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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Mirabeau'S wie die Posaune des Erzengels am jüngsten Tage
donnerte.

Bald wurden die Ereignisse ernster und der Thron begann in
seinen Grundvesten zu wanken. Der revolutionaire Bach wurde zum
gewaltigen Strom; der Adel, anstatt sich ihm zu überlassen oder sich
kühn seinem Anwogen entgegenzustemmen, entfloh vor ihm und
sah Frankreich nur nach dem gänzlichen Umsturz seiner alten Welt
wieder. Nach Ruhm und Gefahren dürstend, aber außer Stand
gesetzt, sie in Frankreich aufzusuchen, wenn er nicht den Spinnrocken,
welchen die Helden von Coblenz vertheilten, annehmen wollte, auf der
anderen Seite die Desertion in Masse nicht billigend, deren Ziel und
Prinzip weder seinem Herzen noch seinem Verstände genügte, entschloß
sich Chateaubriand, eine gefahrvolle Sendung zu übernehmen. In
seinem zwanzigsten Jahre faßte er den Entschluß, den nordwestlichen
Weg nach Indien aufzusuchen. Er war bereit, um mit seinen eige¬
nen Worten zu reden, geraden Wegs nach dem Pol zu gelangen,
wie man von Paris nach Se. Cloud geht.

Zwei Monate später (im Frühjahr 1791) hatte sich der kühne
Reisende in Se. Malo eingeschifft, war in Philadelphia angekommen
und klopfte an die kleine Pforte deö bescheidenen Häuschens, in wel¬
chem der amerikanische CincinnatuS, Washington, wohnte. Keine
Garden umgaben den Präsidenten der Vereinigten Staaten, nicht
einmal eine Schaar von Dienern. Eine Dienerin öffnete ihm und
führte ihn in das Zimmer, wo sich der Ruhm der Gegenwart und
der Zukunft gegenüberstanden.

Chateaubriand legte dem Präsidenten seinen Plan vor. Dieser
hörte ihn an, erstaunte und sprach von den Schwierigkeiten des Un¬
ternehmens. Der junge Reisende antwortete ihm lebhaft: Ist es
nicht leichter, die nördliche Durchfahrt zu entdecken, als ein Volk zu
erschaffen, was Sie gethan haben? -- Schon gut, schon gut, junger
Mann! sagte Washington und gab ihm die Hand.

Wenige Tage später war Chateaubriand mitten in den ameri¬
kanischen Einöden. Sein erstes Abenteuer unter den Wilden Ameri¬
kas ist bizarr genug. Man muß sein Zusammentreffen mit Monsieur
Violet, seinem Landsmann, ehemaligem Küchenjungen deS Generals
Rochambeau und dann Tanzmeister der wilden Herren und Damen,
von ihm selbst geschildert lesen. Der kleine Franzose im apfelgrünen


Mirabeau'S wie die Posaune des Erzengels am jüngsten Tage
donnerte.

Bald wurden die Ereignisse ernster und der Thron begann in
seinen Grundvesten zu wanken. Der revolutionaire Bach wurde zum
gewaltigen Strom; der Adel, anstatt sich ihm zu überlassen oder sich
kühn seinem Anwogen entgegenzustemmen, entfloh vor ihm und
sah Frankreich nur nach dem gänzlichen Umsturz seiner alten Welt
wieder. Nach Ruhm und Gefahren dürstend, aber außer Stand
gesetzt, sie in Frankreich aufzusuchen, wenn er nicht den Spinnrocken,
welchen die Helden von Coblenz vertheilten, annehmen wollte, auf der
anderen Seite die Desertion in Masse nicht billigend, deren Ziel und
Prinzip weder seinem Herzen noch seinem Verstände genügte, entschloß
sich Chateaubriand, eine gefahrvolle Sendung zu übernehmen. In
seinem zwanzigsten Jahre faßte er den Entschluß, den nordwestlichen
Weg nach Indien aufzusuchen. Er war bereit, um mit seinen eige¬
nen Worten zu reden, geraden Wegs nach dem Pol zu gelangen,
wie man von Paris nach Se. Cloud geht.

