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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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nehmen ^wollen und haben für sich besondere Agenten ernannt zur
Wahrung ihrer Interessen.

Dieses neue Verfahren hat die Lage der Autoren ändern müs¬
sen, aber gewisse durch die Untersuchung von 1832 entdeckte Mi߬
bräuche haben wahrscheinlich noch fortgedauert. So haben die Thea¬
ter von London weder Comites, noch bestellte Lectoren, um über den
Werth der Werke ein Urtheil zu fällen. Der Director zieht zu Rathe,
wen es ihm beliebt, wendet sich jedes Mal an einen anderen Prü¬
fenden, und wenn es sich nicht um einen Autor oder um ein Werk
handelt, das ganz und gar eine Ausnahme macht, so läßt er sich
nach einander die Ansicht von mehreren Personen mittheilen. In der
Untersuchung sind die Schauspieler als wenig zuverlässige Richter
hingestellt; sie täuschen sich, sagt man, häufig und beurtheilen die
Bühncneffecte falsch. Ein Zeuge gibt den Grund dafür an, daß sie
die launenhaftesten Geschöpfe der Erde sind. Der Autor bleibt Ei¬
genthümer seines Manuskriptes und verkauft es selbst an den mit
der Herausgabe beauftragten Verleger; nur dann ist der Werth des¬
selben ein ganz nichtiger. Vor dreißig Jahren waren hundert Pfund
Sterling für ein dargestelltes Stück ein sehr mäßiger Preis, heute
aber erhält man kaum zehn Pfund und häufig gar Nichts dafür.
Seit die fremden Stücke in's Englische übersetzt sind, ist der Preis
des Manuscriptes fast auf Nichts gesunken; nur zur Noth hat She-
ridan Knowles das des Hunchback, der einen großen Erfolg gehabt
hat, verkaufen können. Man betrachtet die dramatischen Werke nicht
mehr als zur eigentlichen Literatur, als zu denen gehörig, welche in
den Bibliotheken ihren Platz finden. Was die Vortheile anbetrifft,
welche für den Autor aus der Darstellung hervorgehen, so scheinen
die Gewohnheiren durch die neuen Gesetzbestimmungen Nichts ge¬
ändert zu haben. Coventgarden bewilligte im Allgemeinen für jedes
Stück hundert Pfund bei der dritten Aufführung, hundert bei der
sechsten, hundert bei der neunten und hundert bei der vierzigsten. Aber
es ist selten, daß es zu der letzteren Zahl kommt; der höchste für eine
Tragödie oder Komödie gegebene Preis überstieg nicht neunhundert
Pfund. Im Allgemeinen gab man dem Verfasser einer Opernmustk
Nichts; indessen hatte Weber von dem für den Oberon gegebenen
Preise fünfhundert Pfund bezogen. Auf demselben Theater brachte
ein dreiactiges, aus dem Französischen übersetztes Stück im Falle des


nehmen ^wollen und haben für sich besondere Agenten ernannt zur
Wahrung ihrer Interessen.

