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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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sind, wird den Verfassern "der Directoren gestattet, Bemerkungen und
Einwendungen in Betreff des ganzen Stückes oder einzelner Theile
desselben beizubringen. Ursprünglich entschied die Commission ohne
Zulassung von Autoren oder Direktoren, und ihre Entscheidung wurde
den Interessenten durch die Bureaus des Ministeriums mitgetheilt;
die Autoren beklagten sich indeß, daß sie ungehört verurtheilt würden,
und die Commission selbst bedauerte, daß sie die Gründe ihrer Ent¬
scheidung nicht zur Kenntniß bringen könne. Deshalb hat es nütz¬
lich geschienen, freundschaftliche Besprechungen anzustellen, bei denen
allerdings durch persönlichen Einfluß wohl mancherlei Concessionen
der Commission abgedrungen werden können, die aber doch den schäz-
zenswerthen Erfolg gehabt haben, daß der Censur heftige Angriffe
erspart wurden, welchen sie früher als wesentlich willkürliche Macht,
die über Ruhm und Vermögen zu entscheiden hatte, ausgesetzt war.

Nachdem wir die gesetzlichen Vorschriften geschildert, welche sich
auf Errichtung der Theater und das Verfahren der Censur beziehen,
bleibt uns jetzt noch übrig, auseinanderzusetzen, in welche Lage un¬
sere Gesetze die Autoren und Schauspieler gesetzt haben.

In den ersten Zeiten des modernen Theaters eristirten die Au¬
torantheile noch nicht, wenigstens nicht unter ihrer jetzigen Form.
Die Schauspieler kauften vor der Vorstellung das Stück, welches sie
aufführen wollten. Der Preis dieses Kaufes war sehr verschieden
und hing natürlich vom Verdienste des Werkes und noch mehr vom
Rufe des Autors ab. Quinaut war der Erste, welcher so viel An¬
sehen besaß, daß er bei jeder Darstellung ein pro r-leg, der Einnahme
empfing, und von ihm datirt also, was man später den Antheil und
das Recht des Autors genannt hat. Indeß erst 1697 hat ein Regle¬
ment den Schauspielern die Verpflichtung auferlegt, diese Abgabe an
den Autor zu bezahlen; bis dahin war die Bezahlung für das Stück
nur nach der Gewohnheit oder dem gegenseitigen Uebereinkommen
geregelt. Die Truppe Moliere's zahlte an Corneille 2000 Francs
für Bervnice und desgleichen 2000 Francs für Attila. Dieselbe
Summe wurde Moliere für !v k'esten ac ?lei-r<; bewilligt, aber
nur als ausnahmsweise Gratifikation, denn man weiß, daß Moliere
nur eine Handlung der bloßen Gefälligkeit zu thun glaubte, wenn er
ein Meisterstück schrieb. Gewöhnlich theilte die Truppe bei jeder
Vorstellung nach Abzug der Kosten die Einnahme in sechzehn Theile.


Grenzbotin Is44. l.

sind, wird den Verfassern »der Directoren gestattet, Bemerkungen und
Einwendungen in Betreff des ganzen Stückes oder einzelner Theile
desselben beizubringen. Ursprünglich entschied die Commission ohne
Zulassung von Autoren oder Direktoren, und ihre Entscheidung wurde
den Interessenten durch die Bureaus des Ministeriums mitgetheilt;
die Autoren beklagten sich indeß, daß sie ungehört verurtheilt würden,
und die Commission selbst bedauerte, daß sie die Gründe ihrer Ent¬
scheidung nicht zur Kenntniß bringen könne. Deshalb hat es nütz¬
lich geschienen, freundschaftliche Besprechungen anzustellen, bei denen
allerdings durch persönlichen Einfluß wohl mancherlei Concessionen
der Commission abgedrungen werden können, die aber doch den schäz-
zenswerthen Erfolg gehabt haben, daß der Censur heftige Angriffe
erspart wurden, welchen sie früher als wesentlich willkürliche Macht,
die über Ruhm und Vermögen zu entscheiden hatte, ausgesetzt war.

Nachdem wir die gesetzlichen Vorschriften geschildert, welche sich
auf Errichtung der Theater und das Verfahren der Censur beziehen,
bleibt uns jetzt noch übrig, auseinanderzusetzen, in welche Lage un¬
sere Gesetze die Autoren und Schauspieler gesetzt haben.

