hergeschrieben, bis es zu andeutungsweiser Erwähnung der bedeutenden allerhöchsten Beiträge für die Armenkasse kam, und das Ende vom Lied war, daß die Stadt den Invaliden mit drei bis vier Thalern monatlich "versorgt". Möge dies Beispiel zur Nachahmung dienen.
In meinem letzten Schreiben versprach ich Ihnen über Woeni- ger's Roman "Zigeuner und Edelleute" etwas Näheres mitzutheilen. Jetzt aber, wo ich denselben gelesen, kann ich mich unmöglich dazu entschließen, Ihre Leser mit einem Commentar solch kläglicher Ver- irrung zu beleidigen. Ein anderes Werk, obwohl es nicht minder spurlos verschwinden wird, möchte ich jedoch hier nicht so ganz igno- riren. Ich meine den so eben in Charlottenburg erschienenen "Brief¬ wechsel" Bruno Bauer's mit seinem Bruder. Dies Werk soll an¬ scheinend die Bonner Verhältnisse des Verfassers mit der Bonner theologischen Facultät und eine gleichzeitige Anschauung der Berliner Ereignisse geben, in der That aber ist es ein Rahmen für das, Por¬ trät der Verfasser, ein sogenanntes "Leben", wie es alle literarisch verkommenen Menschen zu ihrer eigenen Erhebung jetzt geben. Bruno Bauer ist in psychologischer, wie in historischer Beziehung eine lehr¬ reiche Erscheinung. Aus eitler Selbstvergötterung haßte er alle Größe, verhöhnte selbst seine Freunde: er wollte allein sein. Das Schicksal hat sich gerächt, jetzt ist er allein. Die Partei, deren Sache er zu der seinigen machen wollte, hat ihn verlassen, da er sie verrieth > auch die literarischen Proletarier, welche er in der "Literaturzeitung" nicht ohne Absicht neben sich stellt, ziehen sich zurück. Die Kritik der hef¬ tigsten Gegner des Radicalismus hat Strauß, Feuerbach und Rüge mit Achtung behandelt, aber sie ignorirt B. Bauer, und wenn sie ihn erwähnt, geschieht es mit Widerwillen. In diesem Briefwechsel beschreitet die Selbstanbetung den Gipfel des menschlichen Begriffs. B. Bauer schämt sich, zu sagen, er selbst repräsentire den Welt¬ geist, er legt daher einem Bekannten in den Mund, daß dies nicht der Fall sei, und bespöttelt den "Philister"! Bei diesem Buche hat es mir gegraut, wie vor den Fieberreden Eines, dem eben das Deli¬ rium naht. Welches das Ende dieses Treibens sein wird, ver¬ mag ich nicht zu denken. Es ist wohl möglich, daß B. Bauer, wie schon früher einmal, auch diesmal zu einem anderen Extreme über¬ springen wird: er steht allein, von der Kritik ignorirt, und sein Ehr¬ geiz läßt ihn nicht ruhen. Was endlich Edgar Bauer betrifft, so ist dies ein unreifer Schwätzer, der auf Conto seines Bruders eristirt, und auf den zu achten der Mühe nicht werth ist.
E. D . . . ke.
hergeschrieben, bis es zu andeutungsweiser Erwähnung der bedeutenden allerhöchsten Beiträge für die Armenkasse kam, und das Ende vom Lied war, daß die Stadt den Invaliden mit drei bis vier Thalern monatlich „versorgt". Möge dies Beispiel zur Nachahmung dienen.
