noch nicht auf den Gedanken gekommen sind, in ihrer Vergangenheit zu wühlen, um ihre Gegenwart und Zukunft dadurch zu fördern und zu unterstützen? Was in dieser Beziehung von Jost, von dem Ver-l fasscr der "Juden in Oesterreich" und in sonstigen Monographien ge¬ schehen ist, verdient gewiß Lob, aber es sind doch immer nur einzelne Bestrebungen, denen überdies nur spärliche Quellen zu Gebote stan¬ den. Warum trachtet man nicht, diese Quellen reichlicher auszugraben? In Prag z. B,, wo der Jesuit Schalter nachgewiesen, daß die Juden zugleich mit den Slaven, wo nicht noch früher, eingewandert sind, in Prag, wo der uralte jüdische Gottesacker mit seineu Tausenden von Grabsteinen und ihren wunderlichen Hieroglyphen die Phantasie aller Geschichtsforscher reizt, wo die sogenannte ,, Alt-Neusynagoge ^, eines der ältesten Denkmäler christlicher Architektur, auf ihrem finstern ungeheuren Dachboden ganze Stoße von alten undurchsuchrcu Perga¬ menten birgt, welche wichtige und interessante Entdeckungen wären nicht da zu machen, wenn die Gebildeten in dieser alten Gemeinde aus ihrer unverzeihlicher Indolenz sich aufrichten möchte", um zu einem qcschichts - und alterthumsforschcndcn Vereine zusammenzutreten? Sonderbar, die Juden haben in neuester Zeit auf allen Feldern des Gedankens sich rüstig getummelt und der deutschen Wissenschaft und Kunst viele ausgezeichnete Talente zugeführt. Nur die Geschichte ist ihnen ein verschlossenes Feld geblieben, und vergebens würde man sich nach irgend einem bedeutenden Geschichtswerke umsehen, das einen Juden zum Verfasser hätte. Dieses ist nicht etwa eine blos zufällige Erscheinung; vielmehr ist der Maugel an historischem Sinn den Juden aller Zeiten nachzuweisen.
-- Seit dem Neujahr hat die Angövurgcr Allgemeine Zeitung ihre Beilage definitiv von dem Hauptblatte getrennt, und sie auch darin selbständig organisirt, daß sie ihr ein eigenes Inhaltsverzeichniß an die Spitze setzte. Die Beilage will offenbar Das erstrebe", was die englischen und französischen Revüen erzielen, und wir glauben, sie ist darin glücklicher, als die deutsche Vierteljahrsschrift. Einer der besten Artikel, die sie in diesem Jahre bereits brachte, ist die Charakteristik Klinger's; die Parallele zwischen den Bestrebungen der jungen Li" teratur im vorigen Jahrhundert und denen unserer gegenwärtigen trifft den Nagel auf den Kopf. -- Die Redaction der Augsburger Allgem. Ztg. trug sich vor einiger Zeit mit dem Plane, vierteljährig oder mo¬ natlich einen Band in 8. zu publiciren, der stets über 2V Bogen und darin solche Aufsätze enthalten sollte, welche Censur und sonstige Rücksichten von der Zeitung ausscheiden. Auf diese Weise hätte die Redaction eine große Masse trefflichen Materials, welche sie jetzt unbe¬ nutzt lassen muß, dem Publicum übermitteln können. Der Plan war vortrefflich; waS ist aus ihm geworden?
noch nicht auf den Gedanken gekommen sind, in ihrer Vergangenheit zu wühlen, um ihre Gegenwart und Zukunft dadurch zu fördern und zu unterstützen? Was in dieser Beziehung von Jost, von dem Ver-l fasscr der „Juden in Oesterreich" und in sonstigen Monographien ge¬ schehen ist, verdient gewiß Lob, aber es sind doch immer nur einzelne Bestrebungen, denen überdies nur spärliche Quellen zu Gebote stan¬ den. Warum trachtet man nicht, diese Quellen reichlicher auszugraben? In Prag z. B,, wo der Jesuit Schalter nachgewiesen, daß die Juden zugleich mit den Slaven, wo nicht noch früher, eingewandert sind, in Prag, wo der uralte jüdische Gottesacker mit seineu Tausenden von Grabsteinen und ihren wunderlichen Hieroglyphen die Phantasie aller Geschichtsforscher reizt, wo die sogenannte ,, Alt-Neusynagoge ^, eines der ältesten Denkmäler christlicher Architektur, auf ihrem finstern ungeheuren Dachboden ganze Stoße von alten undurchsuchrcu Perga¬ menten birgt, welche wichtige und interessante Entdeckungen wären nicht da zu machen, wenn die Gebildeten in dieser alten Gemeinde aus ihrer unverzeihlicher Indolenz sich aufrichten möchte», um zu einem qcschichts - und alterthumsforschcndcn Vereine zusammenzutreten? Sonderbar, die Juden haben in neuester Zeit auf allen Feldern des Gedankens sich rüstig getummelt und der deutschen Wissenschaft und Kunst viele ausgezeichnete Talente zugeführt. Nur die Geschichte ist ihnen ein verschlossenes Feld geblieben, und vergebens würde man sich nach irgend einem bedeutenden Geschichtswerke umsehen, das einen Juden zum Verfasser hätte. Dieses ist nicht etwa eine blos zufällige Erscheinung; vielmehr ist der Maugel an historischem Sinn den Juden aller Zeiten nachzuweisen.
