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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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vornehme, künstlerische, gelehrte und geschäftliche Welt sich versammelte;
den ernsten, aber durch geistvolle Frauen erheiterten Kreis der Fa¬
milie von Savigny, den sehr belebten und gewählten der Generalin
von Helvig, die sehr besuchten Abende des klugen und witzigen Ge¬
heimen Staatsraths von Stägemann, dessen edle Gattin alles Schöne
und Gute in ihrer Nähe gedeihen ließ, und dessen liebenswürdige
Tochter ich von Neapel her, kannte, ferner das Haus des verständi¬
gen und ehrenfester Stadtraths Mendelssohn-Bartholdy, dessen fein¬
sinnige Gattin das Geheimniß besaß, gediegene Häuslichkeit mit ge<
sellschaftlicher Eleganz zu vereinigen, und ich könnte noch mehrere
andere Kreise nennen, die zum Theil aus den vorigen wieder als
kleinere sich absonderten. In den meisten dieser Gesellschaften horte
ich den Namen der Frau von Varnhagen mit ausgezeichneter Ach¬
tung nennen. Frau von Helvig versicherte, sie sei gleich vortrefflich
durch Güte wie durch Geist, und so unterhaltend und anregend wie
Niemand sonst! Ich hätte sie in jenen Kreisen öfters treffen sollen,
allein durch Eigensinn des Zufalls verfehlt' ich sie lange Zeit, und
es hieß, ihre leidende Gesundheit halte sie jetzt viel zu Hause, ohne
doch ihren geselligen und muntern Sinn zu stören. Herrn v. Varn¬
hagen hatte ich schon öfters gesehen und auch flüchtig gesprochen,
allein ich bekenne, daß er wenig Anziehendes für mich besaß; er
hatte etwas scharfes und Ironisches, das mir ganz mißfiel, und
durch ihn am wenigsten wünschte ich die Bekanntschaft seiner Frau zu
machen. Ich bat daher Frau von Helvig um ein paar einführende
Worte, die mir sehr gern gegeben wurden.

In der gelegenen Zeit, kurz vor dem Theater, verfügt' ich mich
in das bezeichnete Haus in der Mauerstraße, klingelte im ersten
Stock ein Mädchen heraus und sandte mein Empfehlungsblatt nebst
meiner Karte hinein. Nach einer kleinen Weile kam die Antwort
zurück, ich möchte die Dame, welche jetzt Niemanden empfangen könnte,
entschuldigen, und würde auf den spätern Abend willkommen sein.
Das Mädchen lachte, indem sie mir das bestellte, und ich fragte um
die Ursache. "O Nichts", erwiederte sie, "aber die gnädige Frau ist so
komisch, und da muß man wohl lachen!" Ein gutes Zeichen! dacht'
ich, und von der bloßen Wirkung, deren Grund ich nicht kannte,
schon etwas mit ergriffen, ging ich lachend ab. --

Am Abend war ich zeitig auf dem Platze und vernahm, Frau


vornehme, künstlerische, gelehrte und geschäftliche Welt sich versammelte;
den ernsten, aber durch geistvolle Frauen erheiterten Kreis der Fa¬
milie von Savigny, den sehr belebten und gewählten der Generalin
von Helvig, die sehr besuchten Abende des klugen und witzigen Ge¬
heimen Staatsraths von Stägemann, dessen edle Gattin alles Schöne
und Gute in ihrer Nähe gedeihen ließ, und dessen liebenswürdige
Tochter ich von Neapel her, kannte, ferner das Haus des verständi¬
gen und ehrenfester Stadtraths Mendelssohn-Bartholdy, dessen fein¬
sinnige Gattin das Geheimniß besaß, gediegene Häuslichkeit mit ge<
sellschaftlicher Eleganz zu vereinigen, und ich könnte noch mehrere
andere Kreise nennen, die zum Theil aus den vorigen wieder als
kleinere sich absonderten. In den meisten dieser Gesellschaften horte
ich den Namen der Frau von Varnhagen mit ausgezeichneter Ach¬
tung nennen. Frau von Helvig versicherte, sie sei gleich vortrefflich
durch Güte wie durch Geist, und so unterhaltend und anregend wie
Niemand sonst! Ich hätte sie in jenen Kreisen öfters treffen sollen,
allein durch Eigensinn des Zufalls verfehlt' ich sie lange Zeit, und
es hieß, ihre leidende Gesundheit halte sie jetzt viel zu Hause, ohne
doch ihren geselligen und muntern Sinn zu stören. Herrn v. Varn¬
hagen hatte ich schon öfters gesehen und auch flüchtig gesprochen,
allein ich bekenne, daß er wenig Anziehendes für mich besaß; er
hatte etwas scharfes und Ironisches, das mir ganz mißfiel, und
durch ihn am wenigsten wünschte ich die Bekanntschaft seiner Frau zu
machen. Ich bat daher Frau von Helvig um ein paar einführende
Worte, die mir sehr gern gegeben wurden.

