großes Wesen zu machen, wenn die Verhältnisse es nie zur That kommen lassen; was soll uns eine Gesinnung, die nur im Verborge¬ nen groß ist und an der kleinsten Probe zu Schanden wird? Dieser Herr Witthauer hat in seine fürtreffliche "Wiener Zeitschrift" eine so regelrechte Denunciation aufgenommen, wie sie nur die Spal¬ ten des seligen "Adler" hatte zieren können.
Wir trauten kaum unsern Augen, allein es war nicht wegzuwi¬ schen. In der Wiener Zeitschrift erzählt ein Dresdner Correspondent, Beck's neuestes Gedicht: "Auferstehung" sei so subversiv und staats¬ gefährlich :c. :c., daß das Mißfallen, mit dem es in der öffentlichen Vorlesung im Hotel de Lurembourg zu Dresden aufgenommen worden sei, jeden Besonnenen und redlich Denkenden freuen müsse. Der ver¬ leumderische Zweck dieses Berichtes liegt klar zu Tage; der Correspon¬ dent äußert kaum Ein kritisches Wort über das Gedicht, er spricht le¬ diglich von der politischen Tendenz desselben und auch darüber ohne ein motivirtes, ohne ein erklärendes Urtheil, sondern nur mit jenen banalen Phrasen, die zur bloßen polizeilichen Anklage hinreichend, die auf tausend Gedichte der verschiedensten Art anwendbar sind und auch schon tausendmal angewendet wurden. Diese Lüge ist doppelt schlecht, weil sie den Argwohn aus ein Gedicht lenkt, das nicht ge¬ druckt und nur Denen bekannt ist, die es vorlesen hörten. Wäre es bereits veröffentlicht, so würde es sich durch sich selbst vertheidigen. Was den Dresdner Correspondenten der Wiener Zeitschrift betrifft, so muß er entweder von sehr niedrigen Motiven getrieben oder von sel¬ tener Bornirtheit sein. Es gibt felle Federn genug, die eben so durch ungemessene Lobhudeleien, wie durch plumpe Verdächtigungen bei die¬ ser oder jener literarischen Clique, die sie dem zu besprechenden Autor gewogen oder feindselig glauben, sich einzuschmeicheln suchen und dar¬ nach ihr Urtheil einrichten. Es mag auch bloße Beschränktheit sein. Jedenfalls dachte der Dresdner Correspondent, in einem Wiener Blatte mit seiner Denunciation wie gerufen zu kommen und sich als recht convenablen, censurfähigen Mitarbeiter zu erweisen. Und auf diese schmeichelhafte Voraussetzung, auf diese Jumuthung, die er im Na¬ men der Wiener Presse mit Entrüstung hätte zurückweisen sollen, geht Herr Witthauer ein; diese feige Verleumdung eines un¬ gedruckten Gedichtes, die wohl keines von jenen minder "gediegenen" Blattern, auf welche die Wiener Zeitschrift vornehm herabsieht, auf¬ genommen hätte, läßt Herr Witthauer abdrucken, ohne sich in seinem gesinnungsvollcn Anstand im Mindesten genirt zu fühlen!
So wenig das Publikum der Wiener Zeitschrift es wissen kann, so gut konnte Herr Witthauer wissen, wie falsch er von Dresden aus berichtet wurde. Karl Beck hatte in Wien seine "Auferstehung" in einem literarischen Kreise bei Lenau vorgelesen, und die freudige Theil-
großes Wesen zu machen, wenn die Verhältnisse es nie zur That kommen lassen; was soll uns eine Gesinnung, die nur im Verborge¬ nen groß ist und an der kleinsten Probe zu Schanden wird? Dieser Herr Witthauer hat in seine fürtreffliche „Wiener Zeitschrift" eine so regelrechte Denunciation aufgenommen, wie sie nur die Spal¬ ten des seligen „Adler" hatte zieren können.
Wir trauten kaum unsern Augen, allein es war nicht wegzuwi¬ schen. In der Wiener Zeitschrift erzählt ein Dresdner Correspondent, Beck's neuestes Gedicht: „Auferstehung" sei so subversiv und staats¬ gefährlich :c. :c., daß das Mißfallen, mit dem es in der öffentlichen Vorlesung im Hotel de Lurembourg zu Dresden aufgenommen worden sei, jeden Besonnenen und redlich Denkenden freuen müsse. Der ver¬ leumderische Zweck dieses Berichtes liegt klar zu Tage; der Correspon¬ dent äußert kaum Ein kritisches Wort über das Gedicht, er spricht le¬ diglich von der politischen Tendenz desselben und auch darüber ohne ein motivirtes, ohne ein erklärendes Urtheil, sondern nur mit jenen banalen Phrasen, die zur bloßen polizeilichen Anklage hinreichend, die auf tausend Gedichte der verschiedensten Art anwendbar sind und auch schon tausendmal angewendet wurden. Diese Lüge ist doppelt schlecht, weil sie den Argwohn aus ein Gedicht lenkt, das nicht ge¬ druckt und nur Denen bekannt ist, die es vorlesen hörten. Wäre es bereits veröffentlicht, so würde es sich durch sich selbst vertheidigen. Was den Dresdner Correspondenten der Wiener Zeitschrift betrifft, so muß er entweder von sehr niedrigen Motiven getrieben oder von sel¬ tener Bornirtheit sein. Es gibt felle Federn genug, die eben so durch ungemessene Lobhudeleien, wie durch plumpe Verdächtigungen bei die¬ ser oder jener literarischen Clique, die sie dem zu besprechenden Autor gewogen oder feindselig glauben, sich einzuschmeicheln suchen und dar¬ nach ihr Urtheil einrichten. Es mag auch bloße Beschränktheit sein. Jedenfalls dachte der Dresdner Correspondent, in einem Wiener Blatte mit seiner Denunciation wie gerufen zu kommen und sich als recht convenablen, censurfähigen Mitarbeiter zu erweisen. Und auf diese schmeichelhafte Voraussetzung, auf diese Jumuthung, die er im Na¬ men der Wiener Presse mit Entrüstung hätte zurückweisen sollen, geht Herr Witthauer ein; diese feige Verleumdung eines un¬ gedruckten Gedichtes, die wohl keines von jenen minder „gediegenen" Blattern, auf welche die Wiener Zeitschrift vornehm herabsieht, auf¬ genommen hätte, läßt Herr Witthauer abdrucken, ohne sich in seinem gesinnungsvollcn Anstand im Mindesten genirt zu fühlen!
