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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Presse am härtesten binden, während rings um sie her die czechischen
Journale sogar sie überflügeln. -- Während man einerseits vor den
Angriffen der Panslavisten sich ängstigt, verstopft man andererseits die
Organe, dnrch die deutsche Bildung die sichersten und weitesten Erobe¬
rungen machen konnte. In ganz Böhmen, d. h. in einem Lande von
mehr als zwei Millionen Einwohner, von denen bei weitem zwei
Dritttheile der deutschen Sprache mächtig sind, erscheint chi einziges
politisches Blatt, -- und welche Politik! -- die Präger Zeitung, und
diese nur vier Mal die Woche. Neben ihr erscheinen noch vier belle¬
tristische Zeitschriften. Die Bohemia, Glasers Ost und West, daS
Panorama des Universums und die Erinnerungen, so daß die ganze
Populäre Journal-Literatur eines großen, an Intelligenz und Bildung
reichen Landes, fünf Mann hoch, die Wache bezieht. Fünf Mann
niedrig, sollte man eigentlich sagen; von hoch ist hier nicht die Rede.
Nicht etwa, daß es an dem guten Willen der Herausgeber fehlte, ihre
Journale zu einer gewisse" Höhe zu bringen, vielmehr scheut die thä¬
tige haasischc Buchhandlung weder Kosten noch Mühe, die in ihren,
Verlage erscheinenden drei Blätter so anständig als möglich auszustat¬
ten. Die Bohemia ist im Vergleich mit andern ähnlichen, einer po¬
litischen Zeitung beiliegenden Unterhaltungsblättern, ein sehr rühmens-
wcrthcs Blatt zu nennen. Es nährt sich keineswegs, wie die Frank¬
furter Didaökalia, wie daS Dampfboot und ähnliche Zeitschriften, vom
Nachdruck, vielmehr sind alle ihre Artikel Original, und so weit das
Talent der einheimischen Schriftsteller ausreicht und die gcdankcn-
mördcrischc Censur nicht eingreift, frisch und rüstig'). -- Glaser's
Ost und West ist auch in Deutschland hinlänglich bekannt und gele¬
sen, und es ist wahrhaft bewundernswerth, wie unter den mißlichen
Verhältnissen, mit denen ein Prager Blatt zu kämpfen hat, eS dem
Redacteur gelingt, eine so reiche Masse von Material in seinem Blatte
zu hciufcu. Die Grundtendenz dieser Zeitschrift, eine Vermittlung des
slavischen Osten mit dem deutschen Westen zu bewerkstelligen, ist zwar mehr
in dem Bereiche eines wissenschaftlichen Organs, denn eines belletristi¬
schen, indessen wäre bei einer freieren Bewegung selbst gegenüber einem
großen Publicum manches Erfolgreiche zu leisten möglich. Herr Gla¬
ser, der Seriptor an der Universitätsbibliothek ist, seine beste Kraft
aber seinem Blatte widmet, sieht sich nichtsdestoweniger auf allen Sei¬
ten behindert, und so ist dieses Organ, in welchem der Streit zwischen
Deutsch und Czc'chisch eine schöne Vermittlung haben könnte, in seinem
besten Wollen gelähmt. Daß es in Böhmen keineswegs an reger
Theilnahme für deutsche Literatur fehlt, daS beweisen die zahl- und



*) Der Redacteur der Bohemia ist Herr Dr. Bernhard Gutt, ein Pots¬
damer. Er schreibt auch regelmäßig die Theaterkritiken über die Präger
Bühne) die durch Scharfsinn und Unparteilichkeit sich auszeichnen.

Presse am härtesten binden, während rings um sie her die czechischen
Journale sogar sie überflügeln. — Während man einerseits vor den
Angriffen der Panslavisten sich ängstigt, verstopft man andererseits die
Organe, dnrch die deutsche Bildung die sichersten und weitesten Erobe¬
rungen machen konnte. In ganz Böhmen, d. h. in einem Lande von
mehr als zwei Millionen Einwohner, von denen bei weitem zwei
Dritttheile der deutschen Sprache mächtig sind, erscheint chi einziges
politisches Blatt, — und welche Politik! — die Präger Zeitung, und
diese nur vier Mal die Woche. Neben ihr erscheinen noch vier belle¬
tristische Zeitschriften. Die Bohemia, Glasers Ost und West, daS
Panorama des Universums und die Erinnerungen, so daß die ganze
Populäre Journal-Literatur eines großen, an Intelligenz und Bildung
reichen Landes, fünf Mann hoch, die Wache bezieht. Fünf Mann
niedrig, sollte man eigentlich sagen; von hoch ist hier nicht die Rede.
Nicht etwa, daß es an dem guten Willen der Herausgeber fehlte, ihre
Journale zu einer gewisse» Höhe zu bringen, vielmehr scheut die thä¬
tige haasischc Buchhandlung weder Kosten noch Mühe, die in ihren,
Verlage erscheinenden drei Blätter so anständig als möglich auszustat¬
ten. Die Bohemia ist im Vergleich mit andern ähnlichen, einer po¬
litischen Zeitung beiliegenden Unterhaltungsblättern, ein sehr rühmens-
wcrthcs Blatt zu nennen. Es nährt sich keineswegs, wie die Frank¬
furter Didaökalia, wie daS Dampfboot und ähnliche Zeitschriften, vom
Nachdruck, vielmehr sind alle ihre Artikel Original, und so weit das
Talent der einheimischen Schriftsteller ausreicht und die gcdankcn-
mördcrischc Censur nicht eingreift, frisch und rüstig'). — Glaser's
Ost und West ist auch in Deutschland hinlänglich bekannt und gele¬
sen, und es ist wahrhaft bewundernswerth, wie unter den mißlichen
Verhältnissen, mit denen ein Prager Blatt zu kämpfen hat, eS dem
Redacteur gelingt, eine so reiche Masse von Material in seinem Blatte
zu hciufcu. Die Grundtendenz dieser Zeitschrift, eine Vermittlung des
slavischen Osten mit dem deutschen Westen zu bewerkstelligen, ist zwar mehr
in dem Bereiche eines wissenschaftlichen Organs, denn eines belletristi¬
schen, indessen wäre bei einer freieren Bewegung selbst gegenüber einem
großen Publicum manches Erfolgreiche zu leisten möglich. Herr Gla¬
ser, der Seriptor an der Universitätsbibliothek ist, seine beste Kraft
aber seinem Blatte widmet, sieht sich nichtsdestoweniger auf allen Sei¬
ten behindert, und so ist dieses Organ, in welchem der Streit zwischen
Deutsch und Czc'chisch eine schöne Vermittlung haben könnte, in seinem
besten Wollen gelähmt. Daß es in Böhmen keineswegs an reger
Theilnahme für deutsche Literatur fehlt, daS beweisen die zahl- und