— Seit dem Neujahr hat die Angövurgcr Allgemeine Zeitung ihre Beilage definitiv von dem Hauptblatte getrennt, und sie auch darin selbständig organisirt, daß sie ihr ein eigenes Inhaltsverzeichniß an die Spitze setzte. Die Beilage will offenbar Das erstrebe», was die englischen und französischen Revüen erzielen, und wir glauben, sie ist darin glücklicher, als die deutsche Vierteljahrsschrift. Einer der besten Artikel, die sie in diesem Jahre bereits brachte, ist die Charakteristik Klinger's; die Parallele zwischen den Bestrebungen der jungen Li» teratur im vorigen Jahrhundert und denen unserer gegenwärtigen trifft den Nagel auf den Kopf. — Die Redaction der Augsburger Allgem. Ztg. trug sich vor einiger Zeit mit dem Plane, vierteljährig oder mo¬ natlich einen Band in 8. zu publiciren, der stets über 2V Bogen und darin solche Aufsätze enthalten sollte, welche Censur und sonstige Rücksichten von der Zeitung ausscheiden. Auf diese Weise hätte die Redaction eine große Masse trefflichen Materials, welche sie jetzt unbe¬ nutzt lassen muß, dem Publicum übermitteln können. Der Plan war vortrefflich; waS ist aus ihm geworden?
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zu wühlen, um ihre Gegenwart und Zukunft dadurch zu fördern und
zu unterstützen? Was in dieser Beziehung von Jost, von dem Ver-l
fasscr der „Juden in Oesterreich" und in sonstigen Monographien ge¬
schehen ist, verdient gewiß Lob, aber es sind doch immer nur einzelne
Bestrebungen, denen überdies nur spärliche Quellen zu Gebote stan¬
den. Warum trachtet man nicht, diese Quellen reichlicher auszugraben?
In Prag z. B,, wo der Jesuit Schalter nachgewiesen, daß die Juden
zugleich mit den Slaven, wo nicht noch früher, eingewandert sind,
in Prag, wo der uralte jüdische Gottesacker mit seineu Tausenden von
Grabsteinen und ihren wunderlichen Hieroglyphen die Phantasie aller
Geschichtsforscher reizt, wo die sogenannte ,, Alt-Neusynagoge ^, eines
der ältesten Denkmäler christlicher Architektur, auf ihrem finstern
ungeheuren Dachboden ganze Stoße von alten undurchsuchrcu Perga¬
menten birgt, welche wichtige und interessante Entdeckungen wären
nicht da zu machen, wenn die Gebildeten in dieser alten Gemeinde aus
ihrer unverzeihlicher Indolenz sich aufrichten möchte», um zu einem
qcschichts - und alterthumsforschcndcn Vereine zusammenzutreten?
Sonderbar, die Juden haben in neuester Zeit auf allen Feldern des
Gedankens sich rüstig getummelt und der deutschen Wissenschaft und
Kunst viele ausgezeichnete Talente zugeführt. Nur die Geschichte ist
ihnen ein verschlossenes Feld geblieben, und vergebens würde man sich
nach irgend einem bedeutenden Geschichtswerke umsehen, das einen
Juden zum Verfasser hätte. Dieses ist nicht etwa eine blos zufällige
Erscheinung; vielmehr ist der Maugel an historischem Sinn den Juden
aller Zeiten nachzuweisen.
— Seit dem Neujahr hat die Angövurgcr Allgemeine Zeitung ihre
Beilage definitiv von dem Hauptblatte getrennt, und sie auch darin
selbständig organisirt, daß sie ihr ein eigenes Inhaltsverzeichniß an
die Spitze setzte. Die Beilage will offenbar Das erstrebe», was die
englischen und französischen Revüen erzielen, und wir glauben, sie ist
darin glücklicher, als die deutsche Vierteljahrsschrift. Einer der besten
Artikel, die sie in diesem Jahre bereits brachte, ist die Charakteristik
Klinger's; die Parallele zwischen den Bestrebungen der jungen Li»
teratur im vorigen Jahrhundert und denen unserer gegenwärtigen trifft
den Nagel auf den Kopf. — Die Redaction der Augsburger Allgem.
Ztg. trug sich vor einiger Zeit mit dem Plane, vierteljährig oder mo¬
natlich einen Band in 8. zu publiciren, der stets über 2V Bogen
und darin solche Aufsätze enthalten sollte, welche Censur und sonstige
Rücksichten von der Zeitung ausscheiden. Auf diese Weise hätte die
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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/172>, abgerufen am 22.12.2024.
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