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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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-- Der Thcaterdirector Cerf in Berlin war bedenklich krank, als
im Rath der Höchsten beschlossen ward, dem geistreichen, um die He¬
bung des deutschen Dramas so verdienten Manne den rothen Adler-
orden, dritter Classe, wenn wir nicht irren, zu verleihen. Seine
Freunde brachten ihm den rothen Adler vor's Bett; sogleich trat eine
heilsame Krisis und bald darauf die Genesung ein. (5'in Orden ist
manchmal doch was werth und kann in Auönahmsfcillen sogar Wun¬
der wirken; nur gehört freilich ein kindlicher Glaube dazu.

-- Friedrich's des großen Werke werden endlich auf Staatsunko¬
sten gedruckt, aber nicht, wie man anfangs glaubte, um in den Buch¬
handel und durch billigen Preis in das Publicum zu kommen, sondern
als Hofmanuscript für den König; zweihundert Prachtexemplare, mel¬
det die Deutsche Allgemeine, sollen abgezogen werden. Gewiß wird der
König an Freunde und verdiente Männer Exemplare verschenken, statt
der Krönungsmedaillcn und Ordensbändchcn. Der Einfall wäre nicht
schlecht. Aber warum nicht lieber ganz an die Oeffentlichkeit? Ist
Friedrich der Große so gefährlich? Fürchtet man, er würde nicht genug
populär werden oder die Oeffentlichkeit nicht vertragen können?

Vermischte Nachrichten. Sir Hudson Löwe, Napoleons
Kerkermeister auf Se. Helena, ist, 73 Jahr alt, gestorben, hinterläßt
Memoiren und entschuldigt sich mit den Instructionen, die er gegen
den Kaiser von den Tories erhalten. -- Der Herzog von Angoulömc
leidet, wie Napoleon, am Magenkrebs. Der Herzog von Bordeaux,
der Erbe seiner Ansprüche, wäre geneigt, sich mit den Republikanern
in Frankreich zu verbünden. Daher die Furcht Louis Philippe'S vor
d-n Legitimisten. -- Rußland geht mit dem Plane um, alle katholi¬
schen Kirchengüter und Stiftungen in Polen und Lithauen zu confis-
circn; die katholischen Geistlichen sollen dann vom Staat besoldet, also
ganz vom Kaiser von Nußland abhängig sein. Da dieser auch Ober¬
haupt der griechischen Kirche ist, so wäre das eben so Viel, als würden
die protestantischen Geistlichen in Ungarn vom Papst besoldet. -- Der
Bürgerkrieg in Spanien wird nun hoffentlich zu Ende gehen, da der
König von Neapel bereit ist, die jetzige Regierung anzuerkennen und
bereits um die Erlaubniß der Großmächte zu diesem Schritt nachgesucht
hat. Isabella ist ein gutes Kind und will, wie der Londoner 5fiunch
versichert, decretiren, daß zur Bequemlichkeit ihrer Unterthanen wöchent¬
lich ein Ministcrwechsel stattfinden und alle Sonn- und Feiertage keine
Regierung sein soll. Das wird ein lustiger Karneval! ---




Verlag von Fr. Ludw. Herbig. -- Redacteur I. Knranda.
Druck von Friedrich Andrä.

— Der Thcaterdirector Cerf in Berlin war bedenklich krank, als
im Rath der Höchsten beschlossen ward, dem geistreichen, um die He¬
bung des deutschen Dramas so verdienten Manne den rothen Adler-
orden, dritter Classe, wenn wir nicht irren, zu verleihen. Seine
Freunde brachten ihm den rothen Adler vor's Bett; sogleich trat eine
heilsame Krisis und bald darauf die Genesung ein. (5'in Orden ist
manchmal doch was werth und kann in Auönahmsfcillen sogar Wun¬
der wirken; nur gehört freilich ein kindlicher Glaube dazu.

— Friedrich's des großen Werke werden endlich auf Staatsunko¬
sten gedruckt, aber nicht, wie man anfangs glaubte, um in den Buch¬
handel und durch billigen Preis in das Publicum zu kommen, sondern
als Hofmanuscript für den König; zweihundert Prachtexemplare, mel¬
det die Deutsche Allgemeine, sollen abgezogen werden. Gewiß wird der
König an Freunde und verdiente Männer Exemplare verschenken, statt
der Krönungsmedaillcn und Ordensbändchcn. Der Einfall wäre nicht
schlecht. Aber warum nicht lieber ganz an die Oeffentlichkeit? Ist
Friedrich der Große so gefährlich? Fürchtet man, er würde nicht genug
populär werden oder die Oeffentlichkeit nicht vertragen können?

