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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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Wenn mir die Wahl zwischen den'Gärten auf' den beiden Inseln
frei stände, so würde ich den von Isola Madre vorziehen. Obgleich
der andre den Vochig einer mit Schatten bedeckten Terrasse hat^ auf
der ich Stunden lang geträumt habe, nicht als Wiederkäuer hohler
JdeM, sondern als ein Mensch, der froh ist, nicht mehr zu denken und
sich nur leben zu lassen, so ^ ist dieser Garten doch n'in Allgemeinen kalt,
wie die gerade Linie, wenn sie auf einen kleinen Raum beschränkt ist.
Der französische Styl ist zu imponirend, um sich zu den magern Ver¬
hältnissen einer so kleinen Insel einzuengen. Vergebens hat der Künst¬
ler, der die Zeichnung dazu entworfen, an diesen Hauptfehler zu ver¬
decken, pyramidenförmig Luststück ^ über Luststück gehäuft; die Zu¬
gänge fehlen; man muß zu oft und zu unvorbereitet sich rechtwinklich
umdrehen; der Spaziergänger stößt sich an all den Mauerecken, die sei¬
nem Gange im Wege stehen. Schöne Statuen allein könnten mit
dem Luxus von Maurerarbeit versöhnen, den .der Baumeister aus Man¬
gel ein Raum hat entfalten müssen. Unglückseligerweise aber, -- denn
man muß Alles sagen -- bilden 'die Statuen nicht den glänzendsten
Schmuck dieser.reizenden Einsiedelei. Von rauhem und porösem Stein
ausgehauen, und vor Allem bestimmt, in der Ferne Effekt ^zu machen >
hört sie mit der Mnge der Zeit schwarz -geworden, .und lassen -in Be¬
zug auf die Kunst'M zu wünschen übrige > Es ist die Manier des
Ma Jahrhunderts mit einem Rest der Nüchternheit des '17ten. Trotz
der Kraft seiner. Vegetation, von welcher seine prächtigen Lorbeerbäume,
die weithin ihre Schatten werfen, feine Orangen- und Citronen-Bäume
in bloßer Erde, seine tausend Abarten üppiger Pflanzen, seine an Man¬
nigfaltigkeit den Rosen unserer Gärten gleichen Camelias, und seine schö¬
nen Hortcnsiasträuche in allen Farben, Zeugniß ablegen, ist der Gar¬
ten der Isola Bella nur gemacht, um von fern gesehen zu werden.
Der Le Notre dieser Villa begriff, als Mann von Geschmack und Geist,
daß die einzige Art, einen so beschränkten Raum zu benutzen, die sei>
eine reizende Perspektive daraus zu machen; dieser Gedanke ist aus sei¬
nem ganzen Plan ersichtlich, und es ist ihm nach Wunsch gelungen.
Nichts vermag die Wirkung wiederzugeben, welche diese mitten im See
gelegene. Terrassentreppe hervorbringt; diese Erinnerung an die hängenden
Gärten Babylons, die durch die Rückspiegclnng des Wassers, das sie
mit seinem klaren Gürtel umgiebt, verdoppelt werden.

Der Garten der Isola Madre dagegen ist im englischen Style.
Diese kleinen, sich um sich selbst herumdrehenden Wege, welche den


Wenn mir die Wahl zwischen den'Gärten auf' den beiden Inseln
frei stände, so würde ich den von Isola Madre vorziehen. Obgleich
der andre den Vochig einer mit Schatten bedeckten Terrasse hat^ auf
der ich Stunden lang geträumt habe, nicht als Wiederkäuer hohler
JdeM, sondern als ein Mensch, der froh ist, nicht mehr zu denken und
sich nur leben zu lassen, so ^ ist dieser Garten doch n'in Allgemeinen kalt,
wie die gerade Linie, wenn sie auf einen kleinen Raum beschränkt ist.
Der französische Styl ist zu imponirend, um sich zu den magern Ver¬
hältnissen einer so kleinen Insel einzuengen. Vergebens hat der Künst¬
ler, der die Zeichnung dazu entworfen, an diesen Hauptfehler zu ver¬
decken, pyramidenförmig Luststück ^ über Luststück gehäuft; die Zu¬
gänge fehlen; man muß zu oft und zu unvorbereitet sich rechtwinklich
umdrehen; der Spaziergänger stößt sich an all den Mauerecken, die sei¬
nem Gange im Wege stehen. Schöne Statuen allein könnten mit
dem Luxus von Maurerarbeit versöhnen, den .der Baumeister aus Man¬
gel ein Raum hat entfalten müssen. Unglückseligerweise aber, — denn
man muß Alles sagen — bilden 'die Statuen nicht den glänzendsten
Schmuck dieser.reizenden Einsiedelei. Von rauhem und porösem Stein
ausgehauen, und vor Allem bestimmt, in der Ferne Effekt ^zu machen >
hört sie mit der Mnge der Zeit schwarz -geworden, .und lassen -in Be¬
zug auf die Kunst'M zu wünschen übrige > Es ist die Manier des
Ma Jahrhunderts mit einem Rest der Nüchternheit des '17ten. Trotz
der Kraft seiner. Vegetation, von welcher seine prächtigen Lorbeerbäume,
die weithin ihre Schatten werfen, feine Orangen- und Citronen-Bäume
in bloßer Erde, seine tausend Abarten üppiger Pflanzen, seine an Man¬
nigfaltigkeit den Rosen unserer Gärten gleichen Camelias, und seine schö¬
nen Hortcnsiasträuche in allen Farben, Zeugniß ablegen, ist der Gar¬
ten der Isola Bella nur gemacht, um von fern gesehen zu werden.
Der Le Notre dieser Villa begriff, als Mann von Geschmack und Geist,
daß die einzige Art, einen so beschränkten Raum zu benutzen, die sei>
eine reizende Perspektive daraus zu machen; dieser Gedanke ist aus sei¬
nem ganzen Plan ersichtlich, und es ist ihm nach Wunsch gelungen.
Nichts vermag die Wirkung wiederzugeben, welche diese mitten im See
gelegene. Terrassentreppe hervorbringt; diese Erinnerung an die hängenden
Gärten Babylons, die durch die Rückspiegclnng des Wassers, das sie
mit seinem klaren Gürtel umgiebt, verdoppelt werden.

Der Garten der Isola Madre dagegen ist im englischen Style.
Diese kleinen, sich um sich selbst herumdrehenden Wege, welche den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/574>, abgerufen am 04.07.2024.