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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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sank die nordische Spätsonne herab, Eichen, Tannen, Felsen und
Menschen mit ihren Strahlen purpurgoldig anhauchend. Die Köni¬
gin grüßte und ließ langsam "veiter fahren, die Par-Bricoler kehrten
zu ihrem Speisesaal zurück und die Musik schwieg.

Nun los'te sich, geräuschlos und sicher, daS polizeilose Gewirr
der Wagen und Fußgänger auf, das wie ein gordischer Knoten er¬
schienen war -- man zog nach Hause, oder nach den Restaurationen.
Zwar gab es einen herrlichen Anblick, die bunten Gruppen von al¬
len Seiten auf den gewundenen Bergstegen herniederwallen zu sehen,
aber ich konnte mich doch einer unbefriedigten Stimmung nicht er¬
wehren. Einige Thatsachen, sichtbare Feierlichkeiten hätte ich ge¬
wünscht; solche stumme Andacht paßt für einen Bellmann nicht. Und
wie konnten feurige Worte wirken, wenn sie in diese empfängliche
Menge hineingeschleudert würden; das müßte herrliche Früchte tragen.

Als der Abend seine braunen Phalänenflügel über den Thier-
garten ausbreitete, war Alles öde und leer um Bellmann herum;
ich allein saß noch am Postament seiner Büste. Erst in tiefer Mit¬
ternacht sollen die Par-Bricole-Brüder noch einmal zu ihm gehen,
um ihre Eleusinien zu halten. Es ist davon Nichts weiter verrathen,
als daß der Traubensaft dort in Strömen fließt, und daß sie dem
weinlustigen Sänger manch volles Glas in'S Antlitz gießen.




sank die nordische Spätsonne herab, Eichen, Tannen, Felsen und
Menschen mit ihren Strahlen purpurgoldig anhauchend. Die Köni¬
gin grüßte und ließ langsam »veiter fahren, die Par-Bricoler kehrten
zu ihrem Speisesaal zurück und die Musik schwieg.

Nun los'te sich, geräuschlos und sicher, daS polizeilose Gewirr
der Wagen und Fußgänger auf, das wie ein gordischer Knoten er¬
schienen war — man zog nach Hause, oder nach den Restaurationen.
Zwar gab es einen herrlichen Anblick, die bunten Gruppen von al¬
len Seiten auf den gewundenen Bergstegen herniederwallen zu sehen,
aber ich konnte mich doch einer unbefriedigten Stimmung nicht er¬
wehren. Einige Thatsachen, sichtbare Feierlichkeiten hätte ich ge¬
wünscht; solche stumme Andacht paßt für einen Bellmann nicht. Und
wie konnten feurige Worte wirken, wenn sie in diese empfängliche
Menge hineingeschleudert würden; das müßte herrliche Früchte tragen.

Als der Abend seine braunen Phalänenflügel über den Thier-
garten ausbreitete, war Alles öde und leer um Bellmann herum;
ich allein saß noch am Postament seiner Büste. Erst in tiefer Mit¬
ternacht sollen die Par-Bricole-Brüder noch einmal zu ihm gehen,
um ihre Eleusinien zu halten. Es ist davon Nichts weiter verrathen,
als daß der Traubensaft dort in Strömen fließt, und daß sie dem
weinlustigen Sänger manch volles Glas in'S Antlitz gießen.




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[0683] sank die nordische Spätsonne herab, Eichen, Tannen, Felsen und Menschen mit ihren Strahlen purpurgoldig anhauchend. Die Köni¬ gin grüßte und ließ langsam »veiter fahren, die Par-Bricoler kehrten zu ihrem Speisesaal zurück und die Musik schwieg. Nun los'te sich, geräuschlos und sicher, daS polizeilose Gewirr der Wagen und Fußgänger auf, das wie ein gordischer Knoten er¬ schienen war — man zog nach Hause, oder nach den Restaurationen. Zwar gab es einen herrlichen Anblick, die bunten Gruppen von al¬ len Seiten auf den gewundenen Bergstegen herniederwallen zu sehen, aber ich konnte mich doch einer unbefriedigten Stimmung nicht er¬ wehren. Einige Thatsachen, sichtbare Feierlichkeiten hätte ich ge¬ wünscht; solche stumme Andacht paßt für einen Bellmann nicht. Und wie konnten feurige Worte wirken, wenn sie in diese empfängliche Menge hineingeschleudert würden; das müßte herrliche Früchte tragen. Als der Abend seine braunen Phalänenflügel über den Thier- garten ausbreitete, war Alles öde und leer um Bellmann herum; ich allein saß noch am Postament seiner Büste. Erst in tiefer Mit¬ ternacht sollen die Par-Bricole-Brüder noch einmal zu ihm gehen, um ihre Eleusinien zu halten. Es ist davon Nichts weiter verrathen, als daß der Traubensaft dort in Strömen fließt, und daß sie dem weinlustigen Sänger manch volles Glas in'S Antlitz gießen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/683>, abgerufen am 01.07.2024.