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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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die Eriquectefrage, welche die sächsischen und anhaltischen Herzöge durch
ihre Selbsterhöhung zu Hoheiten erregte. Man hätte hiesiger Seits wenig
dagegen, den Wunsch der kleinen Souveräne zu erfüllen und auf den Mit¬
telweg, den ein halb officieller Artikel in der Augsburger Allgemeinen
Zeitung vorgeschlagen: die nicht mediatisirrcn von den mediatisirten
Fürsten durch die Veränderung des "Messe'' in "Hautesse" zu scheiden, ein¬
zugehen, wenn nicht Preußen dagegen Einsprache thäte. Bin ich recht
unterrichtet, so soll die Aeußerung Preußens dahin gegangen sein, man
müsse, um das conservative Princip in Ehren zu halten, Deutschland
den Beweis geben, daß man nicht blos nach unten gegen die Wünsche
der Völker, sondern auch nach oben gegen die Wünsche der Fürsten
die bisherigen Verhältnisse des deutschen Bundes streng conservire.
Oesterreich, das keine Eroberung in Deutschland machen will, kann
es in der That vollständig gleich sein, ob der Titel dieses und jenes
Herzogs so oder so lautet; Preußen hingegen, das darauf denken muß,
bei einer passenden Gelegenheit seinen Staat zu arrondiren, ist jede
moralische Erhebung der kleineren deutschen Souveräne, und wäre sie
auch eine blos titulare, sehr unwillkommen. Ich darf mich über die¬
sen kitzlichen Punkt aus leicht erklärlichen Rücksichten nicht so aus¬
sprechen, wie ich wohl möchte; das Blinde-Kuh-Spiel zwischen den
beiden hohen deutschen Cabineten, wovon das eine bemüht ist, durch
allerlei Wendungen seinen eigentlichen Grund zu verstecken, und das
andere sich den höflichen Anschein gibt, als läge ihm die Binde fest
auf den Augen und als merke es nicht das Geringste; diese in¬
teressanten Actenstücke finden vielleicht einst einen Hormayr, der sie
mit indiscreter Bosheit aus dem Dunkel zieht und sie als Lebens¬
bilder aus dem deutschen Bcfreiungsfrieden zur großen Ergötzung der
Freunde piquanter Lectüre veröffentlicht. -- In den höheren Adels¬
kreisen erregt die Hoheitserklärung der erwähnten deutschen Herzoge
noch mehr Debatten, als in der Diplomatie. Bekanntlich zählt der
hiesige Hochadel viele Fürstenhäuser, die, wenn auch nicht durch Sou¬
veränität, doch durch den äußeren Titel "Durchlaucht" mit vielen
souveränen Fürsten gleich stehen. Durch die Veränderung der Messe
in Hautesse würden diese fürstlichen Häuser um eine Stufe tiefer
kommen, was ihnen um so schmerzlicher fallen muß, als von unten
auf die Reihen des Adels immer durch neue I"del-<!" av no!>I>-"se ver¬
mehrt werden '). Das ist ein Schritt mehr zur Untergrabung des Adels-
Jnstituts in der öffentlichen Meinung; von oben sagt der Stolz der
Unmediatisirten sich von der Gemeinschaft des Titels los, von unten
empfängt er die Gemeinschaft mercantilischcr Glückspilze, Börsenspe¬
kulanten u. s. w.! --



*) Wir erachten es für nöthig, hinzuzufügen, daß der verehrte Herr Ein¬
sender selbst dem Adel angehört Diee. . Rd
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9!"

die Eriquectefrage, welche die sächsischen und anhaltischen Herzöge durch
ihre Selbsterhöhung zu Hoheiten erregte. Man hätte hiesiger Seits wenig
dagegen, den Wunsch der kleinen Souveräne zu erfüllen und auf den Mit¬
telweg, den ein halb officieller Artikel in der Augsburger Allgemeinen
Zeitung vorgeschlagen: die nicht mediatisirrcn von den mediatisirten
Fürsten durch die Veränderung des „Messe'' in „Hautesse" zu scheiden, ein¬
zugehen, wenn nicht Preußen dagegen Einsprache thäte. Bin ich recht
unterrichtet, so soll die Aeußerung Preußens dahin gegangen sein, man
müsse, um das conservative Princip in Ehren zu halten, Deutschland
den Beweis geben, daß man nicht blos nach unten gegen die Wünsche
der Völker, sondern auch nach oben gegen die Wünsche der Fürsten
die bisherigen Verhältnisse des deutschen Bundes streng conservire.
Oesterreich, das keine Eroberung in Deutschland machen will, kann
es in der That vollständig gleich sein, ob der Titel dieses und jenes
Herzogs so oder so lautet; Preußen hingegen, das darauf denken muß,
bei einer passenden Gelegenheit seinen Staat zu arrondiren, ist jede
moralische Erhebung der kleineren deutschen Souveräne, und wäre sie
auch eine blos titulare, sehr unwillkommen. Ich darf mich über die¬
sen kitzlichen Punkt aus leicht erklärlichen Rücksichten nicht so aus¬
sprechen, wie ich wohl möchte; das Blinde-Kuh-Spiel zwischen den
beiden hohen deutschen Cabineten, wovon das eine bemüht ist, durch
allerlei Wendungen seinen eigentlichen Grund zu verstecken, und das
andere sich den höflichen Anschein gibt, als läge ihm die Binde fest
auf den Augen und als merke es nicht das Geringste; diese in¬
teressanten Actenstücke finden vielleicht einst einen Hormayr, der sie
mit indiscreter Bosheit aus dem Dunkel zieht und sie als Lebens¬
bilder aus dem deutschen Bcfreiungsfrieden zur großen Ergötzung der
Freunde piquanter Lectüre veröffentlicht. — In den höheren Adels¬
kreisen erregt die Hoheitserklärung der erwähnten deutschen Herzoge
noch mehr Debatten, als in der Diplomatie. Bekanntlich zählt der
hiesige Hochadel viele Fürstenhäuser, die, wenn auch nicht durch Sou¬
veränität, doch durch den äußeren Titel „Durchlaucht" mit vielen
souveränen Fürsten gleich stehen. Durch die Veränderung der Messe
in Hautesse würden diese fürstlichen Häuser um eine Stufe tiefer
kommen, was ihnen um so schmerzlicher fallen muß, als von unten
auf die Reihen des Adels immer durch neue I«del-<!« av no!>I>-»se ver¬
mehrt werden '). Das ist ein Schritt mehr zur Untergrabung des Adels-
Jnstituts in der öffentlichen Meinung; von oben sagt der Stolz der
Unmediatisirten sich von der Gemeinschaft des Titels los, von unten
empfängt er die Gemeinschaft mercantilischcr Glückspilze, Börsenspe¬
kulanten u. s. w.! —



