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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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Palimri tritt in den Vordergrund..

-- Was trägst Du?

-- Herr, ich will Euch Nichts verhehlen. Dieses Kind und
ich, Wir sind Gsangene von Missolunghi. Dieser Mann war un¬
ser Wohlthäter; ich habe nicht geglaubt, daß die Befehle des Sul¬
tans mich verhindern dürsten, eine Pflicht der Erkenntlichkeit zu er¬
füllen^ Wenn dies ein Verbrechen ist, so nehme ich es sür mich al-
lein in Anspruch ... Ich wollte einen Janitscharen beerdigen"

-- Sein Name?

Da er lebte, nannte man ihn Selim.

-- Selim! Ich fürchtete, er sei mir entronnen! Greis, es ist
gut. Ich will Dir Deine Freiheit nicht wieder rauben; sie ist allzu
theuer erlauft worden. Aber der Leichnam des Anführers eines blu¬
tigen Aufstandes kann keine andere Grabstätte haben, als die seine
Soldaten gefunden. Er werde in den Bosporus geworfen! Nedjib,
wache darüber, daß meine Befehle vollzogen werden. Was Dich be¬
trifft, Greis, Du magst nach Griechenland zurückkehren, und den
Deinen zeigen, daß der Sultan Mahmoud siegen und auch verzeihen
kann.

, -- Mahmoud! . , , , , ,

' -- Ja, gevel... A"Mai"mAM,rM

, Palinari setzt seinen Weg fort; er erreicht das Ufer des Bos¬
porus. Die.ersten Schimmer des jungen Tages warfen schon ihr
goldig Licht auf Peras Hügel, und die Schatten begannen längst der
Kuppeln der Moscheeen und Paläste Constantinopels hinabzusteigen.
Welch trauriges Schauspiel bot dies.Meer; vor Kurzem noch unge¬
trübt in seinem Azurblau, und nun blutig roth gefärbt, und von ei¬
nem Ufer bis zum andern mit Leichnamen bedeckt. Geier, Weihe und
andere . Raubvögel flogen mit freudigem Flügelschlag herbei, um Tau->
senden , von Hunden die Fetzen Menschenfleisch streitig zu machen, mit
denen .die. Ufer bedeckt waren, und mit ihrem wilden Geschrei erfüll¬
ten sie die Luft. Man sah Wagen nach Wagen voll Leichen, ankom-
.' um,..die in den Bosporus geschleudert wurden; die meisten waren
Janitscharen. > .-- ''..',

Da zeigte Redjib aufs Meer, und befahl mit^.einem stummen
Zeichen dem Greise, die Ueberbleibsel Selims hineiMwWfen. Mi"


Palimri tritt in den Vordergrund..

— Was trägst Du?

— Herr, ich will Euch Nichts verhehlen. Dieses Kind und
ich, Wir sind Gsangene von Missolunghi. Dieser Mann war un¬
ser Wohlthäter; ich habe nicht geglaubt, daß die Befehle des Sul¬
tans mich verhindern dürsten, eine Pflicht der Erkenntlichkeit zu er¬
füllen^ Wenn dies ein Verbrechen ist, so nehme ich es sür mich al-
lein in Anspruch ... Ich wollte einen Janitscharen beerdigen»

— Sein Name?

Da er lebte, nannte man ihn Selim.

— Selim! Ich fürchtete, er sei mir entronnen! Greis, es ist
gut. Ich will Dir Deine Freiheit nicht wieder rauben; sie ist allzu
theuer erlauft worden. Aber der Leichnam des Anführers eines blu¬
tigen Aufstandes kann keine andere Grabstätte haben, als die seine
Soldaten gefunden. Er werde in den Bosporus geworfen! Nedjib,
wache darüber, daß meine Befehle vollzogen werden. Was Dich be¬
trifft, Greis, Du magst nach Griechenland zurückkehren, und den
Deinen zeigen, daß der Sultan Mahmoud siegen und auch verzeihen
kann.

