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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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terhandeln. Die Kopien wurden zu zwei bis drei Pfund verkauft,
und diese Piratenindustrie bereicherte die Stenographen und die an¬
deren Theater, indem sie den unglücklichen Autor ruinirte. Deshalb
beklagten sich die dramatischen Schriftsteller auch aufs Lebhafteste und
verlangten einstimmig, daß das französische Gesetz angenommen werde.
Die schreiendsten Thatsachen wurden angeführt. Masaniello, der
mehr als hundert und fünfzig Mal in Drurylane aufgeführt worden
war, hatte seinem Verfasser nicht einen Shilling eingebracht. Nach
der Uebereinkunft sollte derselbe für drei Vorstellungen bis zur zwan¬
zigsten fünfzig Pfund bekommen; aber da der Unternehmer bankerott
gemacht hatte, bevor er seine Verbindlichkeiten gehalten, wiesen seine
Nachfolger jede Solidarität zurück und fuhren fort, das Stück zu ge¬
ben, ohne dafür etwas zu zahlen; sie beriefen sich auf den Gebrauch,
welcher das Eigenthum eines Stückes dem Theater übertrug, auf
welchem es einmal dargestellt worden war. Auf diese Weise, sagte
der als Zeuge vernommene Autor, haben mir meine Werke nach den
größten und legitimsten Erfolgen nur Verdruß und Erniedrigung ein¬
gebracht. Ich habe von Woche zu Woche elende Summen von zehn
Pfund für meine Nachtwachen erbetteln müssen und ich gestehe, daß
ich unter dem Gewichte dieser abscheulichen Unbilligkeit erliege. Man
hat mir gesagt, daß der Kanzleihos fortan meine einzige Zuflucht sei;
aber ich weiß wohl, daß ein armer Teufel, wie ich, sich nicht auf
Prozesse einlassen kann. Ein anderer Autor, Jerold, beklagte sich
über ähnliche Spoliationen; eines seiner Werke, IKo blanke^e"! ac-
20tira, das vierhundert Mal in einem Jahre gespielt worden ist, hat
ihm nur sechzig Pfund eingebracht. Er hatte um eine ausnahms¬
weise Entschädigung gebeten, aber Coventgarden nahm diese unver¬
schämte Prätention höchst ungnädig auf. Eines von den patentirter
Theatern hatte ein Stück von Moncriff von einem Theater zweiten
Ranges entnommen, der Verfasser wollte es verklagen; unglücklicher
Weise mußte er zuvörderst achtzig Pfund Gerichtskosten herbeischaffen;
da er dies nicht konnte, so verzichtete er darauf, sich Gerechtigkeit zu
verschaffen. Moncriff, dieser Verfasser von mehr als zweihundert
Stücken, war von Drurylane auf zehn Jahre für vierzig Shillinge
die Woche engagirt, um Dramen und Possen "'U verfassen oder viel¬
mehr zu improvisiren; man bestellte sie bei ihm nach Bedürfniß, mit¬
unter erst vierundzwanzig Stunden vorher. Eines von diesen Stücken,


terhandeln. Die Kopien wurden zu zwei bis drei Pfund verkauft,
und diese Piratenindustrie bereicherte die Stenographen und die an¬
deren Theater, indem sie den unglücklichen Autor ruinirte. Deshalb
beklagten sich die dramatischen Schriftsteller auch aufs Lebhafteste und
verlangten einstimmig, daß das französische Gesetz angenommen werde.
