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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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dung des Meeres rauschen und schon erfreute sich sein Auge ein dem
blinkenden Licht der Sterne, sein Ohr an dem Brausen deS Windes
und dem klagenden Schrei der Strandvögel, und seine Seele wuchs
an den öden Schauern der bretagnischen Natur heran. Das Leben
in seiner Familie bot dem Gemüthe des Kindes wenig Erquickliches.
Sein Vater, streng und stolz, glich einem jener Ritter des Mittel¬
alters,''.deren eisernem Körper und deren Seele von Eis jede sanftere
Bewegung deö Gemüths unbekannt ist.

Ein solches Leben, im Schooß einer wilden Natur begonnen,
den Freuden des Herzens entfremdet und auf sich selbst zurückgewie¬
sen, drückte der Seele Chateaubriand's sehr früh das Gepräge in
sich selbst zurückgezogener, schwärmerischer Melancholie auf, welches sein
ganzes Leben hindurch in ihm vorherrschte. Er war Dichter, als er
noch Kind war. Eine junge Schwester, welche er liebte und deren
zarte und reine Seele den ganzen Reichthum der seinigen fühlte, goß
über sein einförmiges, freudloses Dasein die süßen Schmerzen der
Melancholie und die zarten Freuden schwesterlicher Liebe.

Als der jüngste Sohn der Familie dem Priesterstande bestimmt,
widmete sich der junge Chateaubriand ernsten und eifrigen Studien.
Er begann sie in dem Collegium von Dole und beendigte sie in
Nennes, wo Moreau sein Mitschüler war. Mit feinem zwanzigsten
Jahre sollte er ein Leben heimlicher Schmerzen, namenloser Sehnsucht
und zielloser Gemüthsbewegungen beginnen. Der Gedanke an die
Fesseln des geistlichen Standes flößte ihm Schrecken ein; einmal war
er auf dem Punkt, mit eigener Hand sein Leben zu endigen; einige
Tage später kam er in Paris an,' ein Patent als Souslieutenant des
Regiments Navarre in der Tasche. Der junge Offizier wurde bei
Hofe vorgestellt, hatte die Ehre, in einem der königlichen Wagen zu
fahren, hatte bei den Lcverö und königlichen Jagden Zutritt, was ihn
aber Alles nur wenig interessirte.

Ein anderer kleiner Hof war in Paris, nach dem er sich mit
lebhafterem Verlangen sehnte. Der Zutritt dort war der Gewöhn¬
lichkeit versagt und der Geist hatte dort Bürgerrecht. Dort thronten
die letzten Schüler der Encyclopädisten, Delille, Champfort, Parny
u. s. w. Die schwachen Nachfolger Voltaire'S schmiedeten Madri
gale, als schon die Hurrahs bei dem Schwur im Ballhause und der
Einnahme der Bastille ertönten, als schon die gewaltige Stimme


dung des Meeres rauschen und schon erfreute sich sein Auge ein dem
blinkenden Licht der Sterne, sein Ohr an dem Brausen deS Windes
und dem klagenden Schrei der Strandvögel, und seine Seele wuchs
an den öden Schauern der bretagnischen Natur heran. Das Leben
in seiner Familie bot dem Gemüthe des Kindes wenig Erquickliches.
Sein Vater, streng und stolz, glich einem jener Ritter des Mittel¬
alters,''.deren eisernem Körper und deren Seele von Eis jede sanftere
Bewegung deö Gemüths unbekannt ist.

Ein solches Leben, im Schooß einer wilden Natur begonnen,
den Freuden des Herzens entfremdet und auf sich selbst zurückgewie¬
sen, drückte der Seele Chateaubriand's sehr früh das Gepräge in
sich selbst zurückgezogener, schwärmerischer Melancholie auf, welches sein
ganzes Leben hindurch in ihm vorherrschte. Er war Dichter, als er
noch Kind war. Eine junge Schwester, welche er liebte und deren
zarte und reine Seele den ganzen Reichthum der seinigen fühlte, goß
über sein einförmiges, freudloses Dasein die süßen Schmerzen der
Melancholie und die zarten Freuden schwesterlicher Liebe.