Dieses neue Verfahren hat die Lage der Autoren ändern müs¬
sen, aber gewisse durch die Untersuchung von 1832 entdeckte Mi߬
bräuche haben wahrscheinlich noch fortgedauert. So haben die Thea¬
ter von London weder Comites, noch bestellte Lectoren, um über den
Werth der Werke ein Urtheil zu fällen. Der Director zieht zu Rathe,
wen es ihm beliebt, wendet sich jedes Mal an einen anderen Prü¬
fenden, und wenn es sich nicht um einen Autor oder um ein Werk
handelt, das ganz und gar eine Ausnahme macht, so läßt er sich
nach einander die Ansicht von mehreren Personen mittheilen. In der
Untersuchung sind die Schauspieler als wenig zuverlässige Richter
hingestellt; sie täuschen sich, sagt man, häufig und beurtheilen die
Bühncneffecte falsch. Ein Zeuge gibt den Grund dafür an, daß sie
die launenhaftesten Geschöpfe der Erde sind. Der Autor bleibt Ei¬
genthümer seines Manuskriptes und verkauft es selbst an den mit
der Herausgabe beauftragten Verleger; nur dann ist der Werth des¬
selben ein ganz nichtiger. Vor dreißig Jahren waren hundert Pfund
Sterling für ein dargestelltes Stück ein sehr mäßiger Preis, heute
aber erhält man kaum zehn Pfund und häufig gar Nichts dafür.
Seit die fremden Stücke in's Englische übersetzt sind, ist der Preis
des Manuscriptes fast auf Nichts gesunken; nur zur Noth hat She-
ridan Knowles das des Hunchback, der einen großen Erfolg gehabt
hat, verkaufen können. Man betrachtet die dramatischen Werke nicht
mehr als zur eigentlichen Literatur, als zu denen gehörig, welche in
den Bibliotheken ihren Platz finden. Was die Vortheile anbetrifft,
welche für den Autor aus der Darstellung hervorgehen, so scheinen
die Gewohnheiren durch die neuen Gesetzbestimmungen Nichts ge¬
ändert zu haben. Coventgarden bewilligte im Allgemeinen für jedes
Stück hundert Pfund bei der dritten Aufführung, hundert bei der
sechsten, hundert bei der neunten und hundert bei der vierzigsten. Aber
es ist selten, daß es zu der letzteren Zahl kommt; der höchste für eine
Tragödie oder Komödie gegebene Preis überstieg nicht neunhundert
Pfund. Im Allgemeinen gab man dem Verfasser einer Opernmustk
Nichts; indessen hatte Weber von dem für den Oberon gegebenen
Preise fünfhundert Pfund bezogen. Auf demselben Theater brachte
ein dreiactiges, aus dem Französischen übersetztes Stück im Falle des


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[0766] nehmen ^wollen und haben für sich besondere Agenten ernannt zur Wahrung ihrer Interessen. Dieses neue Verfahren hat die Lage der Autoren ändern müs¬ sen, aber gewisse durch die Untersuchung von 1832 entdeckte Mi߬ bräuche haben wahrscheinlich noch fortgedauert. So haben die Thea¬ ter von London weder Comites, noch bestellte Lectoren, um über den Werth der Werke ein Urtheil zu fällen. Der Director zieht zu Rathe, wen es ihm beliebt, wendet sich jedes Mal an einen anderen Prü¬ fenden, und wenn es sich nicht um einen Autor oder um ein Werk handelt, das ganz und gar eine Ausnahme macht, so läßt er sich nach einander die Ansicht von mehreren Personen mittheilen. In der Untersuchung sind die Schauspieler als wenig zuverlässige Richter hingestellt; sie täuschen sich, sagt man, häufig und beurtheilen die Bühncneffecte falsch. Ein Zeuge gibt den Grund dafür an, daß sie die launenhaftesten Geschöpfe der Erde sind. Der Autor bleibt Ei¬ genthümer seines Manuskriptes und verkauft es selbst an den mit der Herausgabe beauftragten Verleger; nur dann ist der Werth des¬ selben ein ganz nichtiger. Vor dreißig Jahren waren hundert Pfund Sterling für ein dargestelltes Stück ein sehr mäßiger Preis, heute aber erhält man kaum zehn Pfund und häufig gar Nichts dafür. Seit die fremden Stücke in's Englische übersetzt sind, ist der Preis des Manuscriptes fast auf Nichts gesunken; nur zur Noth hat She- ridan Knowles das des Hunchback, der einen großen Erfolg gehabt hat, verkaufen können. Man betrachtet die dramatischen Werke nicht mehr als zur eigentlichen Literatur, als zu denen gehörig, welche in den Bibliotheken ihren Platz finden. Was die Vortheile anbetrifft, welche für den Autor aus der Darstellung hervorgehen, so scheinen die Gewohnheiren durch die neuen Gesetzbestimmungen Nichts ge¬ ändert zu haben. Coventgarden bewilligte im Allgemeinen für jedes Stück hundert Pfund bei der dritten Aufführung, hundert bei der sechsten, hundert bei der neunten und hundert bei der vierzigsten. Aber es ist selten, daß es zu der letzteren Zahl kommt; der höchste für eine Tragödie oder Komödie gegebene Preis überstieg nicht neunhundert Pfund. Im Allgemeinen gab man dem Verfasser einer Opernmustk Nichts; indessen hatte Weber von dem für den Oberon gegebenen Preise fünfhundert Pfund bezogen. Auf demselben Theater brachte ein dreiactiges, aus dem Französischen übersetztes Stück im Falle des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/766>, abgerufen am 01.07.2024.