So wenig das Publikum der Wiener Zeitschrift es wissen kann, so gut konnte Herr Witthauer wissen, wie falsch er von Dresden aus berichtet wurde. Karl Beck hatte in Wien seine „Auferstehung" in einem literarischen Kreise bei Lenau vorgelesen, und die freudige Theil-
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[0734]
großes Wesen zu machen, wenn die Verhältnisse es nie zur That
kommen lassen; was soll uns eine Gesinnung, die nur im Verborge¬
nen groß ist und an der kleinsten Probe zu Schanden wird? Dieser
Herr Witthauer hat in seine fürtreffliche „Wiener Zeitschrift"
eine so regelrechte Denunciation aufgenommen, wie sie nur die Spal¬
ten des seligen „Adler" hatte zieren können.
Wir trauten kaum unsern Augen, allein es war nicht wegzuwi¬
schen. In der Wiener Zeitschrift erzählt ein Dresdner Correspondent,
Beck's neuestes Gedicht: „Auferstehung" sei so subversiv und staats¬
gefährlich :c. :c., daß das Mißfallen, mit dem es in der öffentlichen
Vorlesung im Hotel de Lurembourg zu Dresden aufgenommen worden
sei, jeden Besonnenen und redlich Denkenden freuen müsse. Der ver¬
leumderische Zweck dieses Berichtes liegt klar zu Tage; der Correspon¬
dent äußert kaum Ein kritisches Wort über das Gedicht, er spricht le¬
diglich von der politischen Tendenz desselben und auch darüber ohne
ein motivirtes, ohne ein erklärendes Urtheil, sondern nur mit jenen
banalen Phrasen, die zur bloßen polizeilichen Anklage hinreichend, die
auf tausend Gedichte der verschiedensten Art anwendbar sind und
auch schon tausendmal angewendet wurden. Diese Lüge ist doppelt
schlecht, weil sie den Argwohn aus ein Gedicht lenkt, das nicht ge¬
druckt und nur Denen bekannt ist, die es vorlesen hörten. Wäre es
bereits veröffentlicht, so würde es sich durch sich selbst vertheidigen.
Was den Dresdner Correspondenten der Wiener Zeitschrift betrifft, so
muß er entweder von sehr niedrigen Motiven getrieben oder von sel¬
tener Bornirtheit sein. Es gibt felle Federn genug, die eben so durch
ungemessene Lobhudeleien, wie durch plumpe Verdächtigungen bei die¬
ser oder jener literarischen Clique, die sie dem zu besprechenden Autor
gewogen oder feindselig glauben, sich einzuschmeicheln suchen und dar¬
nach ihr Urtheil einrichten. Es mag auch bloße Beschränktheit sein.
Jedenfalls dachte der Dresdner Correspondent, in einem Wiener Blatte
mit seiner Denunciation wie gerufen zu kommen und sich als recht
convenablen, censurfähigen Mitarbeiter zu erweisen. Und auf diese
schmeichelhafte Voraussetzung, auf diese Jumuthung, die er im Na¬
men der Wiener Presse mit Entrüstung hätte zurückweisen sollen,
geht Herr Witthauer ein; diese feige Verleumdung eines un¬
gedruckten Gedichtes, die wohl keines von jenen minder „gediegenen"
Blattern, auf welche die Wiener Zeitschrift vornehm herabsieht, auf¬
genommen hätte, läßt Herr Witthauer abdrucken, ohne sich in seinem
gesinnungsvollcn Anstand im Mindesten genirt zu fühlen!
So wenig das Publikum der Wiener Zeitschrift es wissen kann,
so gut konnte Herr Witthauer wissen, wie falsch er von Dresden aus
berichtet wurde. Karl Beck hatte in Wien seine „Auferstehung" in
einem literarischen Kreise bei Lenau vorgelesen, und die freudige Theil-
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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/734>, abgerufen am 22.12.2024.
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