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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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Ein lustiges Volk waren die Colmarer zu allen Zeiten, denn sie
setzten zur Zeit der freien Reichsstadt die Aerzte in die Zunft der Küfer
und Wirthe, und die Musikanten in die Iber Hufschmiede und Kessel¬
flicker. Sie ahndeten im Geiste den Fortschritt der neuern Zeit, wo der
Tamtamkessel und die alten Ketten zu obligaten Instrumenten werden.
Ein neuerer Geschichtschreiber Colmarö giebt folgende Charakteristik
einer Landsleute:

"Die alten Chroniken schildern die ehemaligen Bewohner der freien
Reichsstadt Colmar als ein treues, gutmüthiges, offenherziges Volk.
Ihre Sprache, welche vieles von der Mundart der Schweizer beibehal¬
ten hat, ist mit ihren Sitten im Einklange und deutet auf ein biederes,
edelgesinntes Herz hin. Wiewohl sie sich in den rollen Zeiten des Mit-
telalters durch ihren Nationalste sz und ihre Kriegölustigkeit unter den
andern Stadtbewohnern des Elsasses auszeichneten, so nahmen sie den¬
noch immer mit Liebe und Güte die Fremden auf, welche sich in ihrer
Mitte niederließen; die Rechte der Stadt und des Bürgers, welche sie
so oft mit dem Degen in der Faust gegen übermüthige Feinde verthei¬
digten, lockten auch manchen in ihre Mauern und zogen ihnen die Ge¬
wogenheit der Elsässer zu. Ihren Irciheitssinn äußerten sie oft durch
die beißende Sucht, mit welcher sie die Handlungen und Befehle der
Obrigkeit tadelten und mit spöttischem Hohne belegten, und dennoch un¬
terwarfen sie sich allein, was verordnet worden war. Ueberaus leicht¬
gläubig haschten sie mit brennender Begierde nach den Neuigkeiten, um
dieselben ohne Weiteres auszukramen. Ein Nichts war im Stande, sie
ihren Geschäften zu entreißen, und erst dann kehrten sie wieder zur Ar¬
beit zurück, nachdem sie Alles bekrittelt hatten. Im Umgange mit ih¬
ren Mitbürgern waren sie äußerst sanft, gefällig und dienstfertig, und
selbst während der Stürme der französischem Staatsumwälzung sah man
Beispiele der Nächstenliebe, wodurch Leute von verschiedenen politischen
Meinungen und Religionen einander vor den sie bedrohenden Gefahrey
warnten. Was jedoch die Colmarer Bürger von früher auszeichnete,
war die Treue, mit welcher sie ihre Eide und gemachten Versprechen
.'ate"

.
Im Ganzen bin ich gerne erbötig, dieses Sitten-Zeugniß auch
sür die heutigen Colmarer zu unterschreiben" Alle, die ich kennen



5) Geschichte der Stadt Colmar, von TH.F.H. Hlmllcr. ColmmlWS.

Ein lustiges Volk waren die Colmarer zu allen Zeiten, denn sie
setzten zur Zeit der freien Reichsstadt die Aerzte in die Zunft der Küfer
und Wirthe, und die Musikanten in die Iber Hufschmiede und Kessel¬
flicker. Sie ahndeten im Geiste den Fortschritt der neuern Zeit, wo der
Tamtamkessel und die alten Ketten zu obligaten Instrumenten werden.
Ein neuerer Geschichtschreiber Colmarö giebt folgende Charakteristik
einer Landsleute:

„Die alten Chroniken schildern die ehemaligen Bewohner der freien
Reichsstadt Colmar als ein treues, gutmüthiges, offenherziges Volk.
Ihre Sprache, welche vieles von der Mundart der Schweizer beibehal¬
ten hat, ist mit ihren Sitten im Einklange und deutet auf ein biederes,
edelgesinntes Herz hin. Wiewohl sie sich in den rollen Zeiten des Mit-
telalters durch ihren Nationalste sz und ihre Kriegölustigkeit unter den
andern Stadtbewohnern des Elsasses auszeichneten, so nahmen sie den¬
noch immer mit Liebe und Güte die Fremden auf, welche sich in ihrer
Mitte niederließen; die Rechte der Stadt und des Bürgers, welche sie
so oft mit dem Degen in der Faust gegen übermüthige Feinde verthei¬
digten, lockten auch manchen in ihre Mauern und zogen ihnen die Ge¬
wogenheit der Elsässer zu. Ihren Irciheitssinn äußerten sie oft durch
die beißende Sucht, mit welcher sie die Handlungen und Befehle der
Obrigkeit tadelten und mit spöttischem Hohne belegten, und dennoch un¬
terwarfen sie sich allein, was verordnet worden war. Ueberaus leicht¬
gläubig haschten sie mit brennender Begierde nach den Neuigkeiten, um
dieselben ohne Weiteres auszukramen. Ein Nichts war im Stande, sie
ihren Geschäften zu entreißen, und erst dann kehrten sie wieder zur Ar¬
beit zurück, nachdem sie Alles bekrittelt hatten. Im Umgange mit ih¬
ren Mitbürgern waren sie äußerst sanft, gefällig und dienstfertig, und
selbst während der Stürme der französischem Staatsumwälzung sah man
Beispiele der Nächstenliebe, wodurch Leute von verschiedenen politischen
Meinungen und Religionen einander vor den sie bedrohenden Gefahrey
warnten. Was jedoch die Colmarer Bürger von früher auszeichnete,
war die Treue, mit welcher sie ihre Eide und gemachten Versprechen
.'ate"

.
Im Ganzen bin ich gerne erbötig, dieses Sitten-Zeugniß auch
sür die heutigen Colmarer zu unterschreiben» Alle, die ich kennen



5) Geschichte der Stadt Colmar, von TH.F.H. Hlmllcr. ColmmlWS.
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[0586] Ein lustiges Volk waren die Colmarer zu allen Zeiten, denn sie setzten zur Zeit der freien Reichsstadt die Aerzte in die Zunft der Küfer und Wirthe, und die Musikanten in die Iber Hufschmiede und Kessel¬ flicker. Sie ahndeten im Geiste den Fortschritt der neuern Zeit, wo der Tamtamkessel und die alten Ketten zu obligaten Instrumenten werden. Ein neuerer Geschichtschreiber Colmarö giebt folgende Charakteristik einer Landsleute: „Die alten Chroniken schildern die ehemaligen Bewohner der freien Reichsstadt Colmar als ein treues, gutmüthiges, offenherziges Volk. Ihre Sprache, welche vieles von der Mundart der Schweizer beibehal¬ ten hat, ist mit ihren Sitten im Einklange und deutet auf ein biederes, edelgesinntes Herz hin. Wiewohl sie sich in den rollen Zeiten des Mit- telalters durch ihren Nationalste sz und ihre Kriegölustigkeit unter den andern Stadtbewohnern des Elsasses auszeichneten, so nahmen sie den¬ noch immer mit Liebe und Güte die Fremden auf, welche sich in ihrer Mitte niederließen; die Rechte der Stadt und des Bürgers, welche sie so oft mit dem Degen in der Faust gegen übermüthige Feinde verthei¬ digten, lockten auch manchen in ihre Mauern und zogen ihnen die Ge¬ wogenheit der Elsässer zu. Ihren Irciheitssinn äußerten sie oft durch die beißende Sucht, mit welcher sie die Handlungen und Befehle der Obrigkeit tadelten und mit spöttischem Hohne belegten, und dennoch un¬ terwarfen sie sich allein, was verordnet worden war. Ueberaus leicht¬ gläubig haschten sie mit brennender Begierde nach den Neuigkeiten, um dieselben ohne Weiteres auszukramen. Ein Nichts war im Stande, sie ihren Geschäften zu entreißen, und erst dann kehrten sie wieder zur Ar¬ beit zurück, nachdem sie Alles bekrittelt hatten. Im Umgange mit ih¬ ren Mitbürgern waren sie äußerst sanft, gefällig und dienstfertig, und selbst während der Stürme der französischem Staatsumwälzung sah man Beispiele der Nächstenliebe, wodurch Leute von verschiedenen politischen Meinungen und Religionen einander vor den sie bedrohenden Gefahrey warnten. Was jedoch die Colmarer Bürger von früher auszeichnete, war die Treue, mit welcher sie ihre Eide und gemachten Versprechen .'ate" . Im Ganzen bin ich gerne erbötig, dieses Sitten-Zeugniß auch sür die heutigen Colmarer zu unterschreiben» Alle, die ich kennen 5) Geschichte der Stadt Colmar, von TH.F.H. Hlmllcr. ColmmlWS.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/586>, abgerufen am 04.07.2024.