Vermischte Nachrichten. Sir Hudson Löwe, Napoleons
Kerkermeister auf Se. Helena, ist, 73 Jahr alt, gestorben, hinterläßt
Memoiren und entschuldigt sich mit den Instructionen, die er gegen
den Kaiser von den Tories erhalten. — Der Herzog von Angoulömc
leidet, wie Napoleon, am Magenkrebs. Der Herzog von Bordeaux,
der Erbe seiner Ansprüche, wäre geneigt, sich mit den Republikanern
in Frankreich zu verbünden. Daher die Furcht Louis Philippe'S vor
d-n Legitimisten. — Rußland geht mit dem Plane um, alle katholi¬
schen Kirchengüter und Stiftungen in Polen und Lithauen zu confis-
circn; die katholischen Geistlichen sollen dann vom Staat besoldet, also
ganz vom Kaiser von Nußland abhängig sein. Da dieser auch Ober¬
haupt der griechischen Kirche ist, so wäre das eben so Viel, als würden
die protestantischen Geistlichen in Ungarn vom Papst besoldet. — Der
Bürgerkrieg in Spanien wird nun hoffentlich zu Ende gehen, da der
König von Neapel bereit ist, die jetzige Regierung anzuerkennen und
bereits um die Erlaubniß der Großmächte zu diesem Schritt nachgesucht
hat. Isabella ist ein gutes Kind und will, wie der Londoner 5fiunch
versichert, decretiren, daß zur Bequemlichkeit ihrer Unterthanen wöchent¬
lich ein Ministcrwechsel stattfinden und alle Sonn- und Feiertage keine
Regierung sein soll. Das wird ein lustiger Karneval! —-




Verlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur I. Knranda.
Druck von Friedrich Andrä.
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[0176] — Der Thcaterdirector Cerf in Berlin war bedenklich krank, als im Rath der Höchsten beschlossen ward, dem geistreichen, um die He¬ bung des deutschen Dramas so verdienten Manne den rothen Adler- orden, dritter Classe, wenn wir nicht irren, zu verleihen. Seine Freunde brachten ihm den rothen Adler vor's Bett; sogleich trat eine heilsame Krisis und bald darauf die Genesung ein. (5'in Orden ist manchmal doch was werth und kann in Auönahmsfcillen sogar Wun¬ der wirken; nur gehört freilich ein kindlicher Glaube dazu. — Friedrich's des großen Werke werden endlich auf Staatsunko¬ sten gedruckt, aber nicht, wie man anfangs glaubte, um in den Buch¬ handel und durch billigen Preis in das Publicum zu kommen, sondern als Hofmanuscript für den König; zweihundert Prachtexemplare, mel¬ det die Deutsche Allgemeine, sollen abgezogen werden. Gewiß wird der König an Freunde und verdiente Männer Exemplare verschenken, statt der Krönungsmedaillcn und Ordensbändchcn. Der Einfall wäre nicht schlecht. Aber warum nicht lieber ganz an die Oeffentlichkeit? Ist Friedrich der Große so gefährlich? Fürchtet man, er würde nicht genug populär werden oder die Oeffentlichkeit nicht vertragen können? Vermischte Nachrichten. Sir Hudson Löwe, Napoleons Kerkermeister auf Se. Helena, ist, 73 Jahr alt, gestorben, hinterläßt Memoiren und entschuldigt sich mit den Instructionen, die er gegen den Kaiser von den Tories erhalten. — Der Herzog von Angoulömc leidet, wie Napoleon, am Magenkrebs. Der Herzog von Bordeaux, der Erbe seiner Ansprüche, wäre geneigt, sich mit den Republikanern in Frankreich zu verbünden. Daher die Furcht Louis Philippe'S vor d-n Legitimisten. — Rußland geht mit dem Plane um, alle katholi¬ schen Kirchengüter und Stiftungen in Polen und Lithauen zu confis- circn; die katholischen Geistlichen sollen dann vom Staat besoldet, also ganz vom Kaiser von Nußland abhängig sein. Da dieser auch Ober¬ haupt der griechischen Kirche ist, so wäre das eben so Viel, als würden die protestantischen Geistlichen in Ungarn vom Papst besoldet. — Der Bürgerkrieg in Spanien wird nun hoffentlich zu Ende gehen, da der König von Neapel bereit ist, die jetzige Regierung anzuerkennen und bereits um die Erlaubniß der Großmächte zu diesem Schritt nachgesucht hat. Isabella ist ein gutes Kind und will, wie der Londoner 5fiunch versichert, decretiren, daß zur Bequemlichkeit ihrer Unterthanen wöchent¬ lich ein Ministcrwechsel stattfinden und alle Sonn- und Feiertage keine Regierung sein soll. Das wird ein lustiger Karneval! —- Verlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur I. Knranda. Druck von Friedrich Andrä.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/176>, abgerufen am 29.06.2024.