In der gelegenen Zeit, kurz vor dem Theater, verfügt' ich mich
in das bezeichnete Haus in der Mauerstraße, klingelte im ersten
Stock ein Mädchen heraus und sandte mein Empfehlungsblatt nebst
meiner Karte hinein. Nach einer kleinen Weile kam die Antwort
zurück, ich möchte die Dame, welche jetzt Niemanden empfangen könnte,
entschuldigen, und würde auf den spätern Abend willkommen sein.
Das Mädchen lachte, indem sie mir das bestellte, und ich fragte um
die Ursache. „O Nichts", erwiederte sie, „aber die gnädige Frau ist so
komisch, und da muß man wohl lachen!" Ein gutes Zeichen! dacht'
ich, und von der bloßen Wirkung, deren Grund ich nicht kannte,
schon etwas mit ergriffen, ging ich lachend ab. —

Am Abend war ich zeitig auf dem Platze und vernahm, Frau


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[0178] vornehme, künstlerische, gelehrte und geschäftliche Welt sich versammelte; den ernsten, aber durch geistvolle Frauen erheiterten Kreis der Fa¬ milie von Savigny, den sehr belebten und gewählten der Generalin von Helvig, die sehr besuchten Abende des klugen und witzigen Ge¬ heimen Staatsraths von Stägemann, dessen edle Gattin alles Schöne und Gute in ihrer Nähe gedeihen ließ, und dessen liebenswürdige Tochter ich von Neapel her, kannte, ferner das Haus des verständi¬ gen und ehrenfester Stadtraths Mendelssohn-Bartholdy, dessen fein¬ sinnige Gattin das Geheimniß besaß, gediegene Häuslichkeit mit ge< sellschaftlicher Eleganz zu vereinigen, und ich könnte noch mehrere andere Kreise nennen, die zum Theil aus den vorigen wieder als kleinere sich absonderten. In den meisten dieser Gesellschaften horte ich den Namen der Frau von Varnhagen mit ausgezeichneter Ach¬ tung nennen. Frau von Helvig versicherte, sie sei gleich vortrefflich durch Güte wie durch Geist, und so unterhaltend und anregend wie Niemand sonst! Ich hätte sie in jenen Kreisen öfters treffen sollen, allein durch Eigensinn des Zufalls verfehlt' ich sie lange Zeit, und es hieß, ihre leidende Gesundheit halte sie jetzt viel zu Hause, ohne doch ihren geselligen und muntern Sinn zu stören. Herrn v. Varn¬ hagen hatte ich schon öfters gesehen und auch flüchtig gesprochen, allein ich bekenne, daß er wenig Anziehendes für mich besaß; er hatte etwas scharfes und Ironisches, das mir ganz mißfiel, und durch ihn am wenigsten wünschte ich die Bekanntschaft seiner Frau zu machen. Ich bat daher Frau von Helvig um ein paar einführende Worte, die mir sehr gern gegeben wurden. In der gelegenen Zeit, kurz vor dem Theater, verfügt' ich mich in das bezeichnete Haus in der Mauerstraße, klingelte im ersten Stock ein Mädchen heraus und sandte mein Empfehlungsblatt nebst meiner Karte hinein. Nach einer kleinen Weile kam die Antwort zurück, ich möchte die Dame, welche jetzt Niemanden empfangen könnte, entschuldigen, und würde auf den spätern Abend willkommen sein. Das Mädchen lachte, indem sie mir das bestellte, und ich fragte um die Ursache. „O Nichts", erwiederte sie, „aber die gnädige Frau ist so komisch, und da muß man wohl lachen!" Ein gutes Zeichen! dacht' ich, und von der bloßen Wirkung, deren Grund ich nicht kannte, schon etwas mit ergriffen, ging ich lachend ab. — Am Abend war ich zeitig auf dem Platze und vernahm, Frau

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/178>, abgerufen am 22.12.2024.