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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Baschkiren nicht zu fürchten, der Geist der Nation ist die stärkste
Mauer. Mögen die Russen sich dann immerhin bis an den Rhein
zeigen, -- es kann gut sei", wenn die schlauen Larven von Allen ge¬
sehen werden. Die Geister glühen schon jetzt zu sehr in Haß und
Erbitterung gegen den Russen, selbst die preußischen Gardelieutenants
bringen geheime Pereats aus; der deutsche Geist ist schon jetzt in al¬
len Schichten zu lebendig geworden, als daß sich an eine Unterjoch¬
ung vom Moskowiter denken ließe "), selbst wenn sich Bündnisse,
analog dem Rheinbund, erneuern. Die russische Diplomatie mag
noch so schlau ihre Karten mischen und Heirathstractate schließen: es
stehen ihr nicht Cabinetöintcressen, es steht ihr ein Volk, es steht ihr
das Princip der Civilisation und der Freiheit gegenüber.

Wie der Dampf überhaupt zum Träger des modernen Lebens
geworden ist und vereint hat, was lange getrennt war, so ist auch
Nußland uns durch die Dampfschiffahrt auf dem baltischen Meere
näher getreten. Es ist eine monopolisirte Dampfschiffahrt zwischen
Petersburg und Lübeck eingerichtet; -- es weht viel russischer Wind
in Lübeck, in der freien Reichs- und Hansestadt und der russische
Generalkonsul, Herr v. Schlözer, ist dort ein wichtiger Mann, wo
man einst Könige ab- und einsetzen konnte und nun einen harten
Schlag erwarten muß, wenn der große Czar Miene macht, das
Monopol aufzuheben! ES fahren drei große Dampfschiffe zwischen
dem russischen Norden und Deutschland. Früher war die Verbin¬
dung sehr lose; wer sich nicht Ewigkeiten hindurch auf Rußlands,
Polens und Preußens Landwegen, oder in engen Kajütenräumen der
vom Sturm wochenlang hin- und hergetriebenen Segelschiffe zer¬
martern lassen wollte, der blieb daheim und unterdrückte den Wunsch
nach Reisen, Freiheit und höherer Cultur. Nun aber schmaucht ihm
das Dampfboot entgegen, in vier Tagen kann er in Hamburg, in
sieben Tagen in Paris sein. Dies lockt Viele. Schaarenweise steigt
Nußland zu Schiffe, bei Travemünde ergießt es sich über das deut¬
sche Land. Was früher sein Leben durchhockte, das nimmt ein



*) Wir glauben nicht, daß Rußland je ernstlich an eine Eroberung
Deutschlands gedacht hat; dazu ist es zu schlau. Es denkt wohl eher daran, in
Deutschland durch seinen Einfluß zu herrschen, wie eine andere Mcht i Ita¬
an
Die Red. lien -- freilich nicht in so schonender Weise.

Baschkiren nicht zu fürchten, der Geist der Nation ist die stärkste
Mauer. Mögen die Russen sich dann immerhin bis an den Rhein
zeigen, — es kann gut sei», wenn die schlauen Larven von Allen ge¬
sehen werden. Die Geister glühen schon jetzt zu sehr in Haß und
Erbitterung gegen den Russen, selbst die preußischen Gardelieutenants
bringen geheime Pereats aus; der deutsche Geist ist schon jetzt in al¬
len Schichten zu lebendig geworden, als daß sich an eine Unterjoch¬
ung vom Moskowiter denken ließe »), selbst wenn sich Bündnisse,
analog dem Rheinbund, erneuern. Die russische Diplomatie mag
noch so schlau ihre Karten mischen und Heirathstractate schließen: es
stehen ihr nicht Cabinetöintcressen, es steht ihr ein Volk, es steht ihr
das Princip der Civilisation und der Freiheit gegenüber.

