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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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mtscharen ausstoßen, die von Feuer rings umschlossen, den Tod Schritt
vor,Schritt nahen sehen, und in ihrer leidenschaftlichen Erbitterung
noch kämpfen. Ein letzter Schrei wird laut, ein halberstickter, jam¬
mervoller Schrei, und auf ihn folgt ein entsetzend Helles Gelächter
von Seiten der stürmenden; die Unglücklichen waren von den Flam-
men verschlungen worden.

Der Tod hat fürchterlich gemäht unter den Janitscharen, und
des Kämpfens müde versuchen Einzelne, sich den Türken zu ergeben.
Aber diese stoßen sie zurück oder metzeln sie grausam nieder, selbst
wenn sie die Waffen niedergelegt, und so entschließen sich die blutigen
Trümmer dieser Schaaren zu einem letzten verzweiflungsvollen Wi¬
derstand. Sie errichten sich einige Verschanzungen aus den Leichna¬
men, die dicht auf dem Boden lagen, und beschließen, hier ihr Le¬
ben theuer zu verkaufen. Der Tag begann schon zu sinken, und noch
kämpften sie; aber ihr Arm fängt an zu ermüden, ihr.Muth erschlafft.
Da 'ertönt Selims Stimme:

-- '/Meine Freunde, meine braven Janitscharen, nur noch Eine
Stunde laßt Euren Muth ausdauern; kämpft, bis die Nacht ein¬
bricht; die Finsterniß wird alsdann unsren Rückzug decken. Bis da¬
hin laßt uns unsre Brüder rächen."

Dieses Wort Rache belebt ihre Wuth, ihre Erbitterung von
Neuem. Eulale/as Vater ist stets an Selims Seite; der Greis hat
.seine Jugendkraft wiedergefunden, und kämpft wie auf Missolunghis
Mauern. Sind es doch Türken, Feinde seines Vaterlandes, gegen
die er streitet, und kämpft er doch an der Seite seines Wohlthäters, des
Befreiers seiner Tochter.

Endlich sinkt die Sonne dieses blutigen Tages, und die Nacht
bedeckt die Erde mit ihren bergenden Fittichen. Selim gibt das Zei¬
chen zum Rückzüge; er hofft mit den siebentausend Janitscharen, die
ihm geblieben, den Wald von Belgrad zu erreichen. Die feindlichen
Linien werden durchbrochen, und der Weg durch die engen Straßen
Constantinopels eröffnet. Mohammed^Pascha, wüthend, diese Beute
sich entschlüpfen zu sehen, verfolgt sie eifrig. Selim, der mit Pali-
nari stets im Nachtrab ist, beschützt die Flucht seiner Truppen. Schon
nähert man sich den Mauern Stambuls, schon hoffen die Trümmer
der Janitscharen gerettet zu sein, da werden sie ihres Führers be¬
raubt; ein tödliches Blei streckt ihn zu den Füßen des Greises nie-


mtscharen ausstoßen, die von Feuer rings umschlossen, den Tod Schritt
vor,Schritt nahen sehen, und in ihrer leidenschaftlichen Erbitterung
noch kämpfen. Ein letzter Schrei wird laut, ein halberstickter, jam¬
mervoller Schrei, und auf ihn folgt ein entsetzend Helles Gelächter
von Seiten der stürmenden; die Unglücklichen waren von den Flam-
men verschlungen worden.

Der Tod hat fürchterlich gemäht unter den Janitscharen, und
des Kämpfens müde versuchen Einzelne, sich den Türken zu ergeben.
Aber diese stoßen sie zurück oder metzeln sie grausam nieder, selbst
wenn sie die Waffen niedergelegt, und so entschließen sich die blutigen
Trümmer dieser Schaaren zu einem letzten verzweiflungsvollen Wi¬
derstand. Sie errichten sich einige Verschanzungen aus den Leichna¬
men, die dicht auf dem Boden lagen, und beschließen, hier ihr Le¬
ben theuer zu verkaufen. Der Tag begann schon zu sinken, und noch
kämpften sie; aber ihr Arm fängt an zu ermüden, ihr.Muth erschlafft.
Da 'ertönt Selims Stimme:

— '/Meine Freunde, meine braven Janitscharen, nur noch Eine
Stunde laßt Euren Muth ausdauern; kämpft, bis die Nacht ein¬
bricht; die Finsterniß wird alsdann unsren Rückzug decken. Bis da¬
hin laßt uns unsre Brüder rächen."

