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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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aber haben den Oehlenschläger jung erhalten; er sieht wie ein Fünf¬
ziger aus, obgleich er vier und sechszig Jahre zählt. Kräftig und
elastisch ist sein Körperbau, volles schwarzes Haar bedeckt sein Haupt
und aus dem Auge flammt ihm ein schöner Strahl -- der Götter,
Strahl des Genius.

Oehlenschläger hatte den Zündstoff ausgeworfen lind poetische
Blüthen loderten nun reichlich hervor, eine glühende Flora. Zunächst
stand Steen Seeufer Buch er auf, der am I j. October 1782 ge¬
boren ist. Anfangs führte er den Namen Spentrup, den er von
seinem Pfarrdorfe in Jütland entlehnte und erst später nahm er den
eigenen an. Zwar hat Bucher auch Gedichte herausgegeben, doch
in der Prosa ruht seine eigentliche Kraft. Seine Novellen sind hei¬
mathlich, ursprünglich und wahrhaft bedeutend. Wenn er Jütlands
Kreideufer malt, an denen die Wellen der Nordsee branden, -- die
öden, spärlich bewohnten Haiden und Moräste, wo sich nur hin und
wieder grasreiche Sahvanncn finden -- wenn er die armen Bewoh¬
ner zeichnet, die kraftvoll und fleißig sind, wenn er beschreibt, wie sie
unter fortdauernden Mühen und Gefahren sich ihre Nothdurft erwer¬
ben, dann steht er auf dem Gipfel des Styls, dann reißen seine
naturwahren Schilderungen den Leser hin, dann verdient er den Na-
men eines dänischen Walter Scott. Aber Bucher ist ein autochtho-
nischer Poet; die Muse hat ihm uur Jütlands Steppen zum Eigen¬
thum gegeben; sobald seine Phantasie darüber hinaustritt, irrt sie kraft-
und heimathlos durch die Lande. Charakteristisch für seine Leistungen ist
es, daß er zu den wenigen dänischen Dichtern gehört, welche nie von
Italiens Südlust umweht wurden.

So war der junge Bucher, mit dem der alte kaum eine Ähn¬
lichkeit hat. Er erinnert an Glaukos. Gleich diesem lebte er fried¬
lich an einem Gestade, das noch kein fremder Fuß betreten, dessen
Grasufer "och niemals abgemäht worden, aber dämonische Mächte
lockten ihn in die Tiefe hinab. Da wuchs ihm ein struppiger Bart
und die Schenkel gestalteten sich zu einem häßlichen Fischschwanz.
Auch Bucher hat sich hinuntergestürzt in die schmutzigsten Tiefen der
Tagesereignisse und taugt nun so wenig für die Poesie, als für den
geistlichen Stand. Er ist ganz gesunken, ganz verloren. Bor einiger
Zeit gab er ein Buch heraus und bat öffentlich, man möchte doch


aber haben den Oehlenschläger jung erhalten; er sieht wie ein Fünf¬
ziger aus, obgleich er vier und sechszig Jahre zählt. Kräftig und
elastisch ist sein Körperbau, volles schwarzes Haar bedeckt sein Haupt
und aus dem Auge flammt ihm ein schöner Strahl — der Götter,
Strahl des Genius.

Oehlenschläger hatte den Zündstoff ausgeworfen lind poetische
Blüthen loderten nun reichlich hervor, eine glühende Flora. Zunächst
stand Steen Seeufer Buch er auf, der am I j. October 1782 ge¬
boren ist. Anfangs führte er den Namen Spentrup, den er von
seinem Pfarrdorfe in Jütland entlehnte und erst später nahm er den
eigenen an. Zwar hat Bucher auch Gedichte herausgegeben, doch
in der Prosa ruht seine eigentliche Kraft. Seine Novellen sind hei¬
mathlich, ursprünglich und wahrhaft bedeutend. Wenn er Jütlands
Kreideufer malt, an denen die Wellen der Nordsee branden, — die
öden, spärlich bewohnten Haiden und Moräste, wo sich nur hin und
wieder grasreiche Sahvanncn finden — wenn er die armen Bewoh¬
ner zeichnet, die kraftvoll und fleißig sind, wenn er beschreibt, wie sie
unter fortdauernden Mühen und Gefahren sich ihre Nothdurft erwer¬
ben, dann steht er auf dem Gipfel des Styls, dann reißen seine
naturwahren Schilderungen den Leser hin, dann verdient er den Na-
men eines dänischen Walter Scott. Aber Bucher ist ein autochtho-
nischer Poet; die Muse hat ihm uur Jütlands Steppen zum Eigen¬
thum gegeben; sobald seine Phantasie darüber hinaustritt, irrt sie kraft-
und heimathlos durch die Lande. Charakteristisch für seine Leistungen ist
es, daß er zu den wenigen dänischen Dichtern gehört, welche nie von
Italiens Südlust umweht wurden.

