Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.Maitresse, ein neues Jagdgewehr einige Abwechselung erhoffen kön¬ Was Berlin und Wien gemein haben, das ist der Um¬ *) Die Belagerung Wiens durch die Türken gehört nicht in die Reihe
der modernen Staarscreignisje, von denen hier die Rede sein kann. Maitresse, ein neues Jagdgewehr einige Abwechselung erhoffen kön¬ Was Berlin und Wien gemein haben, das ist der Um¬ *) Die Belagerung Wiens durch die Türken gehört nicht in die Reihe
der modernen Staarscreignisje, von denen hier die Rede sein kann. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0462" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180175"/> <p xml:id="ID_1244" prev="#ID_1243"> Maitresse, ein neues Jagdgewehr einige Abwechselung erhoffen kön¬<lb/> nen — Ergreifendes, Außergewöhnliches kann ihnen der nächste Tag<lb/> nicht bringen. Wien hat manche große Erbschaft gemacht und auch<lb/> manchen schweren Familienkummer erlebt. Aber es hat nie v-t ki.n>^i,<!<lb/> gerufen; es war nie wie Berlin vor der Schlacht von Dennewitz und<lb/> Großbeeren der Gefahr ausgesetzt, Alles mit einem Schlage zu ver¬<lb/> lieren wie ein Kaufmann, dem der Bankerott droht. Vielmehr<lb/> wüßte Wien selbst in seiner schlimmsten Zeit, als die Franzosen in<lb/> seinen Mauern hausten, daß man seine Güter wohl eine Zeit lang<lb/> sequestriren könne, daß eS aber endlich wieder in den ruhigen Besitz<lb/> derselben zurückkehren werde. Wien ist nicht arrogant, weil es seinen<lb/> Reichthum nicht von gestern besitzt; es hat die angenehmen, abgeschlif¬<lb/> fenen Manieren der Aristokratie, die gewohnt ist, in großartigen<lb/> Verhältnissen zu leben und das Leben sich leicht zu machen; aber es hat<lb/> auch Nichts von jener Spannkraft, Nichts von jener' jugendlichen<lb/> Streitlust, die, im Bewußtsein ihrer strotzenden Fülle, den Tag her¬<lb/> beiwünscht, wo sie noch erobern und Hemmnisse aller Art abschüt¬<lb/> teln konnte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1245" next="#ID_1246"> Was Berlin und Wien gemein haben, das ist der Um¬<lb/> stand, daß die meisten Sommitäten, die sie in Politik, in Kunst und<lb/> Wissenschaft besitzen, keineswegs der Stadt selbst angehören, sondern<lb/> aus den Provinzen des Gesammtstaates ihr zugeströmt sind. Große<lb/> Städte sind wie große Salons. Der Hausherr, die Frau vom Hause<lb/> sind oft die unbedeutendsten Menschen von der Welt. Aber die<lb/> Candelaber sind angezündet, die Divans dehnen sich einladend, der<lb/> Thee dampft, die Domestiken reißen dienstfertig die Thüren auf, die<lb/> Hausfrau lächelt freundlich vom Sopha und die Gäste ziehen ein,<lb/> der bequeme Mittelpunkt lockt sie heran. Der eingeborne Großstäd¬<lb/> ter ist zu verweichlicht, um sich dem schweren Dienste des Fleißes zu<lb/> unterziehen. Er gibt den Boden her; die Colonisten bebauen ihn.<lb/> Man hat in Wien oft genug Witze gerissen über die große Anzahl<lb/> von Böhmen, die man in allen Gebieten der Administration, des<lb/> Lehrstandes u. s. w. in unverhältnißmäßigen Maßstabe findet. Ein<lb/> Gleiches konnte man in Berlin von den Schlesien: sagen. ES lohnte<lb/> sich wohl einer näheren Untersuchung, warum Böhmen und daS ihm</p><lb/> <note xml:id="FID_32" place="foot"> *) Die Belagerung Wiens durch die Türken gehört nicht in die Reihe<lb/> der modernen Staarscreignisje, von denen hier die Rede sein kann.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0462]
Maitresse, ein neues Jagdgewehr einige Abwechselung erhoffen kön¬
nen — Ergreifendes, Außergewöhnliches kann ihnen der nächste Tag
nicht bringen. Wien hat manche große Erbschaft gemacht und auch
manchen schweren Familienkummer erlebt. Aber es hat nie v-t ki.n>^i,<!
gerufen; es war nie wie Berlin vor der Schlacht von Dennewitz und
Großbeeren der Gefahr ausgesetzt, Alles mit einem Schlage zu ver¬
lieren wie ein Kaufmann, dem der Bankerott droht. Vielmehr
wüßte Wien selbst in seiner schlimmsten Zeit, als die Franzosen in
seinen Mauern hausten, daß man seine Güter wohl eine Zeit lang
sequestriren könne, daß eS aber endlich wieder in den ruhigen Besitz
derselben zurückkehren werde. Wien ist nicht arrogant, weil es seinen
Reichthum nicht von gestern besitzt; es hat die angenehmen, abgeschlif¬
fenen Manieren der Aristokratie, die gewohnt ist, in großartigen
Verhältnissen zu leben und das Leben sich leicht zu machen; aber es hat
auch Nichts von jener Spannkraft, Nichts von jener' jugendlichen
Streitlust, die, im Bewußtsein ihrer strotzenden Fülle, den Tag her¬
beiwünscht, wo sie noch erobern und Hemmnisse aller Art abschüt¬
teln konnte.
Was Berlin und Wien gemein haben, das ist der Um¬
stand, daß die meisten Sommitäten, die sie in Politik, in Kunst und
Wissenschaft besitzen, keineswegs der Stadt selbst angehören, sondern
aus den Provinzen des Gesammtstaates ihr zugeströmt sind. Große
Städte sind wie große Salons. Der Hausherr, die Frau vom Hause
sind oft die unbedeutendsten Menschen von der Welt. Aber die
Candelaber sind angezündet, die Divans dehnen sich einladend, der
Thee dampft, die Domestiken reißen dienstfertig die Thüren auf, die
Hausfrau lächelt freundlich vom Sopha und die Gäste ziehen ein,
der bequeme Mittelpunkt lockt sie heran. Der eingeborne Großstäd¬
ter ist zu verweichlicht, um sich dem schweren Dienste des Fleißes zu
unterziehen. Er gibt den Boden her; die Colonisten bebauen ihn.
Man hat in Wien oft genug Witze gerissen über die große Anzahl
von Böhmen, die man in allen Gebieten der Administration, des
Lehrstandes u. s. w. in unverhältnißmäßigen Maßstabe findet. Ein
Gleiches konnte man in Berlin von den Schlesien: sagen. ES lohnte
sich wohl einer näheren Untersuchung, warum Böhmen und daS ihm
*) Die Belagerung Wiens durch die Türken gehört nicht in die Reihe
der modernen Staarscreignisje, von denen hier die Rede sein kann.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |