Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

heimlichen Reden herangezogen worden war. Schack, wie ein Er¬
tappter, war einen Augenblick verlegen, aber nur einen Augenblick,
und fragte dann munter: Hab' ich'S gut vorgetragen, kluge Kleine?
Nun, ich hatte nicht weit dran zu schleppen, denn, meine Herren,
was ich eben gesagt, hatte ich den Augenblick vorher von dieser klu¬
gen Kleinen gehört, und da wollte ich gleich sehen, wie brauchbar
es wäre, und ob Sie was dagegen sagen könnten! Unter launigen
Scherzworten ging das Gespräch mit Schack weiter, wandte sich aber
von Schlegel und mir ab und wir blieben beide am Fenster allein.

Mir gefiel die Fassung des Mannes in der kleinen Beschämung,
und ich theilte meine Bemerkungen darüber Schlegeln mit. O, er
hat noch ganz andere Fassung, rief dieser, und davon werden große
Dinge erzählt. Was sagen Sie zum Beispiel von diesem Stück?
Man gewinnt von einem Kameraden im Spiel eine große Summe;
er bezahlt, ist aber ruinirt und schießt sich todt. Das Geld hat man
am Morgen empfangen, die Nachricht vom Erschießen kommt am
Abend, wie man wieder beim hohen Spiel sitzt und wieder große
Summen gewinnt; man hört die Schreckensbotschaft, spricht ein be¬
dauerndes "So? hat er sich erschossen?" aus, aber ohne eine Miene
weiter zu verziehen, und bemerkt gleichgiltig, wie viel Stiche man
voraus habe, mit Eifer den neuen Gewinn verfolgend, unbekümmert,
ob auch vielleicht diesem ein schreckliches Ereigniß ankleben werde.
So war Schack, als Riedesel sich erschossen hatte. Sie mögen die
ganze Geschichte abscheulich finden, ich will sie auch nicht vertheidigen,
aber das müssen Sie gestehen, diese Fassung setzt eine Seelenstärke
voraus, die in anderer Richtung die größten Heldenthaten gebären
kann. Nun hören Sie aber gleich eine hübschere Geschichte. Eine
Hofdame der Prinzessin Heinrich konnte eine Veränderung, die mit
ihr vorgegangen war, nicht verbergen; zuletzt hatte Schack, und offen¬
bar genug, ihre Gunst gehabt. Die Prinzessin ließ also den Schul¬
digen rufen und hielt ihm sein Vergehen vor, wobei die Worte Ver¬
führung, Unschuld und dergleichen nicht gespart wurden. Nachdem
sie ihn genug gescholten und er immer schwieg, glaubte sie ihn er¬
schüttert und fragte mit gebieterischer Art, was er denn jetzt thun
werde? Schack, den die Beredsamkeit der Prinzessin wenig gekümmert
hatte, fühlte das Gewicht dieser Schlußftagc und erwiederte kurz,
doch ehrerbietigst, er wolle fürerst noch warten, um zu sehen, was


heimlichen Reden herangezogen worden war. Schack, wie ein Er¬
tappter, war einen Augenblick verlegen, aber nur einen Augenblick,
und fragte dann munter: Hab' ich'S gut vorgetragen, kluge Kleine?
Nun, ich hatte nicht weit dran zu schleppen, denn, meine Herren,
was ich eben gesagt, hatte ich den Augenblick vorher von dieser klu¬
gen Kleinen gehört, und da wollte ich gleich sehen, wie brauchbar
es wäre, und ob Sie was dagegen sagen könnten! Unter launigen
Scherzworten ging das Gespräch mit Schack weiter, wandte sich aber
von Schlegel und mir ab und wir blieben beide am Fenster allein.