*) Der Redacteur der Bohemia ist Herr Dr. Bernhard Gutt, ein Pots¬
damer. Er schreibt auch regelmäßig die Theaterkritiken über die Präger
Bühne) die durch Scharfsinn und Unparteilichkeit sich auszeichnen.
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[0170] Presse am härtesten binden, während rings um sie her die czechischen Journale sogar sie überflügeln. — Während man einerseits vor den Angriffen der Panslavisten sich ängstigt, verstopft man andererseits die Organe, dnrch die deutsche Bildung die sichersten und weitesten Erobe¬ rungen machen konnte. In ganz Böhmen, d. h. in einem Lande von mehr als zwei Millionen Einwohner, von denen bei weitem zwei Dritttheile der deutschen Sprache mächtig sind, erscheint chi einziges politisches Blatt, — und welche Politik! — die Präger Zeitung, und diese nur vier Mal die Woche. Neben ihr erscheinen noch vier belle¬ tristische Zeitschriften. Die Bohemia, Glasers Ost und West, daS Panorama des Universums und die Erinnerungen, so daß die ganze Populäre Journal-Literatur eines großen, an Intelligenz und Bildung reichen Landes, fünf Mann hoch, die Wache bezieht. Fünf Mann niedrig, sollte man eigentlich sagen; von hoch ist hier nicht die Rede. Nicht etwa, daß es an dem guten Willen der Herausgeber fehlte, ihre Journale zu einer gewisse» Höhe zu bringen, vielmehr scheut die thä¬ tige haasischc Buchhandlung weder Kosten noch Mühe, die in ihren, Verlage erscheinenden drei Blätter so anständig als möglich auszustat¬ ten. Die Bohemia ist im Vergleich mit andern ähnlichen, einer po¬ litischen Zeitung beiliegenden Unterhaltungsblättern, ein sehr rühmens- wcrthcs Blatt zu nennen. Es nährt sich keineswegs, wie die Frank¬ furter Didaökalia, wie daS Dampfboot und ähnliche Zeitschriften, vom Nachdruck, vielmehr sind alle ihre Artikel Original, und so weit das Talent der einheimischen Schriftsteller ausreicht und die gcdankcn- mördcrischc Censur nicht eingreift, frisch und rüstig'). — Glaser's Ost und West ist auch in Deutschland hinlänglich bekannt und gele¬ sen, und es ist wahrhaft bewundernswerth, wie unter den mißlichen Verhältnissen, mit denen ein Prager Blatt zu kämpfen hat, eS dem Redacteur gelingt, eine so reiche Masse von Material in seinem Blatte zu hciufcu. Die Grundtendenz dieser Zeitschrift, eine Vermittlung des slavischen Osten mit dem deutschen Westen zu bewerkstelligen, ist zwar mehr in dem Bereiche eines wissenschaftlichen Organs, denn eines belletristi¬ schen, indessen wäre bei einer freieren Bewegung selbst gegenüber einem großen Publicum manches Erfolgreiche zu leisten möglich. Herr Gla¬ ser, der Seriptor an der Universitätsbibliothek ist, seine beste Kraft aber seinem Blatte widmet, sieht sich nichtsdestoweniger auf allen Sei¬ ten behindert, und so ist dieses Organ, in welchem der Streit zwischen Deutsch und Czc'chisch eine schöne Vermittlung haben könnte, in seinem besten Wollen gelähmt. Daß es in Böhmen keineswegs an reger Theilnahme für deutsche Literatur fehlt, daS beweisen die zahl- und *) Der Redacteur der Bohemia ist Herr Dr. Bernhard Gutt, ein Pots¬ damer. Er schreibt auch regelmäßig die Theaterkritiken über die Präger Bühne) die durch Scharfsinn und Unparteilichkeit sich auszeichnen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/170>, abgerufen am 22.12.2024.