Als der jüngste Sohn der Familie dem Priesterstande bestimmt,
widmete sich der junge Chateaubriand ernsten und eifrigen Studien.
Er begann sie in dem Collegium von Dole und beendigte sie in
Nennes, wo Moreau sein Mitschüler war. Mit feinem zwanzigsten
Jahre sollte er ein Leben heimlicher Schmerzen, namenloser Sehnsucht
und zielloser Gemüthsbewegungen beginnen. Der Gedanke an die
Fesseln des geistlichen Standes flößte ihm Schrecken ein; einmal war
er auf dem Punkt, mit eigener Hand sein Leben zu endigen; einige
Tage später kam er in Paris an,' ein Patent als Souslieutenant des
Regiments Navarre in der Tasche. Der junge Offizier wurde bei
Hofe vorgestellt, hatte die Ehre, in einem der königlichen Wagen zu
fahren, hatte bei den Lcverö und königlichen Jagden Zutritt, was ihn
aber Alles nur wenig interessirte.

Ein anderer kleiner Hof war in Paris, nach dem er sich mit
lebhafterem Verlangen sehnte. Der Zutritt dort war der Gewöhn¬
lichkeit versagt und der Geist hatte dort Bürgerrecht. Dort thronten
die letzten Schüler der Encyclopädisten, Delille, Champfort, Parny
u. s. w. Die schwachen Nachfolger Voltaire'S schmiedeten Madri
gale, als schon die Hurrahs bei dem Schwur im Ballhause und der
Einnahme der Bastille ertönten, als schon die gewaltige Stimme


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[0057] dung des Meeres rauschen und schon erfreute sich sein Auge ein dem blinkenden Licht der Sterne, sein Ohr an dem Brausen deS Windes und dem klagenden Schrei der Strandvögel, und seine Seele wuchs an den öden Schauern der bretagnischen Natur heran. Das Leben in seiner Familie bot dem Gemüthe des Kindes wenig Erquickliches. Sein Vater, streng und stolz, glich einem jener Ritter des Mittel¬ alters,''.deren eisernem Körper und deren Seele von Eis jede sanftere Bewegung deö Gemüths unbekannt ist. Ein solches Leben, im Schooß einer wilden Natur begonnen, den Freuden des Herzens entfremdet und auf sich selbst zurückgewie¬ sen, drückte der Seele Chateaubriand's sehr früh das Gepräge in sich selbst zurückgezogener, schwärmerischer Melancholie auf, welches sein ganzes Leben hindurch in ihm vorherrschte. Er war Dichter, als er noch Kind war. Eine junge Schwester, welche er liebte und deren zarte und reine Seele den ganzen Reichthum der seinigen fühlte, goß über sein einförmiges, freudloses Dasein die süßen Schmerzen der Melancholie und die zarten Freuden schwesterlicher Liebe. Als der jüngste Sohn der Familie dem Priesterstande bestimmt, widmete sich der junge Chateaubriand ernsten und eifrigen Studien. Er begann sie in dem Collegium von Dole und beendigte sie in Nennes, wo Moreau sein Mitschüler war. Mit feinem zwanzigsten Jahre sollte er ein Leben heimlicher Schmerzen, namenloser Sehnsucht und zielloser Gemüthsbewegungen beginnen. Der Gedanke an die Fesseln des geistlichen Standes flößte ihm Schrecken ein; einmal war er auf dem Punkt, mit eigener Hand sein Leben zu endigen; einige Tage später kam er in Paris an,' ein Patent als Souslieutenant des Regiments Navarre in der Tasche. Der junge Offizier wurde bei Hofe vorgestellt, hatte die Ehre, in einem der königlichen Wagen zu fahren, hatte bei den Lcverö und königlichen Jagden Zutritt, was ihn aber Alles nur wenig interessirte. Ein anderer kleiner Hof war in Paris, nach dem er sich mit lebhafterem Verlangen sehnte. Der Zutritt dort war der Gewöhn¬ lichkeit versagt und der Geist hatte dort Bürgerrecht. Dort thronten die letzten Schüler der Encyclopädisten, Delille, Champfort, Parny u. s. w. Die schwachen Nachfolger Voltaire'S schmiedeten Madri gale, als schon die Hurrahs bei dem Schwur im Ballhause und der Einnahme der Bastille ertönten, als schon die gewaltige Stimme

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/57>, abgerufen am 22.12.2024.