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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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der Zauberkrystall, auf dem die liebliche" Gestalten vorüberziehen und
unter ihnen auch Christian lV., der wackere Dänenkönig, dessen Name
wie der eines Gottes im Volke lebt. Reiche, blühende Diction um¬
schlingt das Werk und schone Volkslieder sind, gleich seltenen See-
blumcn, in den anmuthsvoller Strauß hineingeflochten. Der Elfen¬
hügel ist in's Deutsche übersetzt und -- wenn ich nicht irre -- zu
Immermann's Zeit auf der Düsseldorfer Bühne gespielt worden.
Grabbe sagt jedoch: "die Uebersetzung hat den Trab zweier Ham¬
burger Milchgaule; im Lyrischen.sitzt sie ganz im nassen Sande".
Dagegen bezeugt er, es sei ihm noch kein Mystisicationsstück vorge¬
kommen, das solche Frische, so keck gezeichnete Figuren und Situatio¬
nen hätte.

Heiberg's "Prinzessin Jsabelle" wurde 1829 nach einem Stoff
Lope de Vega's gedichtet; es ist ein festliches Prachtstück, aber der
Feenglanz seiner Sprache überstrahlt Alles, was Malerei und Mu¬
sik für ein Drama irgend wirken können. Vor zwei Jahren gab
Heiberg "Neue Gedichte" heraus und darunter befindet sich eine apo¬
kalyptische Komödie: "die Seele nach dem Tode", welche recht in's
moderne Leben eingreift und mannigfache literarische und philosophi¬
sche Fragen berührt. Tief und innig ist die Himmelsdecke des Hu¬
mors über diese Dichtung ausgebreitet, uno auf ihrem nachtblauen
Grunde funkelt, goldenen Sternen gleich, der strahlendste Witz.

Wenn man von Heiberg spricht, darf man nicht versäumen,
eines anonymen Schriftstellers zu gedenken, den er in die Literatur
eingeführt hat. Die fliegende Post brachte nämlich eine Novelle:
"En Hverdags-Historie -- eine Alltags-Geschichte" betitelt, die durch
Form und Geist ein ungemeines Aufsehen machte. Andere Erzäh¬
lungen folgten ihr, doch wie goldig auch das Lob am Angelhaken
blinkte, der Autor ließ sich dadurch nicht bestimmen, aus der undurch¬
schaubaren Fluth seiner Anonymität hervorzutreten. Man rieth hin
und her, man zerbrach sich den Kopf und die jungen Schöngeister,
die sonst Alles wissen, kamen völlig in Verzweiflung, denn diesmal
waren sie nicht im Stande, die brennende Neugier ihrer Gastfreun¬
dinnen zu stillen.

Drei Bände von jenen räthselhaften, wie aus einer anderen
Welt kommenden Novellen gab Heiberg heraus, und noch sieben oder
acht Bände folgten ihnen "ach. An Tieck's beste Novellen mahnen


der Zauberkrystall, auf dem die liebliche» Gestalten vorüberziehen und
unter ihnen auch Christian lV., der wackere Dänenkönig, dessen Name
wie der eines Gottes im Volke lebt. Reiche, blühende Diction um¬
schlingt das Werk und schone Volkslieder sind, gleich seltenen See-
blumcn, in den anmuthsvoller Strauß hineingeflochten. Der Elfen¬
hügel ist in's Deutsche übersetzt und — wenn ich nicht irre — zu
Immermann's Zeit auf der Düsseldorfer Bühne gespielt worden.
Grabbe sagt jedoch: „die Uebersetzung hat den Trab zweier Ham¬
burger Milchgaule; im Lyrischen.sitzt sie ganz im nassen Sande".
Dagegen bezeugt er, es sei ihm noch kein Mystisicationsstück vorge¬
kommen, das solche Frische, so keck gezeichnete Figuren und Situatio¬
nen hätte.

Heiberg's „Prinzessin Jsabelle" wurde 1829 nach einem Stoff
Lope de Vega's gedichtet; es ist ein festliches Prachtstück, aber der
Feenglanz seiner Sprache überstrahlt Alles, was Malerei und Mu¬
sik für ein Drama irgend wirken können. Vor zwei Jahren gab
Heiberg „Neue Gedichte" heraus und darunter befindet sich eine apo¬
kalyptische Komödie: „die Seele nach dem Tode", welche recht in's
moderne Leben eingreift und mannigfache literarische und philosophi¬
sche Fragen berührt. Tief und innig ist die Himmelsdecke des Hu¬
mors über diese Dichtung ausgebreitet, uno auf ihrem nachtblauen
Grunde funkelt, goldenen Sternen gleich, der strahlendste Witz.

