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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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ich einmal die Pflicht übernommen habe, so will ich sie auch nicht
einseitig erfüllen.

Mcinhold's "Maria Schweizerin" ist durch die jesuitischen Ver¬
suche des Verfassers, das Werk bei den Einen als ..Chronik", bei
den Andern als "reine Fiction" einzuschmuggeln, vielleicht auch gro-
ßentheils durch seine hohe Protection fast zu einem literarischen "Er-
eigniß" geworden. Sein Ansehen ist keineswegs ein verdientes. Es
ist vielmehr Nichts als eine gewöhnliche Herengeschichtc, eingekleidet
in einen Lappen Ncttungsromantik, wie es in den VerlagSwcrkcn
von Fürst in Nordhausen nicht neu sein mag. Die früher und so
lange fruchtlosen Versuche des Pfarrers, einen Verleger zu finden,
sind heute eine seltene, aber eben nicht beklagenswerthe Erscheinung.
Ein schönes, unschuldiges Mädchen, verfolgt von einem lüsternen
Tyrannen, aus Rache über ihren Widerstand zum Feuertod verdammt,
zuletzt durch eine Reihe von Trivialitäten und Zufällen endlich ge¬
rettet, ein thränenreicher Sieg der Tugend über das Laster -- welch
überraschende Situationen für Roman und Bühne! Und an solchem
Thema konnte sich Laube vergreifen! Aber sehen wir, was er aus
diesem Stoff gemacht. Der erste Act führt uns in die Wohnung
des Pfarrers Schweidler. Aus den Scenen des Müllers Zabel-
Birkhahn mit derW irthschafterin erfahren wir zuerst die Verhältnisse
Mariens rücksichtlich der abergläubischen Bauern, deren Vieh sie mit
ihren Besprechungen nicht mehr heilen kann, und die Besorgnisse des
alten Pfarrers weihen uns zugleich in ihre Stellung zu dem Amts¬
hauptmann und dessen Schwiegersohn ein. Dann erscheint sie uns
selbst, ein wunderbares Gemisch von Unschuld und übergeistiger
Schwärmerei. Ihr erstes Auftreten ist nicht ohne Interesse, nament¬
lich die kindliche Unbefangenheit ihres Charakters unter den Vorah-
nungen und bangen Gefühlen ihres Schicksals eine gelungene Cha¬
rakteristik. In der Szene zwischen ihr und dem Junker tritt dies am
deutlichsten hervor, nur die Erzählung der Ankunft Gustav Adolph's
ermüdet und hätte wohl ganz wegbleiben dürfen, da sie für das
Ganze unwesentlich ist. Eine düstere Vision, während Wittich und
die Kolkenlicse am Fenster lauschen, ist gleichfalls von Wirkung, um
so mehr, da man in ihr die Andeutung eines tieferen psychologischen
Interesses bei Marien erkennt. Dieses aber tritt nirgends wieder
hervor, außer in Reden und Worten Anderer. Es ist immer ein


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ich einmal die Pflicht übernommen habe, so will ich sie auch nicht
einseitig erfüllen.

