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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Drucke befindliche Uebersetzung augenblicklich verboten. Auch hier in
Paris wurden, wiewohl in anderer Art, ahnliche Schritte versucht.
Russische Agenten wollten zuerst das Manuscript, dann die Auflage
ankaufen, allein diese Bemühungen scheiterten und die Broschüre be¬
findet sich bereits in der dritten Auflage im Verkauf und das deut¬
sche Journal Vorwärts liefert' eine v o l lstän d i g e U e b e r-
se ez u n g diesesBuches, von der bereits vierCapitel er¬
schienen sind." Hier müssen also der Hamb. Corresp. aus Berlin,
Gutsch und Rupp in Karlsruhe und russische Agenten zusammentreten,
um das "Vorwärts" in's Schlepptau zu nehmen. -- Zwei Zeilen weiter
heißt es wieder: "Der berühmte Pianist Döhler gab am 25. hier ein
von der gewähltester Gesellschaft besuchtes Morgenconcert. Das hie¬
sige deutsche Journal Vorwärts nennt es das erste gute
Eoncerc i n d ieser Saiso n, eine blumenduftende Oase in
der musikalischen Sandwüste von Paris." -- Welch ori¬
ginelle Aussprüche dieses deutsche Journal Vorwärts nicht Alles fällt.

-- Ein Bericht über das deutsche Theater, welchen vor Kurzem
das I^orvigli "mnrtei-I^ ix'vio^v lieferte, setzt die Kenner deutscher
Literatur wegen der Vollständigkeit und kritischen Schärfe, mit der er
unsere dramatische Literatur von den Schicksalstragöden Werner,
Müllner und Grillparzer bis auf die neusten Erzeugnisse von Gutz-
kow und Laube, ja bis auf die Wiener Localposse (Raimund) die
Revue passiren läßt, in Erstaunen. Man hätte in der That ein Recht, sich zu
wundern, daß ein Engländer eine so detaillirte Kenntniß deutscher Litera¬
turzustände besitzt -- wenn wirklich der Verfasser ein Brite wäre. Wir
glauben aber, der Mann wohntkeineSwegs in den vereinigten drei König¬
reichen, sondern sitzt still und mit der deutschen Literatur in Stutt¬
gart. Man weiß, daß Dingelstedt vortrefflich englisch schreibt und
von Wien aus für englische Reviews gearbeitet hat. Ein Urtheil
über Grillparzer stimmt mit einem ähnlichen, das man früher von
Dingelstedt äußern hörte. "Grillparzer,, -- sagt der Reviewer -- "ist
ein Poet, der mit dem Schicksalsdrama durch seinen ersten Versuch
zusammenhängt, aber durch Zeit und Geist Werner so wie Müllner
überragt; dieser Dichter ist viel zu sehr durch seine erste Arbeit be¬
kannt und viel zu wenig durch seine folgenden, weit vorzüglicheren
Werke. Obschon in seiner literarischen Stellung ganz isolirt und fast
vergessen von der Kritik, bleibt er dennoch unstreitig der eigenthüm¬
lichste und kräftigste Dramatiker der Jetztzeit, wenn er auch nicht der
productivste und glücklichste unter ihnen ist." -- Wenn Dingelstedt
wirklich der Verfasser dieses Artikels ist , so macht es seinem Herzen
Ehre, daß trotz der Angriffe, die ihm in letzterer Zeit von allen Sei¬
ten das Leben verbitterten, er doch ein beredter und warmer Fürspre¬
cher für die Bestrebungen der jungen Literatur geblieben .ist. Der


Drucke befindliche Uebersetzung augenblicklich verboten. Auch hier in
Paris wurden, wiewohl in anderer Art, ahnliche Schritte versucht.
Russische Agenten wollten zuerst das Manuscript, dann die Auflage
ankaufen, allein diese Bemühungen scheiterten und die Broschüre be¬
findet sich bereits in der dritten Auflage im Verkauf und das deut¬
sche Journal Vorwärts liefert' eine v o l lstän d i g e U e b e r-
se ez u n g diesesBuches, von der bereits vierCapitel er¬
schienen sind." Hier müssen also der Hamb. Corresp. aus Berlin,
Gutsch und Rupp in Karlsruhe und russische Agenten zusammentreten,
um das „Vorwärts" in's Schlepptau zu nehmen. — Zwei Zeilen weiter
heißt es wieder: „Der berühmte Pianist Döhler gab am 25. hier ein
von der gewähltester Gesellschaft besuchtes Morgenconcert. Das hie¬
sige deutsche Journal Vorwärts nennt es das erste gute
Eoncerc i n d ieser Saiso n, eine blumenduftende Oase in
der musikalischen Sandwüste von Paris." — Welch ori¬
ginelle Aussprüche dieses deutsche Journal Vorwärts nicht Alles fällt.

