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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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und Achtung zu erwerbe", gebieten ihm Pflicht und Klugheit.
Man unterstützt die italienische Oper in Wien, nicht blos wegen des
Ohrenkitzels, sondern auch aus Politik, wegen der günstigen Rück¬
wirkung , die diese Theilnahme bei den Italienern, deren Eitelkeit sie
schmeichelt, hervorbringt. Man unterstütze das deutsche Theater in
Preßburg und Pesth, wenn es nöthig ist, aus ähnlichen politischen
Gründeir. Frankreich decorirt viele französische Sprachmeister, die im
Auslande an Universitäten und Lehrstühlen angestellt sind, mit dem
Orden der Ehrenlegion für ihre Verdienste um die Verbreitung der
französischen Sprache und Literatur. Dies ist ein Beispiel, welches
in verschiedenen anderen Formen Nachahmung verdient.

Es ist ein höchst peinliches Gefühl, wenn man Zeuge sein muß,
wie ein Freund in einer zahlreichen Gesellschaft fremder Menschen
sich lächerlich macht oder wie ein Landsmann im fremden Lande seine
Nationalität herabwürdigt diese unangenehme Empfindung konnte ich
während dieses ganzen Theaterabends nicht los werden. Immer von
dem Gedanken verfolgt, wie sehr eine gut geleitete deutsche Bühne
gerade hier von einflußreicher moralischer und politischer Wirkung sein
würde, quälte es mich, dieses triviale, gebauten- und zusammenhängst
lose Machwerk mitansehen zu müssen. In diesem "Todtentanz" scheint
der gesunde Menschenverstand wirklich todt zu sein und nur als Gespenst
umherzmanzen, eine galvanisirte Leiche, mit Lappen von alten Witzen
behängt, mit grinsender Coquetterie Ekel und Mitleid zugleich ein¬
flößend. Und dieses Stück wurde in Wien hundert und fünfzig Mal
gegeben, weil der Maschinist einige Versenkungen aus Robert der
Teufel angebracht und der Decorateur einige Lappen geschickt ange¬
strichen hat. Und diese Probe deutschen -- nein -- österreichischen
Geistes wurde in Gegenwart sämmtlicher ungarischen Deputirten, die
aus allen Enden des Landes gegenwärtig waren, aufgetischt. Die
Ungarn machten in den letzten Jahren große und glückliche Anstren¬
gungen zur Hebung ihrer nationalen Literatur und Bühne. Bedenkt
man, wie jede aufstrebende Nation, die lange Zeit unter der geistigen
Herrschaft einer anderen gewesen und nun die eigenen Flügel zu he¬
ben verflicht, die Fehler und Gebrechen dieser anderen mit leiden¬
schaftlicher Schärfe aufgreift und mit hundertfachem Blicke späht, um
sie zu entdecken und dann triumphirend sie verachten zu können, so
kann man leicht beurtheilen, welchen Eindruck dieses Wiener, leider


und Achtung zu erwerbe», gebieten ihm Pflicht und Klugheit.
Man unterstützt die italienische Oper in Wien, nicht blos wegen des
Ohrenkitzels, sondern auch aus Politik, wegen der günstigen Rück¬
wirkung , die diese Theilnahme bei den Italienern, deren Eitelkeit sie
schmeichelt, hervorbringt. Man unterstütze das deutsche Theater in
Preßburg und Pesth, wenn es nöthig ist, aus ähnlichen politischen
Gründeir. Frankreich decorirt viele französische Sprachmeister, die im
Auslande an Universitäten und Lehrstühlen angestellt sind, mit dem
Orden der Ehrenlegion für ihre Verdienste um die Verbreitung der
französischen Sprache und Literatur. Dies ist ein Beispiel, welches
in verschiedenen anderen Formen Nachahmung verdient.

Es ist ein höchst peinliches Gefühl, wenn man Zeuge sein muß,
wie ein Freund in einer zahlreichen Gesellschaft fremder Menschen
sich lächerlich macht oder wie ein Landsmann im fremden Lande seine
Nationalität herabwürdigt diese unangenehme Empfindung konnte ich
während dieses ganzen Theaterabends nicht los werden. Immer von
dem Gedanken verfolgt, wie sehr eine gut geleitete deutsche Bühne
gerade hier von einflußreicher moralischer und politischer Wirkung sein
würde, quälte es mich, dieses triviale, gebauten- und zusammenhängst
lose Machwerk mitansehen zu müssen. In diesem „Todtentanz" scheint
der gesunde Menschenverstand wirklich todt zu sein und nur als Gespenst
umherzmanzen, eine galvanisirte Leiche, mit Lappen von alten Witzen
behängt, mit grinsender Coquetterie Ekel und Mitleid zugleich ein¬
flößend. Und dieses Stück wurde in Wien hundert und fünfzig Mal
gegeben, weil der Maschinist einige Versenkungen aus Robert der
Teufel angebracht und der Decorateur einige Lappen geschickt ange¬
strichen hat. Und diese Probe deutschen — nein — österreichischen
Geistes wurde in Gegenwart sämmtlicher ungarischen Deputirten, die
aus allen Enden des Landes gegenwärtig waren, aufgetischt. Die
Ungarn machten in den letzten Jahren große und glückliche Anstren¬
gungen zur Hebung ihrer nationalen Literatur und Bühne. Bedenkt
man, wie jede aufstrebende Nation, die lange Zeit unter der geistigen
Herrschaft einer anderen gewesen und nun die eigenen Flügel zu he¬
ben verflicht, die Fehler und Gebrechen dieser anderen mit leiden¬
schaftlicher Schärfe aufgreift und mit hundertfachem Blicke späht, um
sie zu entdecken und dann triumphirend sie verachten zu können, so
kann man leicht beurtheilen, welchen Eindruck dieses Wiener, leider


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/527>, abgerufen am 23.12.2024.