Wie der Dampf überhaupt zum Träger des modernen Lebens
geworden ist und vereint hat, was lange getrennt war, so ist auch
Nußland uns durch die Dampfschiffahrt auf dem baltischen Meere
näher getreten. Es ist eine monopolisirte Dampfschiffahrt zwischen
Petersburg und Lübeck eingerichtet; — es weht viel russischer Wind
in Lübeck, in der freien Reichs- und Hansestadt und der russische
Generalkonsul, Herr v. Schlözer, ist dort ein wichtiger Mann, wo
man einst Könige ab- und einsetzen konnte und nun einen harten
Schlag erwarten muß, wenn der große Czar Miene macht, das
Monopol aufzuheben! ES fahren drei große Dampfschiffe zwischen
dem russischen Norden und Deutschland. Früher war die Verbin¬
dung sehr lose; wer sich nicht Ewigkeiten hindurch auf Rußlands,
Polens und Preußens Landwegen, oder in engen Kajütenräumen der
vom Sturm wochenlang hin- und hergetriebenen Segelschiffe zer¬
martern lassen wollte, der blieb daheim und unterdrückte den Wunsch
nach Reisen, Freiheit und höherer Cultur. Nun aber schmaucht ihm
das Dampfboot entgegen, in vier Tagen kann er in Hamburg, in
sieben Tagen in Paris sein. Dies lockt Viele. Schaarenweise steigt
Nußland zu Schiffe, bei Travemünde ergießt es sich über das deut¬
sche Land. Was früher sein Leben durchhockte, das nimmt ein



*) Wir glauben nicht, daß Rußland je ernstlich an eine Eroberung
Deutschlands gedacht hat; dazu ist es zu schlau. Es denkt wohl eher daran, in
Deutschland durch seinen Einfluß zu herrschen, wie eine andere Mcht i Ita¬
an
Die Red. lien — freilich nicht in so schonender Weise.
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[0563] Baschkiren nicht zu fürchten, der Geist der Nation ist die stärkste Mauer. Mögen die Russen sich dann immerhin bis an den Rhein zeigen, — es kann gut sei», wenn die schlauen Larven von Allen ge¬ sehen werden. Die Geister glühen schon jetzt zu sehr in Haß und Erbitterung gegen den Russen, selbst die preußischen Gardelieutenants bringen geheime Pereats aus; der deutsche Geist ist schon jetzt in al¬ len Schichten zu lebendig geworden, als daß sich an eine Unterjoch¬ ung vom Moskowiter denken ließe »), selbst wenn sich Bündnisse, analog dem Rheinbund, erneuern. Die russische Diplomatie mag noch so schlau ihre Karten mischen und Heirathstractate schließen: es stehen ihr nicht Cabinetöintcressen, es steht ihr ein Volk, es steht ihr das Princip der Civilisation und der Freiheit gegenüber. Wie der Dampf überhaupt zum Träger des modernen Lebens geworden ist und vereint hat, was lange getrennt war, so ist auch Nußland uns durch die Dampfschiffahrt auf dem baltischen Meere näher getreten. Es ist eine monopolisirte Dampfschiffahrt zwischen Petersburg und Lübeck eingerichtet; — es weht viel russischer Wind in Lübeck, in der freien Reichs- und Hansestadt und der russische Generalkonsul, Herr v. Schlözer, ist dort ein wichtiger Mann, wo man einst Könige ab- und einsetzen konnte und nun einen harten Schlag erwarten muß, wenn der große Czar Miene macht, das Monopol aufzuheben! ES fahren drei große Dampfschiffe zwischen dem russischen Norden und Deutschland. Früher war die Verbin¬ dung sehr lose; wer sich nicht Ewigkeiten hindurch auf Rußlands, Polens und Preußens Landwegen, oder in engen Kajütenräumen der vom Sturm wochenlang hin- und hergetriebenen Segelschiffe zer¬ martern lassen wollte, der blieb daheim und unterdrückte den Wunsch nach Reisen, Freiheit und höherer Cultur. Nun aber schmaucht ihm das Dampfboot entgegen, in vier Tagen kann er in Hamburg, in sieben Tagen in Paris sein. Dies lockt Viele. Schaarenweise steigt Nußland zu Schiffe, bei Travemünde ergießt es sich über das deut¬ sche Land. Was früher sein Leben durchhockte, das nimmt ein *) Wir glauben nicht, daß Rußland je ernstlich an eine Eroberung Deutschlands gedacht hat; dazu ist es zu schlau. Es denkt wohl eher daran, in Deutschland durch seinen Einfluß zu herrschen, wie eine andere Mcht i Ita¬ an Die Red. lien — freilich nicht in so schonender Weise.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/563>, abgerufen am 29.06.2024.