Mir gefiel die Fassung des Mannes in der kleinen Beschämung,
und ich theilte meine Bemerkungen darüber Schlegeln mit. O, er
hat noch ganz andere Fassung, rief dieser, und davon werden große
Dinge erzählt. Was sagen Sie zum Beispiel von diesem Stück?
Man gewinnt von einem Kameraden im Spiel eine große Summe;
er bezahlt, ist aber ruinirt und schießt sich todt. Das Geld hat man
am Morgen empfangen, die Nachricht vom Erschießen kommt am
Abend, wie man wieder beim hohen Spiel sitzt und wieder große
Summen gewinnt; man hört die Schreckensbotschaft, spricht ein be¬
dauerndes „So? hat er sich erschossen?" aus, aber ohne eine Miene
weiter zu verziehen, und bemerkt gleichgiltig, wie viel Stiche man
voraus habe, mit Eifer den neuen Gewinn verfolgend, unbekümmert,
ob auch vielleicht diesem ein schreckliches Ereigniß ankleben werde.
So war Schack, als Riedesel sich erschossen hatte. Sie mögen die
ganze Geschichte abscheulich finden, ich will sie auch nicht vertheidigen,
aber das müssen Sie gestehen, diese Fassung setzt eine Seelenstärke
voraus, die in anderer Richtung die größten Heldenthaten gebären
kann. Nun hören Sie aber gleich eine hübschere Geschichte. Eine
Hofdame der Prinzessin Heinrich konnte eine Veränderung, die mit
ihr vorgegangen war, nicht verbergen; zuletzt hatte Schack, und offen¬
bar genug, ihre Gunst gehabt. Die Prinzessin ließ also den Schul¬
digen rufen und hielt ihm sein Vergehen vor, wobei die Worte Ver¬
führung, Unschuld und dergleichen nicht gespart wurden. Nachdem
sie ihn genug gescholten und er immer schwieg, glaubte sie ihn er¬
schüttert und fragte mit gebieterischer Art, was er denn jetzt thun
werde? Schack, den die Beredsamkeit der Prinzessin wenig gekümmert
hatte, fühlte das Gewicht dieser Schlußftagc und erwiederte kurz,
doch ehrerbietigst, er wolle fürerst noch warten, um zu sehen, was


