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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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ist nicht genug zu loben, daß er fast immer vaterländische Stoffe
wählte. Darum sind die Stücke so kräftig verwachsen mit der däni¬
schen Bühne, daß man sie alljährlich wieder und wieder bei vollen Häu¬
sern spielen kann. "Dina", des Dichters neuestes Trauerspiel, hat
den Grafen Uhlfeld zum Helden, den Liebling Christian IV., der
ihm seine Tochter, die schöne Eleonore, zur Gattin gab. Das Stück
ist jugendlich frisch, in den colossalen Vorzügen sowohl, als in den
colossalen Fehlern. Da tönt noch jene anmuthige Diction, da glüht
noch jene feurige Phantasie, die den Dichter stets bezeichnet haben
-- da wuchert aber auch noch jene Ueberfülle von Blumen, worum<
ter man fast ersticken muß.

Die Dänen waren entzückt, als "Dina" auf der Bühne erschien;
der Jubel wollte gar kein Ende nehmen. Die Alten sahen ihre beste
Jugendzeit noch einmal wiederkehren und die Jungen verloren das
Grauen vor dem Altwerden ... sie kamen zu der Erkenntniß, das
Genie altere nicht. So machte die Tragödie unerhörtes Glück, und
hatte Oehlenschläger auch die Kränze mit Frau Heiberg, der unver¬
gleichlichen Künstlerin, welche die "Dina" gab, zu theilen, so wuchs
des Lorbeers doch eine solche Fülle, daß er hinreichte, sie beide zu
krönen.

Schweden bleibt in der Bewunderung des Dichters hinter sei¬
nem eigenen Vaterlande nicht zurück und man erklärt dort
Oehlenschläger unumwunden für den größten lebenden Dichter. Die¬
ser Euphemismus ist vorbereitet worden durch Esaiaö Tcgn<-r und
er hat Wurzeln geschlagen in den Spalten der skandinavischen Fel¬
sen. Was dort aber einmal steht, wird so leicht von keinem Sturm¬
winde ausgerissen. Einige Zeit vor Göthe's Tode beging nämlich
die Universität Lund eine große Feierlichkeit. Oehlenschläger war
dazu eingeladen, er kam und man empfing ihn mit jenem phraseolo¬
gischen Pompe, worin die Schweden unübertrefflich sind. Tegiwr
setzte ihm öffentlich die Dichterkrone aufs Haupt, hielt ihm eine Fest¬
rede in Hcrametevn und nannte ihn:


"Erbe deö Thrones im Reiche der Dichtkunst -- der
Thron ist an Göthe."

Oehlenschläger hat seine Werke größtentheils auch deutsch verfaßt und
gehört somit unserer Literatur an; aber es ist immer gewagt, in sol¬
chem Dualismus sich behaupten zu wollen. Deutschlands Literarhi-


ist nicht genug zu loben, daß er fast immer vaterländische Stoffe
wählte. Darum sind die Stücke so kräftig verwachsen mit der däni¬
schen Bühne, daß man sie alljährlich wieder und wieder bei vollen Häu¬
sern spielen kann. „Dina", des Dichters neuestes Trauerspiel, hat
den Grafen Uhlfeld zum Helden, den Liebling Christian IV., der
ihm seine Tochter, die schöne Eleonore, zur Gattin gab. Das Stück
ist jugendlich frisch, in den colossalen Vorzügen sowohl, als in den
colossalen Fehlern. Da tönt noch jene anmuthige Diction, da glüht
noch jene feurige Phantasie, die den Dichter stets bezeichnet haben
— da wuchert aber auch noch jene Ueberfülle von Blumen, worum<
ter man fast ersticken muß.

Die Dänen waren entzückt, als „Dina" auf der Bühne erschien;
der Jubel wollte gar kein Ende nehmen. Die Alten sahen ihre beste
Jugendzeit noch einmal wiederkehren und die Jungen verloren das
Grauen vor dem Altwerden ... sie kamen zu der Erkenntniß, das
Genie altere nicht. So machte die Tragödie unerhörtes Glück, und
hatte Oehlenschläger auch die Kränze mit Frau Heiberg, der unver¬
gleichlichen Künstlerin, welche die „Dina" gab, zu theilen, so wuchs
des Lorbeers doch eine solche Fülle, daß er hinreichte, sie beide zu
krönen.

Schweden bleibt in der Bewunderung des Dichters hinter sei¬
nem eigenen Vaterlande nicht zurück und man erklärt dort
Oehlenschläger unumwunden für den größten lebenden Dichter. Die¬
ser Euphemismus ist vorbereitet worden durch Esaiaö Tcgn<-r und
er hat Wurzeln geschlagen in den Spalten der skandinavischen Fel¬
sen. Was dort aber einmal steht, wird so leicht von keinem Sturm¬
winde ausgerissen. Einige Zeit vor Göthe's Tode beging nämlich
die Universität Lund eine große Feierlichkeit. Oehlenschläger war
dazu eingeladen, er kam und man empfing ihn mit jenem phraseolo¬
gischen Pompe, worin die Schweden unübertrefflich sind. Tegiwr
setzte ihm öffentlich die Dichterkrone aufs Haupt, hielt ihm eine Fest¬
rede in Hcrametevn und nannte ihn:


„Erbe deö Thrones im Reiche der Dichtkunst — der
Thron ist an Göthe."

Oehlenschläger hat seine Werke größtentheils auch deutsch verfaßt und
gehört somit unserer Literatur an; aber es ist immer gewagt, in sol¬
chem Dualismus sich behaupten zu wollen. Deutschlands Literarhi-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/332>, abgerufen am 26.06.2024.