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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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ihn nur je ein im Feudalismus vermooster pommer'scher Edelsitz her¬
vorbringen sonnte: tapfer, brutal, hochmüthig. -- Der Prediger Lo-
renz. repräsentirt die biedere Einfalt eines holsteinischen Landgeistlichen
und wird am Hofe in den Wirbel gerissen, der seinen Vetter Struen¬
see verschlingt. -- Karoline Mathilde ist ein liebenswürdiges
Geschöpf, ganz geeignet, glücklich zu sein und glücklich zu machen,
darum auch ein schönes auserlesenes Opfer für das Unglück. -- Leb¬
haft, geistreich, leidenschaftlich steht die junge Gräfin Gallen an ih¬
rer Seite, die von Struensee abgekehrte Liebe in martervollen Haß
gegen ihn kehrend.

Die Exposition des Stückes scheint mir beinahe in allen Theilen
vortrefflich. Man kann sich denken, wie lebendig das Ganze gehalten
ist, wenn tuam weiß, daß die Handlung nur Einen Tag umfaßt und,
ungeachtet schon der erste Act mit einem Aufruhr von Kopenhagen
schließt und ungeachtet Laube mit staunenswerther Kühnheit immer
denselben Saal für die Scene gewählt, also Einheit von Zeit und
Ort auf das Strengste bewahrt hat, dennoch die Spannung mit je¬
dem Acte sich steigert und erst mit der Katastrophe und dem Ende
des ganzen Stückes ihren Gipfel erreicht. Nur am Schlüsse dürfte
einige Kürzung gerathen sein. Sobald man einmal den Helden un¬
rettbar verloren weiß, ist die Mission der Bühne zu Ende; die De¬
tails der Erecution mögen der Chronik und der Einbildungskraft ver¬
bleiben.'

Fasse ich nun Alles zusammen, so ist Laubes Struensee ein
gelungenes, höchst geistreiches Werk, voll Frische und Charakter, die
glückliche Behandlung eines glücklichen Stoffes. So viel ich vom
Theater verstehe, wird ihm ein glücklicher Erfolg auf allen Bühnen
nicht fehlen können, wenn die Schauspieler das Ihrige thun, wie dies
bei der Aufführung in Stuttgart am 17. April der Fall war. Nicht
nur hatte Moritz das Stück musterhaft in Scene gesetzt und hatte
auf Costüme und Decoration sorgfältiges Studium verwendet, sondern
es gab auch das Ensemble des Spiels fleißige Proben zu erkennen.
-- Moritz in der Titelrolle spielte den Struensee genau so, wie er
in Falkenskjöld's Memoiren gezeichnet ist: -- ""i"- rivKe r-Me, to keine
frais, I'air ^>r,Tvieux "an" i'ion äVl^mint!, I<! snnrire -umitblo, 1^8 veux
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la politesse äg,n8 In, cnnvers.'nimm." -- Lustberge r, Ove Guld-
berg, spielte gleichfalls vorzüglich; nur im letzten Acte streifte er einige
Mal an das Chargirte. -- Löwe, der König, zeigt für Rollen die¬
ser Art viele Befähigung und wußte die Schwierigkeiten, welche die
Darstellung eines geistesschwachen Menschen mit sich bringt, mit Ge¬
schick zu überwinden. -- Maurer, GrafRanzau, war körperlich und
geistig nicht leicht genug: Diplomaten, wie Ranzau -- Falkenskjöld


ihn nur je ein im Feudalismus vermooster pommer'scher Edelsitz her¬
vorbringen sonnte: tapfer, brutal, hochmüthig. — Der Prediger Lo-
renz. repräsentirt die biedere Einfalt eines holsteinischen Landgeistlichen
und wird am Hofe in den Wirbel gerissen, der seinen Vetter Struen¬
see verschlingt. — Karoline Mathilde ist ein liebenswürdiges
Geschöpf, ganz geeignet, glücklich zu sein und glücklich zu machen,
darum auch ein schönes auserlesenes Opfer für das Unglück. — Leb¬
haft, geistreich, leidenschaftlich steht die junge Gräfin Gallen an ih¬
rer Seite, die von Struensee abgekehrte Liebe in martervollen Haß
gegen ihn kehrend.

Die Exposition des Stückes scheint mir beinahe in allen Theilen
vortrefflich. Man kann sich denken, wie lebendig das Ganze gehalten
ist, wenn tuam weiß, daß die Handlung nur Einen Tag umfaßt und,
ungeachtet schon der erste Act mit einem Aufruhr von Kopenhagen
schließt und ungeachtet Laube mit staunenswerther Kühnheit immer
denselben Saal für die Scene gewählt, also Einheit von Zeit und
Ort auf das Strengste bewahrt hat, dennoch die Spannung mit je¬
dem Acte sich steigert und erst mit der Katastrophe und dem Ende
des ganzen Stückes ihren Gipfel erreicht. Nur am Schlüsse dürfte
einige Kürzung gerathen sein. Sobald man einmal den Helden un¬
rettbar verloren weiß, ist die Mission der Bühne zu Ende; die De¬
tails der Erecution mögen der Chronik und der Einbildungskraft ver¬
bleiben.'

Fasse ich nun Alles zusammen, so ist Laubes Struensee ein
gelungenes, höchst geistreiches Werk, voll Frische und Charakter, die
glückliche Behandlung eines glücklichen Stoffes. So viel ich vom
Theater verstehe, wird ihm ein glücklicher Erfolg auf allen Bühnen
nicht fehlen können, wenn die Schauspieler das Ihrige thun, wie dies
bei der Aufführung in Stuttgart am 17. April der Fall war. Nicht
nur hatte Moritz das Stück musterhaft in Scene gesetzt und hatte
auf Costüme und Decoration sorgfältiges Studium verwendet, sondern
es gab auch das Ensemble des Spiels fleißige Proben zu erkennen.
— Moritz in der Titelrolle spielte den Struensee genau so, wie er
in Falkenskjöld's Memoiren gezeichnet ist: — „«i«- rivKe r-Me, to keine
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berg, spielte gleichfalls vorzüglich; nur im letzten Acte streifte er einige
Mal an das Chargirte. — Löwe, der König, zeigt für Rollen die¬
ser Art viele Befähigung und wußte die Schwierigkeiten, welche die
Darstellung eines geistesschwachen Menschen mit sich bringt, mit Ge¬
schick zu überwinden. — Maurer, GrafRanzau, war körperlich und
geistig nicht leicht genug: Diplomaten, wie Ranzau — Falkenskjöld


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/636>, abgerufen am 28.09.2024.