich bereit macht von Verlegern und „Lesefrüchten", ist uns zur Zeit noch un¬ bekannt; so viel ist gewiß, ganz Deutschland ist plötzlich judenfreund¬ lich geworden. Und wenn man auch die zeitlichen Juden noch nicht emancipirt, den ewigen Juden steckt man mit beiden Handen in die Emancipation. Denn wohlgemerkt, die zeitlichen Juden waren vor I8t)l) Jahren Einwohner des Orients und können daher jetzt unmöglich bereits germanisirt sein; der ewige Jude aber kommt direct aus Frankreich und ist in drei Tagen mit Hilfe des Lexikons deutsch getauft. Und noch ein Grund: die zeitlichen Juden sind Concurriren in allen Gebieten des Handels und sind daher lauter Schwerenöther; an dem ewigen Juden aber ist was zu verdienen, und der verdienstvolle Jude ist überall willkommen, wie es offiziell heißt. Wenn nur der ^nit moi-- l»us nicht eben so viel fahle Gesichter zurückläßt, wie die t^iolei'!» er- «'-ni. Wenn der ewige Jude nur die Erwartungen nicht betrügt; dies könnte ein neuer Erschwerungspunkt gegen die Verleihung des Staatsbürgerrechts an seine zeitlichen Glaubensgenossen werden. '»ldUn'n',?»?»Ä!M!»«ol'i6»n it'.'l ' V. Notizen. Mars auf der Börse. — Polenball in London. —Die Brüder. — Philosophi¬ sches Stylrccept. — Nichts ist charakteristischer für unsere Zeit, als daß den Of¬ fizieren in Berlin vom Kriegsministerium verboten wurde, in Actien Geschäfte zu machen Das Verbot setzt voraus, daß man den tapfern Friedenskriegern dergleichen moderne Spekulationen zumuthet. Und warum nicht? Man weiß, daß Soldaten eine Stunde vor der Schlacht zu würfeln und die Karte zu biegen pflegen. Das Börsenspiel ist ja auch nur Hazardspiel, und stehen wir nicht fortwährend am Vorabend großer Ereignisse? Heutzutage, wo der Staatspapiermann, wie jener Römer aus den Falten seiner Toga, aus Coupons und Actien Krieg oder Frieden schüttelt, ist es nur billig, daß auch Mars auf die Börse geht. — Fast die ganze Aeitungspresse Europas beschäftigt sich mit des Kaisers Nikolaus „acht Tagen in London"; weniger der politischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/838>, abgerufen am 22.12.2024.