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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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ten, ließ auf ihren Charakter ganz verschiedenartig einwirkenden Sohne des Tau¬
genichts ließ ich die Heiligkeit moralischer und bürgerlicher Gesetze, die Unerläßlich¬
keit ehrlichen Worthaltens, pünktlicher Treue einschärfen, dem Sohne des Pedanten
wurde im Gegentheile alles dies leicht und bequem dargestellt und eigne, freie An¬
sicht wurde ihm empfohlen --

Christine. Jetzt sind sie fünfzehn Jahre --

Brühe. Sie sind gebildeter, sind feiner als ihre Väter, aber der Sohn des
Pedanten wird unaufhaltsam ein Pedant, der Sohn des Taugenichts rettungslos
ein Taugenichts.

Christine. DaS wäre-ja schrecklich! Wir wären ja dann unverantwortliche
Produkte, bloße Produkte wie Pflanze und Bannt Pfui doch, Brahe!

Brahe. Nicht ganz so, aber fast! Ihr vergißt die verschieden hinzu treten¬
den Weiber.

Christine. Das heißt: wir können's bis zur> Kreuzung der Thierracen
bringen --

Brahe. Ihr vergeßt, daß das Schicksal der Pflanze bloß durch Witterung
und Boden bestimmt wird, das Schicksal des Thiers auch nur geringer Verände¬
rung ausgesetzt ist -- dem Menschen aber kommen durch tausend Organe innerli¬
cher Embfängniß tausend Einflüsse, die nicht zu berechnen sind.

Christine. Und doch werden Eure Jägerburfchen nur eine Wiederholung ih¬
rer Väter, und doch ist ein Doppel-Stnre wie der andere --


Brahe. Das nicht --

Ch

(Ein Diener tritt auf, und iibcrgicl'r der Königin ein offe¬
ristine. Sondern?
nes Blntr -- nachdem sie gelesen, verabschiedet sie den Diener mit einer HandbeweauiW)
Militairlsche Uebertreibung! Aßt die Wachen scharf laden, weil ein verdächtiger
Mensch in den Schloßhöfen sei -- eine arme Fledermaus, die in den Eingang ge¬
rathen ist, und den Ausgang nicht wieder finden kann -- Ja, nun wie sieht es
-- K zu'vxos, wie steht es, Graf, mit der Verheirathung Eurer Tochter?' Ihr
wißt, daß ich sie nicht unnöthig beeilt sehn möchte; so lieblich jungfräuliche Blume
in meiner Umgebung erquickt mein Herz, und die Neigung zu Vetter Malström
scheint mir noch nicht in Reife zu stehn, wie?

Brahe. Eure Majestät mögen versichert sein, daß ich da nichts übereile;
auch die ächteste Neigung verliert an Kraft und Schönheit, wenn sie zu früh als
bekannt vorausgesetzt, oder gar von außen zum Abschlüsse getrieben wird. Alle
Neigung ist weiblichen Geschlechtes, und gedeiht nur, wenn sie Widerstand findet.

Christine. Als ob ihr Männer nicht eben so wärt! Was Euch in den
Schooß fällt, das hat nur halben Preis. Alle Neigung ist überirdisch, halb Him¬
mel, halb Hölle, ohne Hölle verliert sie den Reiz. Und glaubt Ihr denn, Vrahe


ten, ließ auf ihren Charakter ganz verschiedenartig einwirkenden Sohne des Tau¬
genichts ließ ich die Heiligkeit moralischer und bürgerlicher Gesetze, die Unerläßlich¬
keit ehrlichen Worthaltens, pünktlicher Treue einschärfen, dem Sohne des Pedanten
wurde im Gegentheile alles dies leicht und bequem dargestellt und eigne, freie An¬
sicht wurde ihm empfohlen —

Christine. Jetzt sind sie fünfzehn Jahre —

Brühe. Sie sind gebildeter, sind feiner als ihre Väter, aber der Sohn des
Pedanten wird unaufhaltsam ein Pedant, der Sohn des Taugenichts rettungslos
ein Taugenichts.

Christine. DaS wäre-ja schrecklich! Wir wären ja dann unverantwortliche
Produkte, bloße Produkte wie Pflanze und Bannt Pfui doch, Brahe!

Brahe. Nicht ganz so, aber fast! Ihr vergißt die verschieden hinzu treten¬
den Weiber.

Christine. Das heißt: wir können's bis zur> Kreuzung der Thierracen
bringen —

Brahe. Ihr vergeßt, daß das Schicksal der Pflanze bloß durch Witterung
und Boden bestimmt wird, das Schicksal des Thiers auch nur geringer Verände¬
rung ausgesetzt ist — dem Menschen aber kommen durch tausend Organe innerli¬
cher Embfängniß tausend Einflüsse, die nicht zu berechnen sind.