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0721" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180434"/>
            <p xml:id="ID_1868" prev="#ID_1867"> heimlichen Reden herangezogen worden war. Schack, wie ein Er¬<lb/>
tappter, war einen Augenblick verlegen, aber nur einen Augenblick,<lb/>
und fragte dann munter: Hab' ich'S gut vorgetragen, kluge Kleine?<lb/>
Nun, ich hatte nicht weit dran zu schleppen, denn, meine Herren,<lb/>
was ich eben gesagt, hatte ich den Augenblick vorher von dieser klu¬<lb/>
gen Kleinen gehört, und da wollte ich gleich sehen, wie brauchbar<lb/>
es wäre, und ob Sie was dagegen sagen könnten! Unter launigen<lb/>
Scherzworten ging das Gespräch mit Schack weiter, wandte sich aber<lb/>
von Schlegel und mir ab und wir blieben beide am Fenster allein.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1869" next="#ID_1870"> Mir gefiel die Fassung des Mannes in der kleinen Beschämung,<lb/>
und ich theilte meine Bemerkungen darüber Schlegeln mit. O, er<lb/>
hat noch ganz andere Fassung, rief dieser, und davon werden große<lb/>
Dinge erzählt. Was sagen Sie zum Beispiel von diesem Stück?<lb/>
Man gewinnt von einem Kameraden im Spiel eine große Summe;<lb/>
er bezahlt, ist aber ruinirt und schießt sich todt. Das Geld hat man<lb/>
am Morgen empfangen, die Nachricht vom Erschießen kommt am<lb/>
Abend, wie man wieder beim hohen Spiel sitzt und wieder große<lb/>
Summen gewinnt; man hört die Schreckensbotschaft, spricht ein be¬<lb/>
dauerndes &#x201E;So? hat er sich erschossen?" aus, aber ohne eine Miene<lb/>
weiter zu verziehen, und bemerkt gleichgiltig, wie viel Stiche man<lb/>
voraus habe, mit Eifer den neuen Gewinn verfolgend, unbekümmert,<lb/>
ob auch vielleicht diesem ein schreckliches Ereigniß ankleben werde.<lb/>
So war Schack, als Riedesel sich erschossen hatte. Sie mögen die<lb/>
ganze Geschichte abscheulich finden, ich will sie auch nicht vertheidigen,<lb/>
aber das müssen Sie gestehen, diese Fassung setzt eine Seelenstärke<lb/>
voraus, die in anderer Richtung die größten Heldenthaten gebären<lb/>
kann. Nun hören Sie aber gleich eine hübschere Geschichte. Eine<lb/>
Hofdame der Prinzessin Heinrich konnte eine Veränderung, die mit<lb/>
ihr vorgegangen war, nicht verbergen; zuletzt hatte Schack, und offen¬<lb/>
bar genug, ihre Gunst gehabt. Die Prinzessin ließ also den Schul¬<lb/>
digen rufen und hielt ihm sein Vergehen vor, wobei die Worte Ver¬<lb/>
führung, Unschuld und dergleichen nicht gespart wurden. Nachdem<lb/>
sie ihn genug gescholten und er immer schwieg, glaubte sie ihn er¬<lb/>
schüttert und fragte mit gebieterischer Art, was er denn jetzt thun<lb/>
werde? Schack, den die Beredsamkeit der Prinzessin wenig gekümmert<lb/>
hatte, fühlte das Gewicht dieser Schlußftagc und erwiederte kurz,<lb/>
doch ehrerbietigst, er wolle fürerst noch warten, um zu sehen, was</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0721] heimlichen Reden herangezogen worden war. Schack, wie ein Er¬ tappter, war einen Augenblick verlegen, aber nur einen Augenblick, und fragte dann munter: Hab' ich'S gut vorgetragen, kluge Kleine? Nun, ich hatte nicht weit dran zu schleppen, denn, meine Herren, was ich eben gesagt, hatte ich den Augenblick vorher von dieser klu¬ gen Kleinen gehört, und da wollte ich gleich sehen, wie brauchbar es wäre, und ob Sie was dagegen sagen könnten! Unter launigen Scherzworten ging das Gespräch mit Schack weiter, wandte sich aber von Schlegel und mir ab und wir blieben beide am Fenster allein. Mir gefiel die Fassung des Mannes in der kleinen Beschämung, und ich theilte meine Bemerkungen darüber Schlegeln mit. O, er hat noch ganz andere Fassung, rief dieser, und davon werden große Dinge erzählt. Was sagen Sie zum Beispiel von diesem Stück? Man gewinnt von einem Kameraden im Spiel eine große Summe; er bezahlt, ist aber ruinirt und schießt sich todt. Das Geld hat man am Morgen empfangen, die Nachricht vom Erschießen kommt am Abend, wie man wieder beim hohen Spiel sitzt und wieder große Summen gewinnt; man hört die Schreckensbotschaft, spricht ein be¬ dauerndes „So? hat er sich erschossen?" aus, aber ohne eine Miene weiter zu verziehen, und bemerkt gleichgiltig, wie viel Stiche man voraus habe, mit Eifer den neuen Gewinn verfolgend, unbekümmert, ob auch vielleicht diesem ein schreckliches Ereigniß ankleben werde. So war Schack, als Riedesel sich erschossen hatte. Sie mögen die ganze Geschichte abscheulich finden, ich will sie auch nicht vertheidigen, aber das müssen Sie gestehen, diese Fassung setzt eine Seelenstärke voraus, die in anderer Richtung die größten Heldenthaten gebären kann. Nun hören Sie aber gleich eine hübschere Geschichte. Eine Hofdame der Prinzessin Heinrich konnte eine Veränderung, die mit ihr vorgegangen war, nicht verbergen; zuletzt hatte Schack, und offen¬ bar genug, ihre Gunst gehabt. Die Prinzessin ließ also den Schul¬ digen rufen und hielt ihm sein Vergehen vor, wobei die Worte Ver¬ führung, Unschuld und dergleichen nicht gespart wurden. Nachdem sie ihn genug gescholten und er immer schwieg, glaubte sie ihn er¬ schüttert und fragte mit gebieterischer Art, was er denn jetzt thun werde? Schack, den die Beredsamkeit der Prinzessin wenig gekümmert hatte, fühlte das Gewicht dieser Schlußftagc und erwiederte kurz, doch ehrerbietigst, er wolle fürerst noch warten, um zu sehen, was

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/721
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/721>, abgerufen am 01.07.2024.