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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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der, der selbst durch einen Streifschuß an der Stirne verwundet wird.
Selims letzter Gedanke richtet sich auf Eulalcja.

' -- Lebe wohl, Palinari, und sage auch ihr Lebewohl, die ich
geliebt! Rette Dich für Deine Tochter! Du bist nahe bei
meiner'Wohnung ... Dieser Weg führt zu ihr . .

Die Hand Selims, mit der er dem Greise die Straße angezeigt,
die er einzuschlagen hat, sinkt kraftlos nieder. Palinari bedeckt die
Leiche des jungen Obersten mit seinen Küssen und- 'einen Thränen.
Er verwünscht seine eigenen Tage, er ruft den Tod herbei.... aber
plötzlich denkt er seiner Tochter; für sie muß er sein Leben retten.
Er lehnt saliens Leichnam gegen eine Mauer, bedeckt ihn mit seinem
Mantel, und nachdem er einen letzten schmerzenSschweren Blick auf
ihn geworfen, zieht er sich zurück.

Er war, wie der Verstorbene es ihm gesagt, nicht ferne von
der Wohnung, wo er am Morgen voll Hoffnung seine Tochter hin¬
gebracht, und bald erkennt er nun auch die Wege wieder, die dahin
führen.

Eulcckeja hatte, wie man sich leicht denken kann, in dieser trau¬
ervollen Nacht, wo des Todes schonungslose Sichel zwölftausend Ja-
n'tscharenlcbcn hinwegmähte, die Tröstungen des Schlafes nicht ge¬
sucht.' Auf der Terrasse ihrer Wohumig stehend, folgten ihre Augen
den Fortschritten der Feuersbrunst; ihr Herz schlug in banger, erwar¬
tungsvoller Furcht. , Wie glücklich war sie, den Ausgang des Kam¬
pfes nicht zu wissen! Denn im Lager der Besiegten waren die Theu¬
ren ihres Herzens.

Plötzlich sieht Eulaleja einen verwundeten Greis, mit blutge¬
färbten Gewändern kommen, der sich mühsam aufrecht erhält, indem
er sich auf den zerbrochenen Kolben seines Gewehres stützt. Die Au¬
gen der Tochter haben ihren Vater erkannt. Sie steigt hinab, sie
fliegt ihm entgegen.

-- Mein Vater, mein Vater, Du bist verwundet.

-- Es ist Nichts, meine Tochter, aber er ....

-- Selim?

-- Er ist nicht mehr! Ja, weine um ihn, meine Tochter, für
Dich ist er gestorben!

-- Wie! Auch hier also triumphirt der Sultan?

-- Wir sind besiegt; es gibt keine Janitscharen mehr.


der, der selbst durch einen Streifschuß an der Stirne verwundet wird.
Selims letzter Gedanke richtet sich auf Eulalcja.

' — Lebe wohl, Palinari, und sage auch ihr Lebewohl, die ich
geliebt! Rette Dich für Deine Tochter! Du bist nahe bei
meiner'Wohnung ... Dieser Weg führt zu ihr . .

Die Hand Selims, mit der er dem Greise die Straße angezeigt,
die er einzuschlagen hat, sinkt kraftlos nieder. Palinari bedeckt die
Leiche des jungen Obersten mit seinen Küssen und- 'einen Thränen.
Er verwünscht seine eigenen Tage, er ruft den Tod herbei.... aber
plötzlich denkt er seiner Tochter; für sie muß er sein Leben retten.
Er lehnt saliens Leichnam gegen eine Mauer, bedeckt ihn mit seinem
Mantel, und nachdem er einen letzten schmerzenSschweren Blick auf
ihn geworfen, zieht er sich zurück.

Er war, wie der Verstorbene es ihm gesagt, nicht ferne von
der Wohnung, wo er am Morgen voll Hoffnung seine Tochter hin¬
gebracht, und bald erkennt er nun auch die Wege wieder, die dahin
führen.