Mcinhold's „Maria Schweizerin" ist durch die jesuitischen Ver¬
suche des Verfassers, das Werk bei den Einen als ..Chronik", bei
den Andern als „reine Fiction" einzuschmuggeln, vielleicht auch gro-
ßentheils durch seine hohe Protection fast zu einem literarischen „Er-
eigniß" geworden. Sein Ansehen ist keineswegs ein verdientes. Es
ist vielmehr Nichts als eine gewöhnliche Herengeschichtc, eingekleidet
in einen Lappen Ncttungsromantik, wie es in den VerlagSwcrkcn
von Fürst in Nordhausen nicht neu sein mag. Die früher und so
lange fruchtlosen Versuche des Pfarrers, einen Verleger zu finden,
sind heute eine seltene, aber eben nicht beklagenswerthe Erscheinung.
Ein schönes, unschuldiges Mädchen, verfolgt von einem lüsternen
Tyrannen, aus Rache über ihren Widerstand zum Feuertod verdammt,
zuletzt durch eine Reihe von Trivialitäten und Zufällen endlich ge¬
rettet, ein thränenreicher Sieg der Tugend über das Laster — welch
überraschende Situationen für Roman und Bühne! Und an solchem
Thema konnte sich Laube vergreifen! Aber sehen wir, was er aus
diesem Stoff gemacht. Der erste Act führt uns in die Wohnung
des Pfarrers Schweidler. Aus den Scenen des Müllers Zabel-
Birkhahn mit derW irthschafterin erfahren wir zuerst die Verhältnisse
Mariens rücksichtlich der abergläubischen Bauern, deren Vieh sie mit
ihren Besprechungen nicht mehr heilen kann, und die Besorgnisse des
alten Pfarrers weihen uns zugleich in ihre Stellung zu dem Amts¬
hauptmann und dessen Schwiegersohn ein. Dann erscheint sie uns
selbst, ein wunderbares Gemisch von Unschuld und übergeistiger
Schwärmerei. Ihr erstes Auftreten ist nicht ohne Interesse, nament¬
lich die kindliche Unbefangenheit ihres Charakters unter den Vorah-
nungen und bangen Gefühlen ihres Schicksals eine gelungene Cha¬
rakteristik. In der Szene zwischen ihr und dem Junker tritt dies am
deutlichsten hervor, nur die Erzählung der Ankunft Gustav Adolph's
ermüdet und hätte wohl ganz wegbleiben dürfen, da sie für das
Ganze unwesentlich ist. Eine düstere Vision, während Wittich und
die Kolkenlicse am Fenster lauschen, ist gleichfalls von Wirkung, um
so mehr, da man in ihr die Andeutung eines tieferen psychologischen
Interesses bei Marien erkennt. Dieses aber tritt nirgends wieder
hervor, außer in Reden und Worten Anderer. Es ist immer ein


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[0425] ich einmal die Pflicht übernommen habe, so will ich sie auch nicht einseitig erfüllen. Mcinhold's „Maria Schweizerin" ist durch die jesuitischen Ver¬ suche des Verfassers, das Werk bei den Einen als ..Chronik", bei den Andern als „reine Fiction" einzuschmuggeln, vielleicht auch gro- ßentheils durch seine hohe Protection fast zu einem literarischen „Er- eigniß" geworden. Sein Ansehen ist keineswegs ein verdientes. Es ist vielmehr Nichts als eine gewöhnliche Herengeschichtc, eingekleidet in einen Lappen Ncttungsromantik, wie es in den VerlagSwcrkcn von Fürst in Nordhausen nicht neu sein mag. Die früher und so lange fruchtlosen Versuche des Pfarrers, einen Verleger zu finden, sind heute eine seltene, aber eben nicht beklagenswerthe Erscheinung. Ein schönes, unschuldiges Mädchen, verfolgt von einem lüsternen Tyrannen, aus Rache über ihren Widerstand zum Feuertod verdammt, zuletzt durch eine Reihe von Trivialitäten und Zufällen endlich ge¬ rettet, ein thränenreicher Sieg der Tugend über das Laster — welch überraschende Situationen für Roman und Bühne! Und an solchem Thema konnte sich Laube vergreifen! Aber sehen wir, was er aus diesem Stoff gemacht. Der erste Act führt uns in die Wohnung des Pfarrers Schweidler. Aus den Scenen des Müllers Zabel- Birkhahn mit derW irthschafterin erfahren wir zuerst die Verhältnisse Mariens rücksichtlich der abergläubischen Bauern, deren Vieh sie mit ihren Besprechungen nicht mehr heilen kann, und die Besorgnisse des alten Pfarrers weihen uns zugleich in ihre Stellung zu dem Amts¬ hauptmann und dessen Schwiegersohn ein. Dann erscheint sie uns selbst, ein wunderbares Gemisch von Unschuld und übergeistiger Schwärmerei. Ihr erstes Auftreten ist nicht ohne Interesse, nament¬ lich die kindliche Unbefangenheit ihres Charakters unter den Vorah- nungen und bangen Gefühlen ihres Schicksals eine gelungene Cha¬ rakteristik. In der Szene zwischen ihr und dem Junker tritt dies am deutlichsten hervor, nur die Erzählung der Ankunft Gustav Adolph's ermüdet und hätte wohl ganz wegbleiben dürfen, da sie für das Ganze unwesentlich ist. Eine düstere Vision, während Wittich und die Kolkenlicse am Fenster lauschen, ist gleichfalls von Wirkung, um so mehr, da man in ihr die Andeutung eines tieferen psychologischen Interesses bei Marien erkennt. Dieses aber tritt nirgends wieder hervor, außer in Reden und Worten Anderer. Es ist immer ein Grenzboten 1,8-ii. I. 55

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/425>, abgerufen am 22.12.2024.