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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Umgeben von dieser malerischen Unordnung, saßen Maler-
Haudegen vor ihren Staffeleim, Generäle, Oberste und Haupt¬
leute auf Halbsold, bemüht, die Schlachten zu malen, die sie gefoch¬
ten hatten, und machten, da sie auf dem Schlachtfelde keine Feinde
mehr todten konnten, sich das Vergnügen, sie wenigstens auf der
Leinewand niederzuhauen; junge Offiziere, gelangweilt von der Ein¬
förmigkeit des Garnisonslebens, Zerstreuung suchend in dilettantischer
Beschäftigung; und endlich eine Schaar schlachtenlustiger Schüler, be¬
müht, den Fußtapfen ihres Meisters zu folgen und sich in einem
Kunstfach auszuzeichnen, welches damals alleinherrschend war.

Dazu kommen noch die Gäste, Kenner und Freunde, welche von
Staffelet zu Staffelei gehen, eine Stellung, einen Effect, eine Com-
Position kritisiren.

So bevölkert, sieht das Atelier oft zugleich wie ein Studicnsaal,
eine Kaserne und ein Fechtboden aus. Während die Einen sich stumm
in die Abbildung eines Grenadiers der alten Garde, eines BiwachtS
oder eines Scharmützels vertiefen, singen Andere, daß die Fenster
klingen, ein Lied Beranger'S; Jene schlagen den Sturmmarsch, diese
blasen eine Fanfare oder üben sich in den Waffen., Etwas wei"
ter hinten stehen Zwei in Hemdärmeln, die Cigarre im Mund,
eine Palette in der linken, ein Fleuret in der rechten Hand, zur
großen Zufriedenheit der sie umgebenden Kampfrichter und Zeugen,
brillante Stöße führend.

Inmitten dieses bunten Gewühles bewegt sich ein Mann von
ungefähr dreißig Jahren, nicht groß, aber kräftig und gewandt, mit
feurigem Auge, lebhaften Bewegungen und offenen, männlichen und
entschlossenen Zügen. Er trug damals wohl noch nicht den gewal¬
tigen Schnurrbart, der jetzt seine Oberlippe ziert, aber er hatte schon
in seinem ganzen Wesen jene Physiognomie des französischen Offi¬
ziers, die er so sehr liebt, und die bei ihm so stark ausgesprochen
ist, daß man bei seinem Anblicke schwören möchte, er habe sein gan¬
zes Leben auf dem Schlachtfelde zugebracht.

Dieser Mann mit dem soldatischen Anstrich, welcher, während
er die Arbeiten seiner Schüler beaufsichtigt, hier eine Contour, dort
einen Farbenton ausbessere, das Fleuret besser zu führen weiß, als
jeder Andere, der die Trommel so fertig rührt, wie er die Trompete
bläst, ist der Herr des Hauses, Ilm^o Vorovt, dessen Name schon


Umgeben von dieser malerischen Unordnung, saßen Maler-
Haudegen vor ihren Staffeleim, Generäle, Oberste und Haupt¬
leute auf Halbsold, bemüht, die Schlachten zu malen, die sie gefoch¬
ten hatten, und machten, da sie auf dem Schlachtfelde keine Feinde
mehr todten konnten, sich das Vergnügen, sie wenigstens auf der
Leinewand niederzuhauen; junge Offiziere, gelangweilt von der Ein¬
förmigkeit des Garnisonslebens, Zerstreuung suchend in dilettantischer
Beschäftigung; und endlich eine Schaar schlachtenlustiger Schüler, be¬
müht, den Fußtapfen ihres Meisters zu folgen und sich in einem
Kunstfach auszuzeichnen, welches damals alleinherrschend war.

Dazu kommen noch die Gäste, Kenner und Freunde, welche von
Staffelet zu Staffelei gehen, eine Stellung, einen Effect, eine Com-
Position kritisiren.

So bevölkert, sieht das Atelier oft zugleich wie ein Studicnsaal,
eine Kaserne und ein Fechtboden aus. Während die Einen sich stumm
in die Abbildung eines Grenadiers der alten Garde, eines BiwachtS
oder eines Scharmützels vertiefen, singen Andere, daß die Fenster
klingen, ein Lied Beranger'S; Jene schlagen den Sturmmarsch, diese
blasen eine Fanfare oder üben sich in den Waffen., Etwas wei»
ter hinten stehen Zwei in Hemdärmeln, die Cigarre im Mund,
eine Palette in der linken, ein Fleuret in der rechten Hand, zur
großen Zufriedenheit der sie umgebenden Kampfrichter und Zeugen,
brillante Stöße führend.