Christine. Und doch werden Eure Jägerburfchen nur eine Wiederholung ih¬
rer Väter, und doch ist ein Doppel-Stnre wie der andere —


Brahe. Das nicht —

Ch

(Ein Diener tritt auf, und iibcrgicl'r der Königin ein offe¬
ristine. Sondern?
nes Blntr — nachdem sie gelesen, verabschiedet sie den Diener mit einer HandbeweauiW)
Militairlsche Uebertreibung! Aßt die Wachen scharf laden, weil ein verdächtiger
Mensch in den Schloßhöfen sei — eine arme Fledermaus, die in den Eingang ge¬
rathen ist, und den Ausgang nicht wieder finden kann — Ja, nun wie sieht es
— K zu'vxos, wie steht es, Graf, mit der Verheirathung Eurer Tochter?' Ihr
wißt, daß ich sie nicht unnöthig beeilt sehn möchte; so lieblich jungfräuliche Blume
in meiner Umgebung erquickt mein Herz, und die Neigung zu Vetter Malström
scheint mir noch nicht in Reife zu stehn, wie?

Brahe. Eure Majestät mögen versichert sein, daß ich da nichts übereile;
auch die ächteste Neigung verliert an Kraft und Schönheit, wenn sie zu früh als
bekannt vorausgesetzt, oder gar von außen zum Abschlüsse getrieben wird. Alle
Neigung ist weiblichen Geschlechtes, und gedeiht nur, wenn sie Widerstand findet.

Christine. Als ob ihr Männer nicht eben so wärt! Was Euch in den
Schooß fällt, das hat nur halben Preis. Alle Neigung ist überirdisch, halb Him¬
mel, halb Hölle, ohne Hölle verliert sie den Reiz. Und glaubt Ihr denn, Vrahe


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[0054] ten, ließ auf ihren Charakter ganz verschiedenartig einwirkenden Sohne des Tau¬ genichts ließ ich die Heiligkeit moralischer und bürgerlicher Gesetze, die Unerläßlich¬ keit ehrlichen Worthaltens, pünktlicher Treue einschärfen, dem Sohne des Pedanten wurde im Gegentheile alles dies leicht und bequem dargestellt und eigne, freie An¬ sicht wurde ihm empfohlen — Christine. Jetzt sind sie fünfzehn Jahre — Brühe. Sie sind gebildeter, sind feiner als ihre Väter, aber der Sohn des Pedanten wird unaufhaltsam ein Pedant, der Sohn des Taugenichts rettungslos ein Taugenichts. Christine. DaS wäre-ja schrecklich! Wir wären ja dann unverantwortliche Produkte, bloße Produkte wie Pflanze und Bannt Pfui doch, Brahe! Brahe. Nicht ganz so, aber fast! Ihr vergißt die verschieden hinzu treten¬ den Weiber. Christine. Das heißt: wir können's bis zur> Kreuzung der Thierracen bringen — Brahe. Ihr vergeßt, daß das Schicksal der Pflanze bloß durch Witterung und Boden bestimmt wird, das Schicksal des Thiers auch nur geringer Verände¬ rung ausgesetzt ist — dem Menschen aber kommen durch tausend Organe innerli¬ cher Embfängniß tausend Einflüsse, die nicht zu berechnen sind. Christine. Und doch werden Eure Jägerburfchen nur eine Wiederholung ih¬ rer Väter, und doch ist ein Doppel-Stnre wie der andere — Brahe. Das nicht — Ch (Ein Diener tritt auf, und iibcrgicl'r der Königin ein offe¬ ristine. Sondern? nes Blntr — nachdem sie gelesen, verabschiedet sie den Diener mit einer HandbeweauiW) Militairlsche Uebertreibung! Aßt die Wachen scharf laden, weil ein verdächtiger Mensch in den Schloßhöfen sei — eine arme Fledermaus, die in den Eingang ge¬ rathen ist, und den Ausgang nicht wieder finden kann — Ja, nun wie sieht es — K zu'vxos, wie steht es, Graf, mit der Verheirathung Eurer Tochter?' Ihr wißt, daß ich sie nicht unnöthig beeilt sehn möchte; so lieblich jungfräuliche Blume in meiner Umgebung erquickt mein Herz, und die Neigung zu Vetter Malström scheint mir noch nicht in Reife zu stehn, wie? Brahe. Eure Majestät mögen versichert sein, daß ich da nichts übereile; auch die ächteste Neigung verliert an Kraft und Schönheit, wenn sie zu früh als bekannt vorausgesetzt, oder gar von außen zum Abschlüsse getrieben wird. Alle Neigung ist weiblichen Geschlechtes, und gedeiht nur, wenn sie Widerstand findet. Christine. Als ob ihr Männer nicht eben so wärt! Was Euch in den Schooß fällt, das hat nur halben Preis. Alle Neigung ist überirdisch, halb Him¬ mel, halb Hölle, ohne Hölle verliert sie den Reiz. Und glaubt Ihr denn, Vrahe

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/54>, abgerufen am 22.12.2024.