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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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eine?Zeit lang vergessen, und man sprach nur von den Geisterbriefen,
obgleich ihr Verfasser unbekannt blieb.

Derselbe gab um eine "Anonyme Neujahrsgabe für 1832" her¬
aus, in welcher ein schönes Lehrgedicht: "Naturen og Künsten" ent¬
halten war. Den bedeutendsten Beifall aber fand ein Prolog: "Die
Schlacht auf der Rhede", der auf der Bühne am Vorabende jenes
Tages gesprochen wurde, wo dreißig Jahre früher die Engländer
seeräuberisch über Kopenhagen herfielen. Endloser stürmischer Jubel
begrüßte das glühende Poem; Hertz war nicht im Stande, vor den
eifrigen Nachforschungen seine Verschleierung zu bewahren und
mußte aus der Wolke hervortreten. Nun schüttete sich ein so schwel¬
lend reiches Füllhorn von Ruhm und Ehren über den Dichter aus,
als ob es ihn erdrücken und ersticken wollte. Hertz bekannte sich da¬
mals zur protestantischen Kirche, und der König gab ihm ein Sti¬
pendium, um nach Italien reisen zu können, was in Dänemark stets
zur öffentlichen Anerkennung eines Poeten gehört.

Von der dauernden Begründung seines Ruhmes überzeugt, machte
er sich auf und durchzog, ein froher Wandervogel, den Süden. Als
er aber wieder zur Heimath kam, fand er Alles kühl und kalt; laute
politische Fragen hatten sein Andenken übertönt, er sah sich fast ver¬
gessen. Hertz ließ einige sehr gelungene Poesien drucken, doch man
gab nicht Acht darauf. Nun schrieb er 1837 ein Buch: "Stemmin-
ger og Tilstande -- Stimmungen und Zustände" betitelt, das ganz
geeignet war, neues Aufsehen zu machen. In Romanform schilderte
es das Leben und Treiben der liberalen Partei und bohrte so, mit
scharfer Satyre, in ein volles Wespennest hinein. Anfangs waren
die Blätter, welche zur Fahne der Angegriffenen gehörten, ganz still
über die Schrift; ihre Redacteure hatten wahrscheinlich den Plan
verabredet, durch Nichtbeachtung das Spottbuch in den Lethe zu ver¬
senken. Aber die konservativen Journale brachten nun lange Excerpte
daraus, die schwüle Stille war unterbrochen und das Gewitter brach
los. Hertz wurde von hundert Blitzen getroffen, und Nichts konnte
die Zürnenden wieder versöhnen, auch nicht sein liebliches Drama-
"Svend Dyring's Haus", das bald darauf erschien. Dasselbe hatte
Ton und Geist aus einem altdänischen Riesenliede geschöpft; es führte
Volk und Helden der frühesten Zeit lebendig vor's Auge, und die
glühende Frische, womit dies geschah, gab dem Werke einen ganz


eine?Zeit lang vergessen, und man sprach nur von den Geisterbriefen,
obgleich ihr Verfasser unbekannt blieb.

Derselbe gab um eine „Anonyme Neujahrsgabe für 1832" her¬
aus, in welcher ein schönes Lehrgedicht: „Naturen og Künsten" ent¬
halten war. Den bedeutendsten Beifall aber fand ein Prolog: „Die
Schlacht auf der Rhede", der auf der Bühne am Vorabende jenes
Tages gesprochen wurde, wo dreißig Jahre früher die Engländer
seeräuberisch über Kopenhagen herfielen. Endloser stürmischer Jubel
begrüßte das glühende Poem; Hertz war nicht im Stande, vor den
eifrigen Nachforschungen seine Verschleierung zu bewahren und
mußte aus der Wolke hervortreten. Nun schüttete sich ein so schwel¬
lend reiches Füllhorn von Ruhm und Ehren über den Dichter aus,
als ob es ihn erdrücken und ersticken wollte. Hertz bekannte sich da¬
mals zur protestantischen Kirche, und der König gab ihm ein Sti¬
pendium, um nach Italien reisen zu können, was in Dänemark stets
zur öffentlichen Anerkennung eines Poeten gehört.