In meinem letzten Schreiben versprach ich Ihnen über Woeni- ger's Roman „Zigeuner und Edelleute" etwas Näheres mitzutheilen. Jetzt aber, wo ich denselben gelesen, kann ich mich unmöglich dazu entschließen, Ihre Leser mit einem Commentar solch kläglicher Ver- irrung zu beleidigen. Ein anderes Werk, obwohl es nicht minder spurlos verschwinden wird, möchte ich jedoch hier nicht so ganz igno- riren. Ich meine den so eben in Charlottenburg erschienenen „Brief¬ wechsel" Bruno Bauer's mit seinem Bruder. Dies Werk soll an¬ scheinend die Bonner Verhältnisse des Verfassers mit der Bonner theologischen Facultät und eine gleichzeitige Anschauung der Berliner Ereignisse geben, in der That aber ist es ein Rahmen für das, Por¬ trät der Verfasser, ein sogenanntes „Leben", wie es alle literarisch verkommenen Menschen zu ihrer eigenen Erhebung jetzt geben. Bruno Bauer ist in psychologischer, wie in historischer Beziehung eine lehr¬ reiche Erscheinung. Aus eitler Selbstvergötterung haßte er alle Größe, verhöhnte selbst seine Freunde: er wollte allein sein. Das Schicksal hat sich gerächt, jetzt ist er allein. Die Partei, deren Sache er zu der seinigen machen wollte, hat ihn verlassen, da er sie verrieth > auch die literarischen Proletarier, welche er in der „Literaturzeitung" nicht ohne Absicht neben sich stellt, ziehen sich zurück. Die Kritik der hef¬ tigsten Gegner des Radicalismus hat Strauß, Feuerbach und Rüge mit Achtung behandelt, aber sie ignorirt B. Bauer, und wenn sie ihn erwähnt, geschieht es mit Widerwillen. In diesem Briefwechsel beschreitet die Selbstanbetung den Gipfel des menschlichen Begriffs. B. Bauer schämt sich, zu sagen, er selbst repräsentire den Welt¬ geist, er legt daher einem Bekannten in den Mund, daß dies nicht der Fall sei, und bespöttelt den „Philister"! Bei diesem Buche hat es mir gegraut, wie vor den Fieberreden Eines, dem eben das Deli¬ rium naht. Welches das Ende dieses Treibens sein wird, ver¬ mag ich nicht zu denken. Es ist wohl möglich, daß B. Bauer, wie schon früher einmal, auch diesmal zu einem anderen Extreme über¬ springen wird: er steht allein, von der Kritik ignorirt, und sein Ehr¬ geiz läßt ihn nicht ruhen. Was endlich Edgar Bauer betrifft, so ist dies ein unreifer Schwätzer, der auf Conto seines Bruders eristirt, und auf den zu achten der Mühe nicht werth ist.
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[0730]
hergeschrieben, bis es zu andeutungsweiser Erwähnung der bedeutenden
allerhöchsten Beiträge für die Armenkasse kam, und das Ende vom
Lied war, daß die Stadt den Invaliden mit drei bis vier Thalern
monatlich „versorgt". Möge dies Beispiel zur Nachahmung dienen.
In meinem letzten Schreiben versprach ich Ihnen über Woeni-
ger's Roman „Zigeuner und Edelleute" etwas Näheres mitzutheilen.
Jetzt aber, wo ich denselben gelesen, kann ich mich unmöglich dazu
entschließen, Ihre Leser mit einem Commentar solch kläglicher Ver-
irrung zu beleidigen. Ein anderes Werk, obwohl es nicht minder
spurlos verschwinden wird, möchte ich jedoch hier nicht so ganz igno-
riren. Ich meine den so eben in Charlottenburg erschienenen „Brief¬
wechsel" Bruno Bauer's mit seinem Bruder. Dies Werk soll an¬
scheinend die Bonner Verhältnisse des Verfassers mit der Bonner
theologischen Facultät und eine gleichzeitige Anschauung der Berliner
Ereignisse geben, in der That aber ist es ein Rahmen für das, Por¬
trät der Verfasser, ein sogenanntes „Leben", wie es alle literarisch
verkommenen Menschen zu ihrer eigenen Erhebung jetzt geben. Bruno
Bauer ist in psychologischer, wie in historischer Beziehung eine lehr¬
reiche Erscheinung. Aus eitler Selbstvergötterung haßte er alle Größe,
verhöhnte selbst seine Freunde: er wollte allein sein. Das Schicksal
hat sich gerächt, jetzt ist er allein. Die Partei, deren Sache er zu
der seinigen machen wollte, hat ihn verlassen, da er sie verrieth > auch
die literarischen Proletarier, welche er in der „Literaturzeitung" nicht
ohne Absicht neben sich stellt, ziehen sich zurück. Die Kritik der hef¬
tigsten Gegner des Radicalismus hat Strauß, Feuerbach und Rüge
mit Achtung behandelt, aber sie ignorirt B. Bauer, und wenn sie
ihn erwähnt, geschieht es mit Widerwillen. In diesem Briefwechsel
beschreitet die Selbstanbetung den Gipfel des menschlichen Begriffs. B.
Bauer schämt sich, zu sagen, er selbst repräsentire den Welt¬
geist, er legt daher einem Bekannten in den Mund, daß dies nicht
der Fall sei, und bespöttelt den „Philister"! Bei diesem Buche hat
es mir gegraut, wie vor den Fieberreden Eines, dem eben das Deli¬
rium naht. Welches das Ende dieses Treibens sein wird, ver¬
mag ich nicht zu denken. Es ist wohl möglich, daß B. Bauer, wie
schon früher einmal, auch diesmal zu einem anderen Extreme über¬
springen wird: er steht allein, von der Kritik ignorirt, und sein Ehr¬
geiz läßt ihn nicht ruhen. Was endlich Edgar Bauer betrifft, so ist
dies ein unreifer Schwätzer, der auf Conto seines Bruders eristirt,
und auf den zu achten der Mühe nicht werth ist.
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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/730>, abgerufen am 22.12.2024.
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