So war der junge Bucher, mit dem der alte kaum eine Ähn¬
lichkeit hat. Er erinnert an Glaukos. Gleich diesem lebte er fried¬
lich an einem Gestade, das noch kein fremder Fuß betreten, dessen
Grasufer »och niemals abgemäht worden, aber dämonische Mächte
lockten ihn in die Tiefe hinab. Da wuchs ihm ein struppiger Bart
und die Schenkel gestalteten sich zu einem häßlichen Fischschwanz.
Auch Bucher hat sich hinuntergestürzt in die schmutzigsten Tiefen der
Tagesereignisse und taugt nun so wenig für die Poesie, als für den
geistlichen Stand. Er ist ganz gesunken, ganz verloren. Bor einiger
Zeit gab er ein Buch heraus und bat öffentlich, man möchte doch


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[0335] aber haben den Oehlenschläger jung erhalten; er sieht wie ein Fünf¬ ziger aus, obgleich er vier und sechszig Jahre zählt. Kräftig und elastisch ist sein Körperbau, volles schwarzes Haar bedeckt sein Haupt und aus dem Auge flammt ihm ein schöner Strahl — der Götter, Strahl des Genius. Oehlenschläger hatte den Zündstoff ausgeworfen lind poetische Blüthen loderten nun reichlich hervor, eine glühende Flora. Zunächst stand Steen Seeufer Buch er auf, der am I j. October 1782 ge¬ boren ist. Anfangs führte er den Namen Spentrup, den er von seinem Pfarrdorfe in Jütland entlehnte und erst später nahm er den eigenen an. Zwar hat Bucher auch Gedichte herausgegeben, doch in der Prosa ruht seine eigentliche Kraft. Seine Novellen sind hei¬ mathlich, ursprünglich und wahrhaft bedeutend. Wenn er Jütlands Kreideufer malt, an denen die Wellen der Nordsee branden, — die öden, spärlich bewohnten Haiden und Moräste, wo sich nur hin und wieder grasreiche Sahvanncn finden — wenn er die armen Bewoh¬ ner zeichnet, die kraftvoll und fleißig sind, wenn er beschreibt, wie sie unter fortdauernden Mühen und Gefahren sich ihre Nothdurft erwer¬ ben, dann steht er auf dem Gipfel des Styls, dann reißen seine naturwahren Schilderungen den Leser hin, dann verdient er den Na- men eines dänischen Walter Scott. Aber Bucher ist ein autochtho- nischer Poet; die Muse hat ihm uur Jütlands Steppen zum Eigen¬ thum gegeben; sobald seine Phantasie darüber hinaustritt, irrt sie kraft- und heimathlos durch die Lande. Charakteristisch für seine Leistungen ist es, daß er zu den wenigen dänischen Dichtern gehört, welche nie von Italiens Südlust umweht wurden. So war der junge Bucher, mit dem der alte kaum eine Ähn¬ lichkeit hat. Er erinnert an Glaukos. Gleich diesem lebte er fried¬ lich an einem Gestade, das noch kein fremder Fuß betreten, dessen Grasufer »och niemals abgemäht worden, aber dämonische Mächte lockten ihn in die Tiefe hinab. Da wuchs ihm ein struppiger Bart und die Schenkel gestalteten sich zu einem häßlichen Fischschwanz. Auch Bucher hat sich hinuntergestürzt in die schmutzigsten Tiefen der Tagesereignisse und taugt nun so wenig für die Poesie, als für den geistlichen Stand. Er ist ganz gesunken, ganz verloren. Bor einiger Zeit gab er ein Buch heraus und bat öffentlich, man möchte doch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/335>, abgerufen am 26.06.2024.