Zwei Monate später (im Frühjahr 1791) hatte sich der kühne
Reisende in Se. Malo eingeschifft, war in Philadelphia angekommen
und klopfte an die kleine Pforte deö bescheidenen Häuschens, in wel¬
chem der amerikanische CincinnatuS, Washington, wohnte. Keine
Garden umgaben den Präsidenten der Vereinigten Staaten, nicht
einmal eine Schaar von Dienern. Eine Dienerin öffnete ihm und
führte ihn in das Zimmer, wo sich der Ruhm der Gegenwart und
der Zukunft gegenüberstanden.

Chateaubriand legte dem Präsidenten seinen Plan vor. Dieser
hörte ihn an, erstaunte und sprach von den Schwierigkeiten des Un¬
ternehmens. Der junge Reisende antwortete ihm lebhaft: Ist es
nicht leichter, die nördliche Durchfahrt zu entdecken, als ein Volk zu
erschaffen, was Sie gethan haben? — Schon gut, schon gut, junger
Mann! sagte Washington und gab ihm die Hand.

Wenige Tage später war Chateaubriand mitten in den ameri¬
kanischen Einöden. Sein erstes Abenteuer unter den Wilden Ameri¬
kas ist bizarr genug. Man muß sein Zusammentreffen mit Monsieur
Violet, seinem Landsmann, ehemaligem Küchenjungen deS Generals
Rochambeau und dann Tanzmeister der wilden Herren und Damen,
von ihm selbst geschildert lesen. Der kleine Franzose im apfelgrünen


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[0058] Mirabeau'S wie die Posaune des Erzengels am jüngsten Tage donnerte. Bald wurden die Ereignisse ernster und der Thron begann in seinen Grundvesten zu wanken. Der revolutionaire Bach wurde zum gewaltigen Strom; der Adel, anstatt sich ihm zu überlassen oder sich kühn seinem Anwogen entgegenzustemmen, entfloh vor ihm und sah Frankreich nur nach dem gänzlichen Umsturz seiner alten Welt wieder. Nach Ruhm und Gefahren dürstend, aber außer Stand gesetzt, sie in Frankreich aufzusuchen, wenn er nicht den Spinnrocken, welchen die Helden von Coblenz vertheilten, annehmen wollte, auf der anderen Seite die Desertion in Masse nicht billigend, deren Ziel und Prinzip weder seinem Herzen noch seinem Verstände genügte, entschloß sich Chateaubriand, eine gefahrvolle Sendung zu übernehmen. In seinem zwanzigsten Jahre faßte er den Entschluß, den nordwestlichen Weg nach Indien aufzusuchen. Er war bereit, um mit seinen eige¬ nen Worten zu reden, geraden Wegs nach dem Pol zu gelangen, wie man von Paris nach Se. Cloud geht. Zwei Monate später (im Frühjahr 1791) hatte sich der kühne Reisende in Se. Malo eingeschifft, war in Philadelphia angekommen und klopfte an die kleine Pforte deö bescheidenen Häuschens, in wel¬ chem der amerikanische CincinnatuS, Washington, wohnte. Keine Garden umgaben den Präsidenten der Vereinigten Staaten, nicht einmal eine Schaar von Dienern. Eine Dienerin öffnete ihm und führte ihn in das Zimmer, wo sich der Ruhm der Gegenwart und der Zukunft gegenüberstanden. Chateaubriand legte dem Präsidenten seinen Plan vor. Dieser hörte ihn an, erstaunte und sprach von den Schwierigkeiten des Un¬ ternehmens. Der junge Reisende antwortete ihm lebhaft: Ist es nicht leichter, die nördliche Durchfahrt zu entdecken, als ein Volk zu erschaffen, was Sie gethan haben? — Schon gut, schon gut, junger Mann! sagte Washington und gab ihm die Hand. Wenige Tage später war Chateaubriand mitten in den ameri¬ kanischen Einöden. Sein erstes Abenteuer unter den Wilden Ameri¬ kas ist bizarr genug. Man muß sein Zusammentreffen mit Monsieur Violet, seinem Landsmann, ehemaligem Küchenjungen deS Generals Rochambeau und dann Tanzmeister der wilden Herren und Damen, von ihm selbst geschildert lesen. Der kleine Franzose im apfelgrünen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/58>, abgerufen am 22.12.2024.