Inmitten dieses bunten Gewühles bewegt sich ein Mann von
ungefähr dreißig Jahren, nicht groß, aber kräftig und gewandt, mit
feurigem Auge, lebhaften Bewegungen und offenen, männlichen und
entschlossenen Zügen. Er trug damals wohl noch nicht den gewal¬
tigen Schnurrbart, der jetzt seine Oberlippe ziert, aber er hatte schon
in seinem ganzen Wesen jene Physiognomie des französischen Offi¬
ziers, die er so sehr liebt, und die bei ihm so stark ausgesprochen
ist, daß man bei seinem Anblicke schwören möchte, er habe sein gan¬
zes Leben auf dem Schlachtfelde zugebracht.

Dieser Mann mit dem soldatischen Anstrich, welcher, während
er die Arbeiten seiner Schüler beaufsichtigt, hier eine Contour, dort
einen Farbenton ausbessere, das Fleuret besser zu führen weiß, als
jeder Andere, der die Trommel so fertig rührt, wie er die Trompete
bläst, ist der Herr des Hauses, Ilm^o Vorovt, dessen Name schon


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[0139] Umgeben von dieser malerischen Unordnung, saßen Maler- Haudegen vor ihren Staffeleim, Generäle, Oberste und Haupt¬ leute auf Halbsold, bemüht, die Schlachten zu malen, die sie gefoch¬ ten hatten, und machten, da sie auf dem Schlachtfelde keine Feinde mehr todten konnten, sich das Vergnügen, sie wenigstens auf der Leinewand niederzuhauen; junge Offiziere, gelangweilt von der Ein¬ förmigkeit des Garnisonslebens, Zerstreuung suchend in dilettantischer Beschäftigung; und endlich eine Schaar schlachtenlustiger Schüler, be¬ müht, den Fußtapfen ihres Meisters zu folgen und sich in einem Kunstfach auszuzeichnen, welches damals alleinherrschend war. Dazu kommen noch die Gäste, Kenner und Freunde, welche von Staffelet zu Staffelei gehen, eine Stellung, einen Effect, eine Com- Position kritisiren. So bevölkert, sieht das Atelier oft zugleich wie ein Studicnsaal, eine Kaserne und ein Fechtboden aus. Während die Einen sich stumm in die Abbildung eines Grenadiers der alten Garde, eines BiwachtS oder eines Scharmützels vertiefen, singen Andere, daß die Fenster klingen, ein Lied Beranger'S; Jene schlagen den Sturmmarsch, diese blasen eine Fanfare oder üben sich in den Waffen., Etwas wei» ter hinten stehen Zwei in Hemdärmeln, die Cigarre im Mund, eine Palette in der linken, ein Fleuret in der rechten Hand, zur großen Zufriedenheit der sie umgebenden Kampfrichter und Zeugen, brillante Stöße führend. Inmitten dieses bunten Gewühles bewegt sich ein Mann von ungefähr dreißig Jahren, nicht groß, aber kräftig und gewandt, mit feurigem Auge, lebhaften Bewegungen und offenen, männlichen und entschlossenen Zügen. Er trug damals wohl noch nicht den gewal¬ tigen Schnurrbart, der jetzt seine Oberlippe ziert, aber er hatte schon in seinem ganzen Wesen jene Physiognomie des französischen Offi¬ ziers, die er so sehr liebt, und die bei ihm so stark ausgesprochen ist, daß man bei seinem Anblicke schwören möchte, er habe sein gan¬ zes Leben auf dem Schlachtfelde zugebracht. Dieser Mann mit dem soldatischen Anstrich, welcher, während er die Arbeiten seiner Schüler beaufsichtigt, hier eine Contour, dort einen Farbenton ausbessere, das Fleuret besser zu führen weiß, als jeder Andere, der die Trommel so fertig rührt, wie er die Trompete bläst, ist der Herr des Hauses, Ilm^o Vorovt, dessen Name schon

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/139>, abgerufen am 22.12.2024.