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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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i.
Eine Ehescheidungsgeschichte.

Während noch die Veröffentlichung des richterlichen Verfahrens
gegen den Pfarrer Weidig die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich
zieht, haben wir schon wieder einen interessanten Beleg für die Art
und Weise unserer Prozcßverhandlungcn erhalten. In einem so eben
(Charlottenburg, Verlag von Egbert Bauer) erschienene" Buche: "Aus¬
geübter Kinderraub gegen einen preußische" Unterthan
unterm Schutze der Gerichte der freien Stadt Frankfurt"
übergibt Herr v. Fabcck die Acten seines merkwürdigen Prozesses und
in ihnen eben die Geschichte desselben, der Oeffentlichkeit eine höchst
tragische Geschichte, die uns nicht blos einen tiefen Blick in un¬
sere öffentlichen, sondern auch in das Wesen unserer socialen, unserer
ehelichen und Familienverhältnisse thun läßt. Ein Mann, dem es das
Höchste ist, ein Familienvater zu sein, dem die Familie sein Gott, sein
Alles ist, der keine Opfer und Anstrengungen scheut, für das Wohl
der Seinigen, für die er nur lebt, zu sorgen, der diese Sorge bis zu
einer Eonsequenz forttreibt, daß sie zu einer wahren Tyrannei der Liebe
geworden ist; einen solchen Mann sehen wir hier, dieser mißgc-
deutetcn Eonsequenz wegen, mit der er sein Recht als Gatte und Va¬
ter geltend macht, durch eine scheußliche Intrigue nach und nach seiner
Frau, seiner Kinder, seines Vermögens, kurz seiner ganzen Häuslichkeit
beraubt und dadurch eben in seinem Wesen vernichtet. Nach dem An¬
trag seiner Frau auf Trennung c^un-ni tuorum opus-tin und nach
dein Verhör der von ihr vorgeschlagenen Zeugen, verfügt das Stadt¬
gericht der freien Stadt Frankfurt, ohne sich um den Beklagten zu be¬
kümmern, ohne ihn zu vernehmen, die sofortige provisorische Trennung


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i.
Eine Ehescheidungsgeschichte.

Während noch die Veröffentlichung des richterlichen Verfahrens
gegen den Pfarrer Weidig die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich
zieht, haben wir schon wieder einen interessanten Beleg für die Art
und Weise unserer Prozcßverhandlungcn erhalten. In einem so eben
(Charlottenburg, Verlag von Egbert Bauer) erschienene» Buche: „Aus¬
geübter Kinderraub gegen einen preußische» Unterthan
unterm Schutze der Gerichte der freien Stadt Frankfurt"
übergibt Herr v. Fabcck die Acten seines merkwürdigen Prozesses und
in ihnen eben die Geschichte desselben, der Oeffentlichkeit eine höchst
tragische Geschichte, die uns nicht blos einen tiefen Blick in un¬
sere öffentlichen, sondern auch in das Wesen unserer socialen, unserer
ehelichen und Familienverhältnisse thun läßt. Ein Mann, dem es das
Höchste ist, ein Familienvater zu sein, dem die Familie sein Gott, sein
Alles ist, der keine Opfer und Anstrengungen scheut, für das Wohl
der Seinigen, für die er nur lebt, zu sorgen, der diese Sorge bis zu
einer Eonsequenz forttreibt, daß sie zu einer wahren Tyrannei der Liebe
geworden ist; einen solchen Mann sehen wir hier, dieser mißgc-
deutetcn Eonsequenz wegen, mit der er sein Recht als Gatte und Va¬
ter geltend macht, durch eine scheußliche Intrigue nach und nach seiner
Frau, seiner Kinder, seines Vermögens, kurz seiner ganzen Häuslichkeit
beraubt und dadurch eben in seinem Wesen vernichtet. Nach dem An¬
trag seiner Frau auf Trennung c^un-ni tuorum opus-tin und nach
dein Verhör der von ihr vorgeschlagenen Zeugen, verfügt das Stadt¬
gericht der freien Stadt Frankfurt, ohne sich um den Beklagten zu be¬
kümmern, ohne ihn zu vernehmen, die sofortige provisorische Trennung


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[0392] T a g e b u eh. i. Eine Ehescheidungsgeschichte. Während noch die Veröffentlichung des richterlichen Verfahrens gegen den Pfarrer Weidig die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zieht, haben wir schon wieder einen interessanten Beleg für die Art und Weise unserer Prozcßverhandlungcn erhalten. In einem so eben (Charlottenburg, Verlag von Egbert Bauer) erschienene» Buche: „Aus¬ geübter Kinderraub gegen einen preußische» Unterthan unterm Schutze der Gerichte der freien Stadt Frankfurt" übergibt Herr v. Fabcck die Acten seines merkwürdigen Prozesses und in ihnen eben die Geschichte desselben, der Oeffentlichkeit eine höchst tragische Geschichte, die uns nicht blos einen tiefen Blick in un¬ sere öffentlichen, sondern auch in das Wesen unserer socialen, unserer ehelichen und Familienverhältnisse thun läßt. Ein Mann, dem es das Höchste ist, ein Familienvater zu sein, dem die Familie sein Gott, sein Alles ist, der keine Opfer und Anstrengungen scheut, für das Wohl der Seinigen, für die er nur lebt, zu sorgen, der diese Sorge bis zu einer Eonsequenz forttreibt, daß sie zu einer wahren Tyrannei der Liebe geworden ist; einen solchen Mann sehen wir hier, dieser mißgc- deutetcn Eonsequenz wegen, mit der er sein Recht als Gatte und Va¬ ter geltend macht, durch eine scheußliche Intrigue nach und nach seiner Frau, seiner Kinder, seines Vermögens, kurz seiner ganzen Häuslichkeit beraubt und dadurch eben in seinem Wesen vernichtet. Nach dem An¬ trag seiner Frau auf Trennung c^un-ni tuorum opus-tin und nach dein Verhör der von ihr vorgeschlagenen Zeugen, verfügt das Stadt¬ gericht der freien Stadt Frankfurt, ohne sich um den Beklagten zu be¬ kümmern, ohne ihn zu vernehmen, die sofortige provisorische Trennung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/392>, abgerufen am 26.06.2024.