, — Mahmoud! . , , , , ,

' — Ja, gevel... A«Mai«mAM,rM

, Palinari setzt seinen Weg fort; er erreicht das Ufer des Bos¬
porus. Die.ersten Schimmer des jungen Tages warfen schon ihr
goldig Licht auf Peras Hügel, und die Schatten begannen längst der
Kuppeln der Moscheeen und Paläste Constantinopels hinabzusteigen.
Welch trauriges Schauspiel bot dies.Meer; vor Kurzem noch unge¬
trübt in seinem Azurblau, und nun blutig roth gefärbt, und von ei¬
nem Ufer bis zum andern mit Leichnamen bedeckt. Geier, Weihe und
andere . Raubvögel flogen mit freudigem Flügelschlag herbei, um Tau->
senden , von Hunden die Fetzen Menschenfleisch streitig zu machen, mit
denen .die. Ufer bedeckt waren, und mit ihrem wilden Geschrei erfüll¬
ten sie die Luft. Man sah Wagen nach Wagen voll Leichen, ankom-
.' um,..die in den Bosporus geschleudert wurden; die meisten waren
Janitscharen. > .-- ''..',

Da zeigte Redjib aufs Meer, und befahl mit^.einem stummen
Zeichen dem Greise, die Ueberbleibsel Selims hineiMwWfen. Mi«


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[0726] Palimri tritt in den Vordergrund.. — Was trägst Du? — Herr, ich will Euch Nichts verhehlen. Dieses Kind und ich, Wir sind Gsangene von Missolunghi. Dieser Mann war un¬ ser Wohlthäter; ich habe nicht geglaubt, daß die Befehle des Sul¬ tans mich verhindern dürsten, eine Pflicht der Erkenntlichkeit zu er¬ füllen^ Wenn dies ein Verbrechen ist, so nehme ich es sür mich al- lein in Anspruch ... Ich wollte einen Janitscharen beerdigen» — Sein Name? Da er lebte, nannte man ihn Selim. — Selim! Ich fürchtete, er sei mir entronnen! Greis, es ist gut. Ich will Dir Deine Freiheit nicht wieder rauben; sie ist allzu theuer erlauft worden. Aber der Leichnam des Anführers eines blu¬ tigen Aufstandes kann keine andere Grabstätte haben, als die seine Soldaten gefunden. Er werde in den Bosporus geworfen! Nedjib, wache darüber, daß meine Befehle vollzogen werden. Was Dich be¬ trifft, Greis, Du magst nach Griechenland zurückkehren, und den Deinen zeigen, daß der Sultan Mahmoud siegen und auch verzeihen kann. , — Mahmoud! . , , , , , ' — Ja, gevel... A«Mai«mAM,rM , Palinari setzt seinen Weg fort; er erreicht das Ufer des Bos¬ porus. Die.ersten Schimmer des jungen Tages warfen schon ihr goldig Licht auf Peras Hügel, und die Schatten begannen längst der Kuppeln der Moscheeen und Paläste Constantinopels hinabzusteigen. Welch trauriges Schauspiel bot dies.Meer; vor Kurzem noch unge¬ trübt in seinem Azurblau, und nun blutig roth gefärbt, und von ei¬ nem Ufer bis zum andern mit Leichnamen bedeckt. Geier, Weihe und andere . Raubvögel flogen mit freudigem Flügelschlag herbei, um Tau-> senden , von Hunden die Fetzen Menschenfleisch streitig zu machen, mit denen .die. Ufer bedeckt waren, und mit ihrem wilden Geschrei erfüll¬ ten sie die Luft. Man sah Wagen nach Wagen voll Leichen, ankom- .' um,..die in den Bosporus geschleudert wurden; die meisten waren Janitscharen. > .-- ''..', Da zeigte Redjib aufs Meer, und befahl mit^.einem stummen Zeichen dem Greise, die Ueberbleibsel Selims hineiMwWfen. Mi«

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/726>, abgerufen am 04.07.2024.