In den ersten Zeiten des modernen Theaters eristirten die Au¬
torantheile noch nicht, wenigstens nicht unter ihrer jetzigen Form.
Die Schauspieler kauften vor der Vorstellung das Stück, welches sie
aufführen wollten. Der Preis dieses Kaufes war sehr verschieden
und hing natürlich vom Verdienste des Werkes und noch mehr vom
Rufe des Autors ab. Quinaut war der Erste, welcher so viel An¬
sehen besaß, daß er bei jeder Darstellung ein pro r-leg, der Einnahme
empfing, und von ihm datirt also, was man später den Antheil und
das Recht des Autors genannt hat. Indeß erst 1697 hat ein Regle¬
ment den Schauspielern die Verpflichtung auferlegt, diese Abgabe an
den Autor zu bezahlen; bis dahin war die Bezahlung für das Stück
nur nach der Gewohnheit oder dem gegenseitigen Uebereinkommen
geregelt. Die Truppe Moliere's zahlte an Corneille 2000 Francs
für Bervnice und desgleichen 2000 Francs für Attila. Dieselbe
Summe wurde Moliere für !v k'esten ac ?lei-r<; bewilligt, aber
nur als ausnahmsweise Gratifikation, denn man weiß, daß Moliere
nur eine Handlung der bloßen Gefälligkeit zu thun glaubte, wenn er
ein Meisterstück schrieb. Gewöhnlich theilte die Truppe bei jeder
Vorstellung nach Abzug der Kosten die Einnahme in sechzehn Theile.


Grenzbotin Is44. l.
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[0785] sind, wird den Verfassern »der Directoren gestattet, Bemerkungen und Einwendungen in Betreff des ganzen Stückes oder einzelner Theile desselben beizubringen. Ursprünglich entschied die Commission ohne Zulassung von Autoren oder Direktoren, und ihre Entscheidung wurde den Interessenten durch die Bureaus des Ministeriums mitgetheilt; die Autoren beklagten sich indeß, daß sie ungehört verurtheilt würden, und die Commission selbst bedauerte, daß sie die Gründe ihrer Ent¬ scheidung nicht zur Kenntniß bringen könne. Deshalb hat es nütz¬ lich geschienen, freundschaftliche Besprechungen anzustellen, bei denen allerdings durch persönlichen Einfluß wohl mancherlei Concessionen der Commission abgedrungen werden können, die aber doch den schäz- zenswerthen Erfolg gehabt haben, daß der Censur heftige Angriffe erspart wurden, welchen sie früher als wesentlich willkürliche Macht, die über Ruhm und Vermögen zu entscheiden hatte, ausgesetzt war. Nachdem wir die gesetzlichen Vorschriften geschildert, welche sich auf Errichtung der Theater und das Verfahren der Censur beziehen, bleibt uns jetzt noch übrig, auseinanderzusetzen, in welche Lage un¬ sere Gesetze die Autoren und Schauspieler gesetzt haben. In den ersten Zeiten des modernen Theaters eristirten die Au¬ torantheile noch nicht, wenigstens nicht unter ihrer jetzigen Form. Die Schauspieler kauften vor der Vorstellung das Stück, welches sie aufführen wollten. Der Preis dieses Kaufes war sehr verschieden und hing natürlich vom Verdienste des Werkes und noch mehr vom Rufe des Autors ab. Quinaut war der Erste, welcher so viel An¬ sehen besaß, daß er bei jeder Darstellung ein pro r-leg, der Einnahme empfing, und von ihm datirt also, was man später den Antheil und das Recht des Autors genannt hat. Indeß erst 1697 hat ein Regle¬ ment den Schauspielern die Verpflichtung auferlegt, diese Abgabe an den Autor zu bezahlen; bis dahin war die Bezahlung für das Stück nur nach der Gewohnheit oder dem gegenseitigen Uebereinkommen geregelt. Die Truppe Moliere's zahlte an Corneille 2000 Francs für Bervnice und desgleichen 2000 Francs für Attila. Dieselbe Summe wurde Moliere für !v k'esten ac ?lei-r<; bewilligt, aber nur als ausnahmsweise Gratifikation, denn man weiß, daß Moliere nur eine Handlung der bloßen Gefälligkeit zu thun glaubte, wenn er ein Meisterstück schrieb. Gewöhnlich theilte die Truppe bei jeder Vorstellung nach Abzug der Kosten die Einnahme in sechzehn Theile. Grenzbotin Is44. l.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/785>, abgerufen am 01.07.2024.