Eulcckeja hatte, wie man sich leicht denken kann, in dieser trau¬
ervollen Nacht, wo des Todes schonungslose Sichel zwölftausend Ja-
n'tscharenlcbcn hinwegmähte, die Tröstungen des Schlafes nicht ge¬
sucht.' Auf der Terrasse ihrer Wohumig stehend, folgten ihre Augen
den Fortschritten der Feuersbrunst; ihr Herz schlug in banger, erwar¬
tungsvoller Furcht. , Wie glücklich war sie, den Ausgang des Kam¬
pfes nicht zu wissen! Denn im Lager der Besiegten waren die Theu¬
ren ihres Herzens.

Plötzlich sieht Eulaleja einen verwundeten Greis, mit blutge¬
färbten Gewändern kommen, der sich mühsam aufrecht erhält, indem
er sich auf den zerbrochenen Kolben seines Gewehres stützt. Die Au¬
gen der Tochter haben ihren Vater erkannt. Sie steigt hinab, sie
fliegt ihm entgegen.

— Mein Vater, mein Vater, Du bist verwundet.

— Es ist Nichts, meine Tochter, aber er ....

— Selim?

— Er ist nicht mehr! Ja, weine um ihn, meine Tochter, für
Dich ist er gestorben!

— Wie! Auch hier also triumphirt der Sultan?

— Wir sind besiegt; es gibt keine Janitscharen mehr.


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[0723] der, der selbst durch einen Streifschuß an der Stirne verwundet wird. Selims letzter Gedanke richtet sich auf Eulalcja. ' — Lebe wohl, Palinari, und sage auch ihr Lebewohl, die ich geliebt! Rette Dich für Deine Tochter! Du bist nahe bei meiner'Wohnung ... Dieser Weg führt zu ihr . . Die Hand Selims, mit der er dem Greise die Straße angezeigt, die er einzuschlagen hat, sinkt kraftlos nieder. Palinari bedeckt die Leiche des jungen Obersten mit seinen Küssen und- 'einen Thränen. Er verwünscht seine eigenen Tage, er ruft den Tod herbei.... aber plötzlich denkt er seiner Tochter; für sie muß er sein Leben retten. Er lehnt saliens Leichnam gegen eine Mauer, bedeckt ihn mit seinem Mantel, und nachdem er einen letzten schmerzenSschweren Blick auf ihn geworfen, zieht er sich zurück. Er war, wie der Verstorbene es ihm gesagt, nicht ferne von der Wohnung, wo er am Morgen voll Hoffnung seine Tochter hin¬ gebracht, und bald erkennt er nun auch die Wege wieder, die dahin führen. Eulcckeja hatte, wie man sich leicht denken kann, in dieser trau¬ ervollen Nacht, wo des Todes schonungslose Sichel zwölftausend Ja- n'tscharenlcbcn hinwegmähte, die Tröstungen des Schlafes nicht ge¬ sucht.' Auf der Terrasse ihrer Wohumig stehend, folgten ihre Augen den Fortschritten der Feuersbrunst; ihr Herz schlug in banger, erwar¬ tungsvoller Furcht. , Wie glücklich war sie, den Ausgang des Kam¬ pfes nicht zu wissen! Denn im Lager der Besiegten waren die Theu¬ ren ihres Herzens. Plötzlich sieht Eulaleja einen verwundeten Greis, mit blutge¬ färbten Gewändern kommen, der sich mühsam aufrecht erhält, indem er sich auf den zerbrochenen Kolben seines Gewehres stützt. Die Au¬ gen der Tochter haben ihren Vater erkannt. Sie steigt hinab, sie fliegt ihm entgegen. — Mein Vater, mein Vater, Du bist verwundet. — Es ist Nichts, meine Tochter, aber er .... — Selim? — Er ist nicht mehr! Ja, weine um ihn, meine Tochter, für Dich ist er gestorben! — Wie! Auch hier also triumphirt der Sultan? — Wir sind besiegt; es gibt keine Janitscharen mehr.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/723>, abgerufen am 22.12.2024.