Die schreiendsten Thatsachen wurden angeführt. Masaniello, der
mehr als hundert und fünfzig Mal in Drurylane aufgeführt worden
war, hatte seinem Verfasser nicht einen Shilling eingebracht. Nach
der Uebereinkunft sollte derselbe für drei Vorstellungen bis zur zwan¬
zigsten fünfzig Pfund bekommen; aber da der Unternehmer bankerott
gemacht hatte, bevor er seine Verbindlichkeiten gehalten, wiesen seine
Nachfolger jede Solidarität zurück und fuhren fort, das Stück zu ge¬
ben, ohne dafür etwas zu zahlen; sie beriefen sich auf den Gebrauch,
welcher das Eigenthum eines Stückes dem Theater übertrug, auf
welchem es einmal dargestellt worden war. Auf diese Weise, sagte
der als Zeuge vernommene Autor, haben mir meine Werke nach den
größten und legitimsten Erfolgen nur Verdruß und Erniedrigung ein¬
gebracht. Ich habe von Woche zu Woche elende Summen von zehn
Pfund für meine Nachtwachen erbetteln müssen und ich gestehe, daß
ich unter dem Gewichte dieser abscheulichen Unbilligkeit erliege. Man
hat mir gesagt, daß der Kanzleihos fortan meine einzige Zuflucht sei;
aber ich weiß wohl, daß ein armer Teufel, wie ich, sich nicht auf
Prozesse einlassen kann. Ein anderer Autor, Jerold, beklagte sich
über ähnliche Spoliationen; eines seiner Werke, IKo blanke^e«! ac-
20tira, das vierhundert Mal in einem Jahre gespielt worden ist, hat
ihm nur sechzig Pfund eingebracht. Er hatte um eine ausnahms¬
weise Entschädigung gebeten, aber Coventgarden nahm diese unver¬
schämte Prätention höchst ungnädig auf. Eines von den patentirter
Theatern hatte ein Stück von Moncriff von einem Theater zweiten
Ranges entnommen, der Verfasser wollte es verklagen; unglücklicher
Weise mußte er zuvörderst achtzig Pfund Gerichtskosten herbeischaffen;
da er dies nicht konnte, so verzichtete er darauf, sich Gerechtigkeit zu
verschaffen. Moncriff, dieser Verfasser von mehr als zweihundert
Stücken, war von Drurylane auf zehn Jahre für vierzig Shillinge
die Woche engagirt, um Dramen und Possen »'U verfassen oder viel¬
mehr zu improvisiren; man bestellte sie bei ihm nach Bedürfniß, mit¬
unter erst vierundzwanzig Stunden vorher. Eines von diesen Stücken,


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[0764] terhandeln. Die Kopien wurden zu zwei bis drei Pfund verkauft, und diese Piratenindustrie bereicherte die Stenographen und die an¬ deren Theater, indem sie den unglücklichen Autor ruinirte. Deshalb beklagten sich die dramatischen Schriftsteller auch aufs Lebhafteste und verlangten einstimmig, daß das französische Gesetz angenommen werde. Die schreiendsten Thatsachen wurden angeführt. Masaniello, der mehr als hundert und fünfzig Mal in Drurylane aufgeführt worden war, hatte seinem Verfasser nicht einen Shilling eingebracht. Nach der Uebereinkunft sollte derselbe für drei Vorstellungen bis zur zwan¬ zigsten fünfzig Pfund bekommen; aber da der Unternehmer bankerott gemacht hatte, bevor er seine Verbindlichkeiten gehalten, wiesen seine Nachfolger jede Solidarität zurück und fuhren fort, das Stück zu ge¬ ben, ohne dafür etwas zu zahlen; sie beriefen sich auf den Gebrauch, welcher das Eigenthum eines Stückes dem Theater übertrug, auf welchem es einmal dargestellt worden war. Auf diese Weise, sagte der als Zeuge vernommene Autor, haben mir meine Werke nach den größten und legitimsten Erfolgen nur Verdruß und Erniedrigung ein¬ gebracht. Ich habe von Woche zu Woche elende Summen von zehn Pfund für meine Nachtwachen erbetteln müssen und ich gestehe, daß ich unter dem Gewichte dieser abscheulichen Unbilligkeit erliege. Man hat mir gesagt, daß der Kanzleihos fortan meine einzige Zuflucht sei; aber ich weiß wohl, daß ein armer Teufel, wie ich, sich nicht auf Prozesse einlassen kann. Ein anderer Autor, Jerold, beklagte sich über ähnliche Spoliationen; eines seiner Werke, IKo blanke^e«! ac- 20tira, das vierhundert Mal in einem Jahre gespielt worden ist, hat ihm nur sechzig Pfund eingebracht. Er hatte um eine ausnahms¬ weise Entschädigung gebeten, aber Coventgarden nahm diese unver¬ schämte Prätention höchst ungnädig auf. Eines von den patentirter Theatern hatte ein Stück von Moncriff von einem Theater zweiten Ranges entnommen, der Verfasser wollte es verklagen; unglücklicher Weise mußte er zuvörderst achtzig Pfund Gerichtskosten herbeischaffen; da er dies nicht konnte, so verzichtete er darauf, sich Gerechtigkeit zu verschaffen. Moncriff, dieser Verfasser von mehr als zweihundert Stücken, war von Drurylane auf zehn Jahre für vierzig Shillinge die Woche engagirt, um Dramen und Possen »'U verfassen oder viel¬ mehr zu improvisiren; man bestellte sie bei ihm nach Bedürfniß, mit¬ unter erst vierundzwanzig Stunden vorher. Eines von diesen Stücken,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/764>, abgerufen am 01.07.2024.