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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Das Burgtheater. -- Herr von Holbein. -- Halm's Sampiero und die (Zen¬
sur.-- Eine Geistergeschichte. -- Posen und Gallizien. -- Biedermcinn'6 Mo¬
natsschrift. -- Cäsario von Wolf.

Der neue Theaterintendant, Landgraf von Fürstenberg, wurde an,
2. Februar dem gesammten Personale des Hofburgthcaterö feierlich vor¬
gestellt. Herr von Holbein behält zwar seinen Titel als Theaterdircctor,
erhält jedoch nun einen obersten Herrn, den er bei Besetzung und An¬
nahme von Stücken in letzter Instanz zu Rathe ziehen muß. Der
Mann, der als unbeschränkter, selbständiger Chef an die Spitze eines
geachteten imponirenden Kunstinstitutcs berufen wurde, hat es durch
seine Aengstlichkeit und ungeschickte, übclangcwandtc Diplomatie dahin
gebracht, daß man ihm von Unten wie von Oben, unter den Schau¬
spielern wie im Publieum, die Capacität zu seinem Amte absprach.
Nun hat er einen Herrn, da er doch ein Mal durchaus Diener sein
wollte, und allgemein ist man damit zufrieden. Der Landgraf von Für-
stenberg ist ein Greis von siebzig Jahren, aber rührig und mit dem
Aussehen eines Fünfzigers. Er hielt eine hübsche warme Antrittsrede
und sagte am Schlüsse, er hoffe, die deutschen Bühnendichter würden
den ausgezeichneten Talenten des Burgthcaters Gelegenheit gebe", in
vielen neuen Stücken ihre Kraft zu entwickeln. >-- Neue Stücke thun
dem Burgtheater in der That Noth. Kotzebue und Jffland sind seit
langer Zeit sein tägliches (altbackenes) Brod. Halm'S Sampiero ist
leider nicht glücklich ausgefallen, obschon er bei der zweiten Vorstellung
bedeutende Abänderungen gemacht hat. Beim ersten Male wurde Sam¬
piero, nachdem er seine Frau erstochen, alsogleich von ihrem Bruder
niedergemacht. Dieses Gemetzel machte, statt eine tragische, eine komi¬
sche Wirkung und war theatralisch ganz unglücklich. Bei der
zweiten Aufführung ließ der Dichter seinen Helden om Leben, und
nachdem er aus Egoismus und leeren Schönrednereien seine Gattin er¬
mordet, geht der Mörder, von keiner Nemesis erreicht, ganz gemüthlich
ab, waS den nothwendigen dramatischen Schluß des Stückes ganz
vernichtet und einen empörenden Eindruck hinterläßt. Auch ist mit
einer Abänderung des Schlusses dem Drama nicht zu helfe", da die
Hauptkrankhcit desselb", in der verfehlten Charakteristik der beide" Haupt-


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Das Burgtheater. — Herr von Holbein. — Halm's Sampiero und die (Zen¬
sur.— Eine Geistergeschichte. — Posen und Gallizien. — Biedermcinn'6 Mo¬
natsschrift. — Cäsario von Wolf.

