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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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komm. Es gibt kaum einen Punkt, der an die vielberühmte Alls¬
sicht auf dem Heidelberger Schlosse so lebhaft mahnte, wie der Kegel
des Preßburger Schloßberges, nicht blos wegen der wunderbaren
Aussicht über Strom und Gebirge, sondern auch wegen der Aehnlich-
keit der Schloßruinen, die dort wie hier beide einem und demselben
Baustyle angehörten, beide von Flammen zerstört wurden und die
noch in den Ueberresten ihrer Trümmer und Fanden lebhaft an ein¬
ander erinnern. Das Heidelberger Schloß winde von Franzosen
angezündet, das Preßburger von Italienern. Die Geschichte dieses
Brandes ist iir ein mysteriöses Dunkel gehüllt, das noch heute nicht
gelöst ist und Stoff zu einem schönen Roman liefern würde. Es
wurde nämlich im Jahre 1811 von der eigenen Besatzung, einem ita¬
lienischen (Oesterreicher) Regiments in Brand gesteckt, ohne daß man
bis bellte noch über die Ursache dieser vandalischen That aufgeklärt
ist. Die Untersuchungen dauerten lange, aber das Resultat derselben
ist ein Geheimniß geblieben; nur einige gemeine Soldaten wurden
verurtheilt.

Womit vertreibt sich der Fremde, der Abends in einer Stadt
ankommt, die Zeit, wenn er nicht in Relsekleidern Besuche machen
null? Er geht in's Theater, vorausgesetzt, daß es in der Stadt eins
gibt; Preßburg aber besitzt glücklicherweise ein sehr schönes Theater.

In Preßburg gibt es ein Schauspielhaus, das sich mit
dem Leipziger und Frankfurter Stadttheater an Größe wohl
messen kann. Der Director des Josephstädter Theaters in
Wien ist der Pächter desselben. Die Nähe der Residenz gibt ihm die
Mittel, bei besonderen Gelegenheiten die ganze Truppe seiner Wie¬
ner Schallspieler hierher reisen zu lassen. Dies war auch an diesem
Abend der Fall, wo man zum Bencfice irgend einer wohlthätigen
Anstalt die Zauberposse: "Der Todtentanz" von Told (die in Wien
einhundert und fünfzig Aufführungen erlebte!) zum Erstenmal gab.
Es war also eine Art Festabend. Logen und Parterre waren voll,
und ich hatte Gelegenheit, die Ungarn als Theaterpublicum kennen
zu lernen.

Es ist hier nicht der Ort, über Theaterabende und Theaterstücke
zu referiren. Wenn man auf der Reife in eilt eigenthümliches Land
begriffen ist, um die heftigen und wichtigen Bewegungen in Politik
und Gesetzgebung einer großartigen Nationalität an Ort und Stelle


komm. Es gibt kaum einen Punkt, der an die vielberühmte Alls¬
sicht auf dem Heidelberger Schlosse so lebhaft mahnte, wie der Kegel
des Preßburger Schloßberges, nicht blos wegen der wunderbaren
Aussicht über Strom und Gebirge, sondern auch wegen der Aehnlich-
keit der Schloßruinen, die dort wie hier beide einem und demselben
Baustyle angehörten, beide von Flammen zerstört wurden und die
noch in den Ueberresten ihrer Trümmer und Fanden lebhaft an ein¬
ander erinnern. Das Heidelberger Schloß winde von Franzosen
angezündet, das Preßburger von Italienern. Die Geschichte dieses
Brandes ist iir ein mysteriöses Dunkel gehüllt, das noch heute nicht
gelöst ist und Stoff zu einem schönen Roman liefern würde. Es
wurde nämlich im Jahre 1811 von der eigenen Besatzung, einem ita¬
lienischen (Oesterreicher) Regiments in Brand gesteckt, ohne daß man
bis bellte noch über die Ursache dieser vandalischen That aufgeklärt
ist. Die Untersuchungen dauerten lange, aber das Resultat derselben
ist ein Geheimniß geblieben; nur einige gemeine Soldaten wurden
verurtheilt.