Dieses Wort Rache belebt ihre Wuth, ihre Erbitterung von
Neuem. Eulale/as Vater ist stets an Selims Seite; der Greis hat
.seine Jugendkraft wiedergefunden, und kämpft wie auf Missolunghis
Mauern. Sind es doch Türken, Feinde seines Vaterlandes, gegen
die er streitet, und kämpft er doch an der Seite seines Wohlthäters, des
Befreiers seiner Tochter.

Endlich sinkt die Sonne dieses blutigen Tages, und die Nacht
bedeckt die Erde mit ihren bergenden Fittichen. Selim gibt das Zei¬
chen zum Rückzüge; er hofft mit den siebentausend Janitscharen, die
ihm geblieben, den Wald von Belgrad zu erreichen. Die feindlichen
Linien werden durchbrochen, und der Weg durch die engen Straßen
Constantinopels eröffnet. Mohammed^Pascha, wüthend, diese Beute
sich entschlüpfen zu sehen, verfolgt sie eifrig. Selim, der mit Pali-
nari stets im Nachtrab ist, beschützt die Flucht seiner Truppen. Schon
nähert man sich den Mauern Stambuls, schon hoffen die Trümmer
der Janitscharen gerettet zu sein, da werden sie ihres Führers be¬
raubt; ein tödliches Blei streckt ihn zu den Füßen des Greises nie-


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[0722] mtscharen ausstoßen, die von Feuer rings umschlossen, den Tod Schritt vor,Schritt nahen sehen, und in ihrer leidenschaftlichen Erbitterung noch kämpfen. Ein letzter Schrei wird laut, ein halberstickter, jam¬ mervoller Schrei, und auf ihn folgt ein entsetzend Helles Gelächter von Seiten der stürmenden; die Unglücklichen waren von den Flam- men verschlungen worden. Der Tod hat fürchterlich gemäht unter den Janitscharen, und des Kämpfens müde versuchen Einzelne, sich den Türken zu ergeben. Aber diese stoßen sie zurück oder metzeln sie grausam nieder, selbst wenn sie die Waffen niedergelegt, und so entschließen sich die blutigen Trümmer dieser Schaaren zu einem letzten verzweiflungsvollen Wi¬ derstand. Sie errichten sich einige Verschanzungen aus den Leichna¬ men, die dicht auf dem Boden lagen, und beschließen, hier ihr Le¬ ben theuer zu verkaufen. Der Tag begann schon zu sinken, und noch kämpften sie; aber ihr Arm fängt an zu ermüden, ihr.Muth erschlafft. Da 'ertönt Selims Stimme: — '/Meine Freunde, meine braven Janitscharen, nur noch Eine Stunde laßt Euren Muth ausdauern; kämpft, bis die Nacht ein¬ bricht; die Finsterniß wird alsdann unsren Rückzug decken. Bis da¬ hin laßt uns unsre Brüder rächen." Dieses Wort Rache belebt ihre Wuth, ihre Erbitterung von Neuem. Eulale/as Vater ist stets an Selims Seite; der Greis hat .seine Jugendkraft wiedergefunden, und kämpft wie auf Missolunghis Mauern. Sind es doch Türken, Feinde seines Vaterlandes, gegen die er streitet, und kämpft er doch an der Seite seines Wohlthäters, des Befreiers seiner Tochter. Endlich sinkt die Sonne dieses blutigen Tages, und die Nacht bedeckt die Erde mit ihren bergenden Fittichen. Selim gibt das Zei¬ chen zum Rückzüge; er hofft mit den siebentausend Janitscharen, die ihm geblieben, den Wald von Belgrad zu erreichen. Die feindlichen Linien werden durchbrochen, und der Weg durch die engen Straßen Constantinopels eröffnet. Mohammed^Pascha, wüthend, diese Beute sich entschlüpfen zu sehen, verfolgt sie eifrig. Selim, der mit Pali- nari stets im Nachtrab ist, beschützt die Flucht seiner Truppen. Schon nähert man sich den Mauern Stambuls, schon hoffen die Trümmer der Janitscharen gerettet zu sein, da werden sie ihres Führers be¬ raubt; ein tödliches Blei streckt ihn zu den Füßen des Greises nie-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/722>, abgerufen am 25.08.2024.