Von der dauernden Begründung seines Ruhmes überzeugt, machte
er sich auf und durchzog, ein froher Wandervogel, den Süden. Als
er aber wieder zur Heimath kam, fand er Alles kühl und kalt; laute
politische Fragen hatten sein Andenken übertönt, er sah sich fast ver¬
gessen. Hertz ließ einige sehr gelungene Poesien drucken, doch man
gab nicht Acht darauf. Nun schrieb er 1837 ein Buch: „Stemmin-
ger og Tilstande — Stimmungen und Zustände" betitelt, das ganz
geeignet war, neues Aufsehen zu machen. In Romanform schilderte
es das Leben und Treiben der liberalen Partei und bohrte so, mit
scharfer Satyre, in ein volles Wespennest hinein. Anfangs waren
die Blätter, welche zur Fahne der Angegriffenen gehörten, ganz still
über die Schrift; ihre Redacteure hatten wahrscheinlich den Plan
verabredet, durch Nichtbeachtung das Spottbuch in den Lethe zu ver¬
senken. Aber die konservativen Journale brachten nun lange Excerpte
daraus, die schwüle Stille war unterbrochen und das Gewitter brach
los. Hertz wurde von hundert Blitzen getroffen, und Nichts konnte
die Zürnenden wieder versöhnen, auch nicht sein liebliches Drama-
„Svend Dyring's Haus", das bald darauf erschien. Dasselbe hatte
Ton und Geist aus einem altdänischen Riesenliede geschöpft; es führte
Volk und Helden der frühesten Zeit lebendig vor's Auge, und die
glühende Frische, womit dies geschah, gab dem Werke einen ganz


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[0373] eine?Zeit lang vergessen, und man sprach nur von den Geisterbriefen, obgleich ihr Verfasser unbekannt blieb. Derselbe gab um eine „Anonyme Neujahrsgabe für 1832" her¬ aus, in welcher ein schönes Lehrgedicht: „Naturen og Künsten" ent¬ halten war. Den bedeutendsten Beifall aber fand ein Prolog: „Die Schlacht auf der Rhede", der auf der Bühne am Vorabende jenes Tages gesprochen wurde, wo dreißig Jahre früher die Engländer seeräuberisch über Kopenhagen herfielen. Endloser stürmischer Jubel begrüßte das glühende Poem; Hertz war nicht im Stande, vor den eifrigen Nachforschungen seine Verschleierung zu bewahren und mußte aus der Wolke hervortreten. Nun schüttete sich ein so schwel¬ lend reiches Füllhorn von Ruhm und Ehren über den Dichter aus, als ob es ihn erdrücken und ersticken wollte. Hertz bekannte sich da¬ mals zur protestantischen Kirche, und der König gab ihm ein Sti¬ pendium, um nach Italien reisen zu können, was in Dänemark stets zur öffentlichen Anerkennung eines Poeten gehört. Von der dauernden Begründung seines Ruhmes überzeugt, machte er sich auf und durchzog, ein froher Wandervogel, den Süden. Als er aber wieder zur Heimath kam, fand er Alles kühl und kalt; laute politische Fragen hatten sein Andenken übertönt, er sah sich fast ver¬ gessen. Hertz ließ einige sehr gelungene Poesien drucken, doch man gab nicht Acht darauf. Nun schrieb er 1837 ein Buch: „Stemmin- ger og Tilstande — Stimmungen und Zustände" betitelt, das ganz geeignet war, neues Aufsehen zu machen. In Romanform schilderte es das Leben und Treiben der liberalen Partei und bohrte so, mit scharfer Satyre, in ein volles Wespennest hinein. Anfangs waren die Blätter, welche zur Fahne der Angegriffenen gehörten, ganz still über die Schrift; ihre Redacteure hatten wahrscheinlich den Plan verabredet, durch Nichtbeachtung das Spottbuch in den Lethe zu ver¬ senken. Aber die konservativen Journale brachten nun lange Excerpte daraus, die schwüle Stille war unterbrochen und das Gewitter brach los. Hertz wurde von hundert Blitzen getroffen, und Nichts konnte die Zürnenden wieder versöhnen, auch nicht sein liebliches Drama- „Svend Dyring's Haus", das bald darauf erschien. Dasselbe hatte Ton und Geist aus einem altdänischen Riesenliede geschöpft; es führte Volk und Helden der frühesten Zeit lebendig vor's Auge, und die glühende Frische, womit dies geschah, gab dem Werke einen ganz

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/373>, abgerufen am 26.06.2024.