Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

einer Frau nicht, daß sie den Marquis de Custine spiele. Nur sich
selbst etwas mehr gleich bleiben sollte sie.

In Petersburg lebte ein Wunderkind Elisabeth Kulmann,
eine deutsche Dichterin. Ihre Eltern waren aus Deutschland hinge-
wandert und ihr Genius blieb der Muttersprache treu; sie dichtete
aber auch in russischer, italienischer und griechischer Sprache. Ihre
Lieder sind oft von unmittelbarer Kindlichkeit und antiker Naivetät.
Man könnte dreist viele ihrer Gedichte für althellenische ausgeben,
käme nicht nothwendig manche moderne Vorstellung und modernes
Wissen darin vor. Sie lebte in sehr dürftigen Verhältnifien und
starb vor ihrem zwanzigsten Jahre. Ein Band ihrer Gedichte in
deutscher, italienischer und russischer Sprache, in Se. Petersburg ge¬
druckt, zeigt ihr Bildniß im Profil. Auch die Schönheit ihrer Züge
trug einen ganz antiken Charakter. -- Schade, daß Therese, wie es
scheint, um diese Dichterin Nichts gewußt hat. Vielleicht hätte sie,
bei ihrer Anwesenheit in Rußland, über das Leben derselben nähere
Kunde bringen können. Eine vollständige Ausgabe von Kulmann's
deutschen Poesien fehlt noch.




einer Frau nicht, daß sie den Marquis de Custine spiele. Nur sich
selbst etwas mehr gleich bleiben sollte sie.

In Petersburg lebte ein Wunderkind Elisabeth Kulmann,
eine deutsche Dichterin. Ihre Eltern waren aus Deutschland hinge-
wandert und ihr Genius blieb der Muttersprache treu; sie dichtete
aber auch in russischer, italienischer und griechischer Sprache. Ihre
Lieder sind oft von unmittelbarer Kindlichkeit und antiker Naivetät.
Man könnte dreist viele ihrer Gedichte für althellenische ausgeben,
käme nicht nothwendig manche moderne Vorstellung und modernes
Wissen darin vor. Sie lebte in sehr dürftigen Verhältnifien und
starb vor ihrem zwanzigsten Jahre. Ein Band ihrer Gedichte in
deutscher, italienischer und russischer Sprache, in Se. Petersburg ge¬
druckt, zeigt ihr Bildniß im Profil. Auch die Schönheit ihrer Züge
trug einen ganz antiken Charakter. — Schade, daß Therese, wie es
scheint, um diese Dichterin Nichts gewußt hat. Vielleicht hätte sie,
bei ihrer Anwesenheit in Rußland, über das Leben derselben nähere
Kunde bringen können. Eine vollständige Ausgabe von Kulmann's
deutschen Poesien fehlt noch.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0558" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180271"/>
            <p xml:id="ID_1481" prev="#ID_1480"> einer Frau nicht, daß sie den Marquis de Custine spiele. Nur sich<lb/>
selbst etwas mehr gleich bleiben sollte sie.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1482"> In Petersburg lebte ein Wunderkind Elisabeth Kulmann,<lb/>
eine deutsche Dichterin. Ihre Eltern waren aus Deutschland hinge-<lb/>
wandert und ihr Genius blieb der Muttersprache treu; sie dichtete<lb/>
aber auch in russischer, italienischer und griechischer Sprache. Ihre<lb/>
Lieder sind oft von unmittelbarer Kindlichkeit und antiker Naivetät.<lb/>
Man könnte dreist viele ihrer Gedichte für althellenische ausgeben,<lb/>
käme nicht nothwendig manche moderne Vorstellung und modernes<lb/>
Wissen darin vor. Sie lebte in sehr dürftigen Verhältnifien und<lb/>
starb vor ihrem zwanzigsten Jahre. Ein Band ihrer Gedichte in<lb/>
deutscher, italienischer und russischer Sprache, in Se. Petersburg ge¬<lb/>
druckt, zeigt ihr Bildniß im Profil. Auch die Schönheit ihrer Züge<lb/>
trug einen ganz antiken Charakter. &#x2014; Schade, daß Therese, wie es<lb/>
scheint, um diese Dichterin Nichts gewußt hat. Vielleicht hätte sie,<lb/>
bei ihrer Anwesenheit in Rußland, über das Leben derselben nähere<lb/>
Kunde bringen können. Eine vollständige Ausgabe von Kulmann's<lb/>
deutschen Poesien fehlt noch.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0558] einer Frau nicht, daß sie den Marquis de Custine spiele. Nur sich selbst etwas mehr gleich bleiben sollte sie. In Petersburg lebte ein Wunderkind Elisabeth Kulmann, eine deutsche Dichterin. Ihre Eltern waren aus Deutschland hinge- wandert und ihr Genius blieb der Muttersprache treu; sie dichtete aber auch in russischer, italienischer und griechischer Sprache. Ihre Lieder sind oft von unmittelbarer Kindlichkeit und antiker Naivetät. Man könnte dreist viele ihrer Gedichte für althellenische ausgeben, käme nicht nothwendig manche moderne Vorstellung und modernes Wissen darin vor. Sie lebte in sehr dürftigen Verhältnifien und starb vor ihrem zwanzigsten Jahre. Ein Band ihrer Gedichte in deutscher, italienischer und russischer Sprache, in Se. Petersburg ge¬ druckt, zeigt ihr Bildniß im Profil. Auch die Schönheit ihrer Züge trug einen ganz antiken Charakter. — Schade, daß Therese, wie es scheint, um diese Dichterin Nichts gewußt hat. Vielleicht hätte sie, bei ihrer Anwesenheit in Rußland, über das Leben derselben nähere Kunde bringen können. Eine vollständige Ausgabe von Kulmann's deutschen Poesien fehlt noch.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/558
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/558>, abgerufen am 29.06.2024.