Wenn man von Heiberg spricht, darf man nicht versäumen,
eines anonymen Schriftstellers zu gedenken, den er in die Literatur
eingeführt hat. Die fliegende Post brachte nämlich eine Novelle:
„En Hverdags-Historie — eine Alltags-Geschichte" betitelt, die durch
Form und Geist ein ungemeines Aufsehen machte. Andere Erzäh¬
lungen folgten ihr, doch wie goldig auch das Lob am Angelhaken
blinkte, der Autor ließ sich dadurch nicht bestimmen, aus der undurch¬
schaubaren Fluth seiner Anonymität hervorzutreten. Man rieth hin
und her, man zerbrach sich den Kopf und die jungen Schöngeister,
die sonst Alles wissen, kamen völlig in Verzweiflung, denn diesmal
waren sie nicht im Stande, die brennende Neugier ihrer Gastfreun¬
dinnen zu stillen.

Drei Bände von jenen räthselhaften, wie aus einer anderen
Welt kommenden Novellen gab Heiberg heraus, und noch sieben oder
acht Bände folgten ihnen »ach. An Tieck's beste Novellen mahnen


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[0343] der Zauberkrystall, auf dem die liebliche» Gestalten vorüberziehen und unter ihnen auch Christian lV., der wackere Dänenkönig, dessen Name wie der eines Gottes im Volke lebt. Reiche, blühende Diction um¬ schlingt das Werk und schone Volkslieder sind, gleich seltenen See- blumcn, in den anmuthsvoller Strauß hineingeflochten. Der Elfen¬ hügel ist in's Deutsche übersetzt und — wenn ich nicht irre — zu Immermann's Zeit auf der Düsseldorfer Bühne gespielt worden. Grabbe sagt jedoch: „die Uebersetzung hat den Trab zweier Ham¬ burger Milchgaule; im Lyrischen.sitzt sie ganz im nassen Sande". Dagegen bezeugt er, es sei ihm noch kein Mystisicationsstück vorge¬ kommen, das solche Frische, so keck gezeichnete Figuren und Situatio¬ nen hätte. Heiberg's „Prinzessin Jsabelle" wurde 1829 nach einem Stoff Lope de Vega's gedichtet; es ist ein festliches Prachtstück, aber der Feenglanz seiner Sprache überstrahlt Alles, was Malerei und Mu¬ sik für ein Drama irgend wirken können. Vor zwei Jahren gab Heiberg „Neue Gedichte" heraus und darunter befindet sich eine apo¬ kalyptische Komödie: „die Seele nach dem Tode", welche recht in's moderne Leben eingreift und mannigfache literarische und philosophi¬ sche Fragen berührt. Tief und innig ist die Himmelsdecke des Hu¬ mors über diese Dichtung ausgebreitet, uno auf ihrem nachtblauen Grunde funkelt, goldenen Sternen gleich, der strahlendste Witz. Wenn man von Heiberg spricht, darf man nicht versäumen, eines anonymen Schriftstellers zu gedenken, den er in die Literatur eingeführt hat. Die fliegende Post brachte nämlich eine Novelle: „En Hverdags-Historie — eine Alltags-Geschichte" betitelt, die durch Form und Geist ein ungemeines Aufsehen machte. Andere Erzäh¬ lungen folgten ihr, doch wie goldig auch das Lob am Angelhaken blinkte, der Autor ließ sich dadurch nicht bestimmen, aus der undurch¬ schaubaren Fluth seiner Anonymität hervorzutreten. Man rieth hin und her, man zerbrach sich den Kopf und die jungen Schöngeister, die sonst Alles wissen, kamen völlig in Verzweiflung, denn diesmal waren sie nicht im Stande, die brennende Neugier ihrer Gastfreun¬ dinnen zu stillen. Drei Bände von jenen räthselhaften, wie aus einer anderen Welt kommenden Novellen gab Heiberg heraus, und noch sieben oder acht Bände folgten ihnen »ach. An Tieck's beste Novellen mahnen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/343>, abgerufen am 23.12.2024.