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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Sendung nach Syrien als Adjutant von Omer Pascha. Nach sechs¬
monatlicher Abwesenheit kehrte er nach Konstantinopel zurück, wo, wie
alle Zeitungen es berichtet habe", seine Verheirathung mit ungewöhn¬
lichem Pompe stattfand. Eben jetzt, d. h. am türkischen Neujahrstcigc
(nach unserer Zeitrechnung am 12. Januar 1844) erhob ihn der Sul¬
tan zum Kaimakan, d. h. zum Obersten, und er wurde als Beweis
des Vertrauens, welches die hohe Pforte in ihn setzt, als General-
Adjutant zum Gouverneur von Belgrad Sr. Ercellcnz Hafis
Pascha zugetheilt, allwo er factiscü am I. März eingetroffen ist, was
er mir mit der gestrigen Post berichtet hat." -- Wir geben dieses
Schreiben, dessen Autograph vor uns liegt, ohne weiteren Commentar;
der Leser wird wissen, was er sich dabei zu denken hat.

-- Die Tantieme ist, wie Herr von Holbein in Wien voraus¬
gesagt hat, nun auch in Berlin eingeführt. Die Zeitungen theilen die
einzelnen Punkte der neuen Einrichtung mit. Die Oper ist mit in-
begriffen; und die Tantiemes sind wie in Wien blos auf drei Jahre zur
Probe eingeführt. Die Theaterkassen werden diese Probe bestehen; da¬
von sind wir aus vielen Gründen überzeugt. Um aber unmittelbarer
auf das Drama und nicht blos für die materielle Belohnung bühnen-
gcschicktcr Dramatiker zu wirken, wäre nöthig, daß die Theater-Ccnsnr-
schccrcn etwas stumpfer würden und bei der Annahme neuer Stücke
weniger engbrüstige Rücksichten vorwalteten. Diese Reform liegt aber
freilich weder in Herrn v. Holbein's, noch in Chevalier Küstncr's
Macht.

-- Raupach will dramaturgische Vorlesungen hallen; Raumer
geht nach Nordamerika, auf drei oder vier Baude; Mundt hat, wie
die Düsseldorfer Zeitung meldet, seine Vorlesungen (über Communis¬
mus und andere gefährliche Dinge) von selbst geschlossen, nachdem er
in der letzten eine Apologie Nauwerk's geliefert. Er wird wohl einen
leisen Wink bekommen haben. Nauwerk hat das Privatdoeiren auf¬
gegeben und will nach Paris gehen. Man wird bald sagen-: Er geht
nach Paris, wie man sagt: Er zieht sich auf's Laud zurück. In der
That scheint es in Paris viel ruhiger und friedlicher zu sein, wenn
eine Revolution vorgefallen ist, als in Berlin, wenn Einer VivatI ge¬
rufen hat. Die Allgemeine Berliner Weltgeschichte macht einen solchen
Lärm um Nichts, daß man sich fragen muß: Wie soll das werden,
wenn dort erst wirklich was geschieht?!




Verlag von Fr. Ludw. Herbig. -- Redacteur I. Kuranda.
Druck von Friedrich Andrä.

Sendung nach Syrien als Adjutant von Omer Pascha. Nach sechs¬
monatlicher Abwesenheit kehrte er nach Konstantinopel zurück, wo, wie
alle Zeitungen es berichtet habe», seine Verheirathung mit ungewöhn¬
lichem Pompe stattfand. Eben jetzt, d. h. am türkischen Neujahrstcigc
(nach unserer Zeitrechnung am 12. Januar 1844) erhob ihn der Sul¬
tan zum Kaimakan, d. h. zum Obersten, und er wurde als Beweis
des Vertrauens, welches die hohe Pforte in ihn setzt, als General-
Adjutant zum Gouverneur von Belgrad Sr. Ercellcnz Hafis
Pascha zugetheilt, allwo er factiscü am I. März eingetroffen ist, was
er mir mit der gestrigen Post berichtet hat." — Wir geben dieses
Schreiben, dessen Autograph vor uns liegt, ohne weiteren Commentar;
der Leser wird wissen, was er sich dabei zu denken hat.

— Die Tantieme ist, wie Herr von Holbein in Wien voraus¬
gesagt hat, nun auch in Berlin eingeführt. Die Zeitungen theilen die
einzelnen Punkte der neuen Einrichtung mit. Die Oper ist mit in-
begriffen; und die Tantiemes sind wie in Wien blos auf drei Jahre zur
Probe eingeführt. Die Theaterkassen werden diese Probe bestehen; da¬
von sind wir aus vielen Gründen überzeugt. Um aber unmittelbarer
auf das Drama und nicht blos für die materielle Belohnung bühnen-
gcschicktcr Dramatiker zu wirken, wäre nöthig, daß die Theater-Ccnsnr-
schccrcn etwas stumpfer würden und bei der Annahme neuer Stücke
weniger engbrüstige Rücksichten vorwalteten. Diese Reform liegt aber
freilich weder in Herrn v. Holbein's, noch in Chevalier Küstncr's
Macht.