— Ein Bericht über das deutsche Theater, welchen vor Kurzem
das I^orvigli «mnrtei-I^ ix'vio^v lieferte, setzt die Kenner deutscher
Literatur wegen der Vollständigkeit und kritischen Schärfe, mit der er
unsere dramatische Literatur von den Schicksalstragöden Werner,
Müllner und Grillparzer bis auf die neusten Erzeugnisse von Gutz-
kow und Laube, ja bis auf die Wiener Localposse (Raimund) die
Revue passiren läßt, in Erstaunen. Man hätte in der That ein Recht, sich zu
wundern, daß ein Engländer eine so detaillirte Kenntniß deutscher Litera¬
turzustände besitzt — wenn wirklich der Verfasser ein Brite wäre. Wir
glauben aber, der Mann wohntkeineSwegs in den vereinigten drei König¬
reichen, sondern sitzt still und mit der deutschen Literatur in Stutt¬
gart. Man weiß, daß Dingelstedt vortrefflich englisch schreibt und
von Wien aus für englische Reviews gearbeitet hat. Ein Urtheil
über Grillparzer stimmt mit einem ähnlichen, das man früher von
Dingelstedt äußern hörte. „Grillparzer,, — sagt der Reviewer — „ist
ein Poet, der mit dem Schicksalsdrama durch seinen ersten Versuch
zusammenhängt, aber durch Zeit und Geist Werner so wie Müllner
überragt; dieser Dichter ist viel zu sehr durch seine erste Arbeit be¬
kannt und viel zu wenig durch seine folgenden, weit vorzüglicheren
Werke. Obschon in seiner literarischen Stellung ganz isolirt und fast
vergessen von der Kritik, bleibt er dennoch unstreitig der eigenthüm¬
lichste und kräftigste Dramatiker der Jetztzeit, wenn er auch nicht der
productivste und glücklichste unter ihnen ist." — Wenn Dingelstedt
wirklich der Verfasser dieses Artikels ist , so macht es seinem Herzen
Ehre, daß trotz der Angriffe, die ihm in letzterer Zeit von allen Sei¬
ten das Leben verbitterten, er doch ein beredter und warmer Fürspre¬
cher für die Bestrebungen der jungen Literatur geblieben .ist. Der


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[0487] Drucke befindliche Uebersetzung augenblicklich verboten. Auch hier in Paris wurden, wiewohl in anderer Art, ahnliche Schritte versucht. Russische Agenten wollten zuerst das Manuscript, dann die Auflage ankaufen, allein diese Bemühungen scheiterten und die Broschüre be¬ findet sich bereits in der dritten Auflage im Verkauf und das deut¬ sche Journal Vorwärts liefert' eine v o l lstän d i g e U e b e r- se ez u n g diesesBuches, von der bereits vierCapitel er¬ schienen sind." Hier müssen also der Hamb. Corresp. aus Berlin, Gutsch und Rupp in Karlsruhe und russische Agenten zusammentreten, um das „Vorwärts" in's Schlepptau zu nehmen. — Zwei Zeilen weiter heißt es wieder: „Der berühmte Pianist Döhler gab am 25. hier ein von der gewähltester Gesellschaft besuchtes Morgenconcert. Das hie¬ sige deutsche Journal Vorwärts nennt es das erste gute Eoncerc i n d ieser Saiso n, eine blumenduftende Oase in der musikalischen Sandwüste von Paris." — Welch ori¬ ginelle Aussprüche dieses deutsche Journal Vorwärts nicht Alles fällt. — Ein Bericht über das deutsche Theater, welchen vor Kurzem das I^orvigli «mnrtei-I^ ix'vio^v lieferte, setzt die Kenner deutscher Literatur wegen der Vollständigkeit und kritischen Schärfe, mit der er unsere dramatische Literatur von den Schicksalstragöden Werner, Müllner und Grillparzer bis auf die neusten Erzeugnisse von Gutz- kow und Laube, ja bis auf die Wiener Localposse (Raimund) die Revue passiren läßt, in Erstaunen. Man hätte in der That ein Recht, sich zu wundern, daß ein Engländer eine so detaillirte Kenntniß deutscher Litera¬ turzustände besitzt — wenn wirklich der Verfasser ein Brite wäre. Wir glauben aber, der Mann wohntkeineSwegs in den vereinigten drei König¬ reichen, sondern sitzt still und mit der deutschen Literatur in Stutt¬ gart. Man weiß, daß Dingelstedt vortrefflich englisch schreibt und von Wien aus für englische Reviews gearbeitet hat. Ein Urtheil über Grillparzer stimmt mit einem ähnlichen, das man früher von Dingelstedt äußern hörte. „Grillparzer,, — sagt der Reviewer — „ist ein Poet, der mit dem Schicksalsdrama durch seinen ersten Versuch zusammenhängt, aber durch Zeit und Geist Werner so wie Müllner überragt; dieser Dichter ist viel zu sehr durch seine erste Arbeit be¬ kannt und viel zu wenig durch seine folgenden, weit vorzüglicheren Werke. Obschon in seiner literarischen Stellung ganz isolirt und fast vergessen von der Kritik, bleibt er dennoch unstreitig der eigenthüm¬ lichste und kräftigste Dramatiker der Jetztzeit, wenn er auch nicht der productivste und glücklichste unter ihnen ist." — Wenn Dingelstedt wirklich der Verfasser dieses Artikels ist , so macht es seinem Herzen Ehre, daß trotz der Angriffe, die ihm in letzterer Zeit von allen Sei¬ ten das Leben verbitterten, er doch ein beredter und warmer Fürspre¬ cher für die Bestrebungen der jungen Literatur geblieben .ist. Der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/487>, abgerufen am 29.06.2024.