Der neue Theaterintendant, Landgraf von Fürstenberg, wurde an,
2. Februar dem gesammten Personale des Hofburgthcaterö feierlich vor¬
gestellt. Herr von Holbein behält zwar seinen Titel als Theaterdircctor,
erhält jedoch nun einen obersten Herrn, den er bei Besetzung und An¬
nahme von Stücken in letzter Instanz zu Rathe ziehen muß. Der
Mann, der als unbeschränkter, selbständiger Chef an die Spitze eines
geachteten imponirenden Kunstinstitutcs berufen wurde, hat es durch
seine Aengstlichkeit und ungeschickte, übclangcwandtc Diplomatie dahin
gebracht, daß man ihm von Unten wie von Oben, unter den Schau¬
spielern wie im Publieum, die Capacität zu seinem Amte absprach.
Nun hat er einen Herrn, da er doch ein Mal durchaus Diener sein
wollte, und allgemein ist man damit zufrieden. Der Landgraf von Für-
stenberg ist ein Greis von siebzig Jahren, aber rührig und mit dem
Aussehen eines Fünfzigers. Er hielt eine hübsche warme Antrittsrede
und sagte am Schlüsse, er hoffe, die deutschen Bühnendichter würden
den ausgezeichneten Talenten des Burgthcaters Gelegenheit gebe», in
vielen neuen Stücken ihre Kraft zu entwickeln. >— Neue Stücke thun
dem Burgtheater in der That Noth. Kotzebue und Jffland sind seit
langer Zeit sein tägliches (altbackenes) Brod. Halm'S Sampiero ist
leider nicht glücklich ausgefallen, obschon er bei der zweiten Vorstellung
bedeutende Abänderungen gemacht hat. Beim ersten Male wurde Sam¬
piero, nachdem er seine Frau erstochen, alsogleich von ihrem Bruder
niedergemacht. Dieses Gemetzel machte, statt eine tragische, eine komi¬
sche Wirkung und war theatralisch ganz unglücklich. Bei der
zweiten Aufführung ließ der Dichter seinen Helden om Leben, und
nachdem er aus Egoismus und leeren Schönrednereien seine Gattin er¬
mordet, geht der Mörder, von keiner Nemesis erreicht, ganz gemüthlich
ab, waS den nothwendigen dramatischen Schluß des Stückes ganz
vernichtet und einen empörenden Eindruck hinterläßt. Auch ist mit
einer Abänderung des Schlusses dem Drama nicht zu helfe», da die
Hauptkrankhcit desselb«, in der verfehlten Charakteristik der beide» Haupt-


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[0264] U a g e b u es. i A u ö W i e n. Das Burgtheater. — Herr von Holbein. — Halm's Sampiero und die (Zen¬ sur.— Eine Geistergeschichte. — Posen und Gallizien. — Biedermcinn'6 Mo¬ natsschrift. — Cäsario von Wolf. Der neue Theaterintendant, Landgraf von Fürstenberg, wurde an, 2. Februar dem gesammten Personale des Hofburgthcaterö feierlich vor¬ gestellt. Herr von Holbein behält zwar seinen Titel als Theaterdircctor, erhält jedoch nun einen obersten Herrn, den er bei Besetzung und An¬ nahme von Stücken in letzter Instanz zu Rathe ziehen muß. Der Mann, der als unbeschränkter, selbständiger Chef an die Spitze eines geachteten imponirenden Kunstinstitutcs berufen wurde, hat es durch seine Aengstlichkeit und ungeschickte, übclangcwandtc Diplomatie dahin gebracht, daß man ihm von Unten wie von Oben, unter den Schau¬ spielern wie im Publieum, die Capacität zu seinem Amte absprach. Nun hat er einen Herrn, da er doch ein Mal durchaus Diener sein wollte, und allgemein ist man damit zufrieden. Der Landgraf von Für- stenberg ist ein Greis von siebzig Jahren, aber rührig und mit dem Aussehen eines Fünfzigers. Er hielt eine hübsche warme Antrittsrede und sagte am Schlüsse, er hoffe, die deutschen Bühnendichter würden den ausgezeichneten Talenten des Burgthcaters Gelegenheit gebe», in vielen neuen Stücken ihre Kraft zu entwickeln. >— Neue Stücke thun dem Burgtheater in der That Noth. Kotzebue und Jffland sind seit langer Zeit sein tägliches (altbackenes) Brod. Halm'S Sampiero ist leider nicht glücklich ausgefallen, obschon er bei der zweiten Vorstellung bedeutende Abänderungen gemacht hat. Beim ersten Male wurde Sam¬ piero, nachdem er seine Frau erstochen, alsogleich von ihrem Bruder niedergemacht. Dieses Gemetzel machte, statt eine tragische, eine komi¬ sche Wirkung und war theatralisch ganz unglücklich. Bei der zweiten Aufführung ließ der Dichter seinen Helden om Leben, und nachdem er aus Egoismus und leeren Schönrednereien seine Gattin er¬ mordet, geht der Mörder, von keiner Nemesis erreicht, ganz gemüthlich ab, waS den nothwendigen dramatischen Schluß des Stückes ganz vernichtet und einen empörenden Eindruck hinterläßt. Auch ist mit einer Abänderung des Schlusses dem Drama nicht zu helfe», da die Hauptkrankhcit desselb«, in der verfehlten Charakteristik der beide» Haupt-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/264>, abgerufen am 26.06.2024.