Womit vertreibt sich der Fremde, der Abends in einer Stadt
ankommt, die Zeit, wenn er nicht in Relsekleidern Besuche machen
null? Er geht in's Theater, vorausgesetzt, daß es in der Stadt eins
gibt; Preßburg aber besitzt glücklicherweise ein sehr schönes Theater.

In Preßburg gibt es ein Schauspielhaus, das sich mit
dem Leipziger und Frankfurter Stadttheater an Größe wohl
messen kann. Der Director des Josephstädter Theaters in
Wien ist der Pächter desselben. Die Nähe der Residenz gibt ihm die
Mittel, bei besonderen Gelegenheiten die ganze Truppe seiner Wie¬
ner Schallspieler hierher reisen zu lassen. Dies war auch an diesem
Abend der Fall, wo man zum Bencfice irgend einer wohlthätigen
Anstalt die Zauberposse: „Der Todtentanz" von Told (die in Wien
einhundert und fünfzig Aufführungen erlebte!) zum Erstenmal gab.
Es war also eine Art Festabend. Logen und Parterre waren voll,
und ich hatte Gelegenheit, die Ungarn als Theaterpublicum kennen
zu lernen.

Es ist hier nicht der Ort, über Theaterabende und Theaterstücke
zu referiren. Wenn man auf der Reife in eilt eigenthümliches Land
begriffen ist, um die heftigen und wichtigen Bewegungen in Politik
und Gesetzgebung einer großartigen Nationalität an Ort und Stelle


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[0524] komm. Es gibt kaum einen Punkt, der an die vielberühmte Alls¬ sicht auf dem Heidelberger Schlosse so lebhaft mahnte, wie der Kegel des Preßburger Schloßberges, nicht blos wegen der wunderbaren Aussicht über Strom und Gebirge, sondern auch wegen der Aehnlich- keit der Schloßruinen, die dort wie hier beide einem und demselben Baustyle angehörten, beide von Flammen zerstört wurden und die noch in den Ueberresten ihrer Trümmer und Fanden lebhaft an ein¬ ander erinnern. Das Heidelberger Schloß winde von Franzosen angezündet, das Preßburger von Italienern. Die Geschichte dieses Brandes ist iir ein mysteriöses Dunkel gehüllt, das noch heute nicht gelöst ist und Stoff zu einem schönen Roman liefern würde. Es wurde nämlich im Jahre 1811 von der eigenen Besatzung, einem ita¬ lienischen (Oesterreicher) Regiments in Brand gesteckt, ohne daß man bis bellte noch über die Ursache dieser vandalischen That aufgeklärt ist. Die Untersuchungen dauerten lange, aber das Resultat derselben ist ein Geheimniß geblieben; nur einige gemeine Soldaten wurden verurtheilt. Womit vertreibt sich der Fremde, der Abends in einer Stadt ankommt, die Zeit, wenn er nicht in Relsekleidern Besuche machen null? Er geht in's Theater, vorausgesetzt, daß es in der Stadt eins gibt; Preßburg aber besitzt glücklicherweise ein sehr schönes Theater. In Preßburg gibt es ein Schauspielhaus, das sich mit dem Leipziger und Frankfurter Stadttheater an Größe wohl messen kann. Der Director des Josephstädter Theaters in Wien ist der Pächter desselben. Die Nähe der Residenz gibt ihm die Mittel, bei besonderen Gelegenheiten die ganze Truppe seiner Wie¬ ner Schallspieler hierher reisen zu lassen. Dies war auch an diesem Abend der Fall, wo man zum Bencfice irgend einer wohlthätigen Anstalt die Zauberposse: „Der Todtentanz" von Told (die in Wien einhundert und fünfzig Aufführungen erlebte!) zum Erstenmal gab. Es war also eine Art Festabend. Logen und Parterre waren voll, und ich hatte Gelegenheit, die Ungarn als Theaterpublicum kennen zu lernen. Es ist hier nicht der Ort, über Theaterabende und Theaterstücke zu referiren. Wenn man auf der Reife in eilt eigenthümliches Land begriffen ist, um die heftigen und wichtigen Bewegungen in Politik und Gesetzgebung einer großartigen Nationalität an Ort und Stelle

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/524>, abgerufen am 29.06.2024.