— Raupach will dramaturgische Vorlesungen hallen; Raumer
geht nach Nordamerika, auf drei oder vier Baude; Mundt hat, wie
die Düsseldorfer Zeitung meldet, seine Vorlesungen (über Communis¬
mus und andere gefährliche Dinge) von selbst geschlossen, nachdem er
in der letzten eine Apologie Nauwerk's geliefert. Er wird wohl einen
leisen Wink bekommen haben. Nauwerk hat das Privatdoeiren auf¬
gegeben und will nach Paris gehen. Man wird bald sagen-: Er geht
nach Paris, wie man sagt: Er zieht sich auf's Laud zurück. In der
That scheint es in Paris viel ruhiger und friedlicher zu sein, wenn
eine Revolution vorgefallen ist, als in Berlin, wenn Einer VivatI ge¬
rufen hat. Die Allgemeine Berliner Weltgeschichte macht einen solchen
Lärm um Nichts, daß man sich fragen muß: Wie soll das werden,
wenn dort erst wirklich was geschieht?!




Verlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur I. Kuranda.
Druck von Friedrich Andrä.
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[0432] Sendung nach Syrien als Adjutant von Omer Pascha. Nach sechs¬ monatlicher Abwesenheit kehrte er nach Konstantinopel zurück, wo, wie alle Zeitungen es berichtet habe», seine Verheirathung mit ungewöhn¬ lichem Pompe stattfand. Eben jetzt, d. h. am türkischen Neujahrstcigc (nach unserer Zeitrechnung am 12. Januar 1844) erhob ihn der Sul¬ tan zum Kaimakan, d. h. zum Obersten, und er wurde als Beweis des Vertrauens, welches die hohe Pforte in ihn setzt, als General- Adjutant zum Gouverneur von Belgrad Sr. Ercellcnz Hafis Pascha zugetheilt, allwo er factiscü am I. März eingetroffen ist, was er mir mit der gestrigen Post berichtet hat." — Wir geben dieses Schreiben, dessen Autograph vor uns liegt, ohne weiteren Commentar; der Leser wird wissen, was er sich dabei zu denken hat. — Die Tantieme ist, wie Herr von Holbein in Wien voraus¬ gesagt hat, nun auch in Berlin eingeführt. Die Zeitungen theilen die einzelnen Punkte der neuen Einrichtung mit. Die Oper ist mit in- begriffen; und die Tantiemes sind wie in Wien blos auf drei Jahre zur Probe eingeführt. Die Theaterkassen werden diese Probe bestehen; da¬ von sind wir aus vielen Gründen überzeugt. Um aber unmittelbarer auf das Drama und nicht blos für die materielle Belohnung bühnen- gcschicktcr Dramatiker zu wirken, wäre nöthig, daß die Theater-Ccnsnr- schccrcn etwas stumpfer würden und bei der Annahme neuer Stücke weniger engbrüstige Rücksichten vorwalteten. Diese Reform liegt aber freilich weder in Herrn v. Holbein's, noch in Chevalier Küstncr's Macht. — Raupach will dramaturgische Vorlesungen hallen; Raumer geht nach Nordamerika, auf drei oder vier Baude; Mundt hat, wie die Düsseldorfer Zeitung meldet, seine Vorlesungen (über Communis¬ mus und andere gefährliche Dinge) von selbst geschlossen, nachdem er in der letzten eine Apologie Nauwerk's geliefert. Er wird wohl einen leisen Wink bekommen haben. Nauwerk hat das Privatdoeiren auf¬ gegeben und will nach Paris gehen. Man wird bald sagen-: Er geht nach Paris, wie man sagt: Er zieht sich auf's Laud zurück. In der That scheint es in Paris viel ruhiger und friedlicher zu sein, wenn eine Revolution vorgefallen ist, als in Berlin, wenn Einer VivatI ge¬ rufen hat. Die Allgemeine Berliner Weltgeschichte macht einen solchen Lärm um Nichts, daß man sich fragen muß: Wie soll das werden, wenn dort erst wirklich was geschieht?! Verlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur I. Kuranda. Druck von Friedrich Andrä.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/432>, abgerufen am 26.06.2024.