*) Wir erachten es für nöthig, hinzuzufügen, daß der verehrte Herr Ein¬
sender selbst dem Adel angehört Diee. . Rd
5
9!»
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[0703] die Eriquectefrage, welche die sächsischen und anhaltischen Herzöge durch ihre Selbsterhöhung zu Hoheiten erregte. Man hätte hiesiger Seits wenig dagegen, den Wunsch der kleinen Souveräne zu erfüllen und auf den Mit¬ telweg, den ein halb officieller Artikel in der Augsburger Allgemeinen Zeitung vorgeschlagen: die nicht mediatisirrcn von den mediatisirten Fürsten durch die Veränderung des „Messe'' in „Hautesse" zu scheiden, ein¬ zugehen, wenn nicht Preußen dagegen Einsprache thäte. Bin ich recht unterrichtet, so soll die Aeußerung Preußens dahin gegangen sein, man müsse, um das conservative Princip in Ehren zu halten, Deutschland den Beweis geben, daß man nicht blos nach unten gegen die Wünsche der Völker, sondern auch nach oben gegen die Wünsche der Fürsten die bisherigen Verhältnisse des deutschen Bundes streng conservire. Oesterreich, das keine Eroberung in Deutschland machen will, kann es in der That vollständig gleich sein, ob der Titel dieses und jenes Herzogs so oder so lautet; Preußen hingegen, das darauf denken muß, bei einer passenden Gelegenheit seinen Staat zu arrondiren, ist jede moralische Erhebung der kleineren deutschen Souveräne, und wäre sie auch eine blos titulare, sehr unwillkommen. Ich darf mich über die¬ sen kitzlichen Punkt aus leicht erklärlichen Rücksichten nicht so aus¬ sprechen, wie ich wohl möchte; das Blinde-Kuh-Spiel zwischen den beiden hohen deutschen Cabineten, wovon das eine bemüht ist, durch allerlei Wendungen seinen eigentlichen Grund zu verstecken, und das andere sich den höflichen Anschein gibt, als läge ihm die Binde fest auf den Augen und als merke es nicht das Geringste; diese in¬ teressanten Actenstücke finden vielleicht einst einen Hormayr, der sie mit indiscreter Bosheit aus dem Dunkel zieht und sie als Lebens¬ bilder aus dem deutschen Bcfreiungsfrieden zur großen Ergötzung der Freunde piquanter Lectüre veröffentlicht. — In den höheren Adels¬ kreisen erregt die Hoheitserklärung der erwähnten deutschen Herzoge noch mehr Debatten, als in der Diplomatie. Bekanntlich zählt der hiesige Hochadel viele Fürstenhäuser, die, wenn auch nicht durch Sou¬ veränität, doch durch den äußeren Titel „Durchlaucht" mit vielen souveränen Fürsten gleich stehen. Durch die Veränderung der Messe in Hautesse würden diese fürstlichen Häuser um eine Stufe tiefer kommen, was ihnen um so schmerzlicher fallen muß, als von unten auf die Reihen des Adels immer durch neue I«del-<!« av no!>I>-»se ver¬ mehrt werden '). Das ist ein Schritt mehr zur Untergrabung des Adels- Jnstituts in der öffentlichen Meinung; von oben sagt der Stolz der Unmediatisirten sich von der Gemeinschaft des Titels los, von unten empfängt er die Gemeinschaft mercantilischcr Glückspilze, Börsenspe¬ kulanten u. s. w.! — *) Wir erachten es für nöthig, hinzuzufügen, daß der verehrte Herr Ein¬ sender selbst dem Adel angehört Diee. . Rd 5 9!»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/703>, abgerufen am 01.07.2024.