Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

ner'.Kraft sich verlassen" fühlte, dann war .er stets sicher, eine zu sei¬
ner Unterstützung bereite Hand zu finden., und seine ermattende Seele
ward durch den Zuruf einer immer wachen Stimme.gekräftigt. Denn-
keinesweges waren alle guten Gefühle, all? edlen Neigungen.in ihm,
erstorben. Wenn sie gleich mitten in der schwindelnden Bewegung des
Weltlebens eine Zeitlang in ihm eingeschlafen, waren, so. waren sie in "
seiner jetzigen Existenz, wo er ringsum von Elend und Verworfen¬
heit umgeben war, in all ihrer Kraft wieder erwacht; und dieses Elend,
diese Verworfenheit wurden ihm übergoldet durch Alles, , was eS Su--.'
ßes und Reines'giebt in der Erinnerung an ein fleckenloses, in dem^
Andenken an ein glückliches Leben. Eine jener unerklärlichen Wahl¬
verwandtschaften, welche die unvollkommene Sprache der Menschen nur.
mit dem Namen Sympathien: bezeichnen kann, hatte ihn zu Richard -
hingezogen, und beide kräftigem und stärkten einander, und halfen ein- >
ander das schwere Kreuz ihrer Schmach tragen. .

Seit langer Zeit schon hatte der Tambour der. .Citadelle das Zei-'
chen des Schlafengehens gegeben; denn schon hatte die Glocke der Ca-
thcdmle neun Uhr geschlagen. Draußen hörte man nur noch das
Gemurmel der Wogen des Flusses und der Stadt, welche sich zum
Schlafe anschickte. Drinnen wurde es auch überall.still. Die. Gar-!
nison hätte sich zur Ruhe begeben, und nur auf. den Wällen.hörte
man den.von Bastion zu Bastion kreisenden Ruf:. Habet Acht>!
Schildwachen! ' ' ...

Hin und wieder begleitete diesen Ruf . das Klirren, edles Gewehrs !
oder der Schritt "einer Schildwache/ die auf.ihrem Posten auf- und.
abspazirte, versunken in süße träumerische Erinnerungen, an das hei-,-
mathliche Dorf oder in traurige Betrachtungen über die Entfernung
von^ den Schlachtfeldern, den Erntefeldern des Ruhms, in,jener Zeit..
Der Himmel war düster, und die Festung in einen so dichten Nebel -
gehüllt, daß man von der Stadt aus auch nicht das kleinste Lichtchen
daselbst hätte schimmern sehn., Die Lampen erloschen , übrigens eine
nach der andern. Nur einige noch kämpften ihren Todeskampf mit
der Finsterniß in den Laternen des-Saals,,, wo die Bewohner des
Bägno', rings' herüm auf ihren. Holzbetten ausgestreckt waren.; und!
je mehre dieser Lichter völlig erstarben, desto geräuschvoller und tiefer,
würde' der Schlaf,dex' Insassen, dieses unglücklichen sagts..

So kam der Augenblick herbei, wo die vier Schildwachen, deren."


71

ner'.Kraft sich verlassen" fühlte, dann war .er stets sicher, eine zu sei¬
ner Unterstützung bereite Hand zu finden., und seine ermattende Seele
ward durch den Zuruf einer immer wachen Stimme.gekräftigt. Denn-
keinesweges waren alle guten Gefühle, all? edlen Neigungen.in ihm,
erstorben. Wenn sie gleich mitten in der schwindelnden Bewegung des
Weltlebens eine Zeitlang in ihm eingeschlafen, waren, so. waren sie in "
seiner jetzigen Existenz, wo er ringsum von Elend und Verworfen¬
heit umgeben war, in all ihrer Kraft wieder erwacht; und dieses Elend,
diese Verworfenheit wurden ihm übergoldet durch Alles, , was eS Su--.'
ßes und Reines'giebt in der Erinnerung an ein fleckenloses, in dem^
Andenken an ein glückliches Leben. Eine jener unerklärlichen Wahl¬
verwandtschaften, welche die unvollkommene Sprache der Menschen nur.
mit dem Namen Sympathien: bezeichnen kann, hatte ihn zu Richard -
hingezogen, und beide kräftigem und stärkten einander, und halfen ein- >
ander das schwere Kreuz ihrer Schmach tragen. .

Seit langer Zeit schon hatte der Tambour der. .Citadelle das Zei-'
chen des Schlafengehens gegeben; denn schon hatte die Glocke der Ca-
thcdmle neun Uhr geschlagen. Draußen hörte man nur noch das
Gemurmel der Wogen des Flusses und der Stadt, welche sich zum
Schlafe anschickte. Drinnen wurde es auch überall.still. Die. Gar-!
nison hätte sich zur Ruhe begeben, und nur auf. den Wällen.hörte
man den.von Bastion zu Bastion kreisenden Ruf:. Habet Acht>!
Schildwachen! ' ' ...

Hin und wieder begleitete diesen Ruf . das Klirren, edles Gewehrs !
oder der Schritt "einer Schildwache/ die auf.ihrem Posten auf- und.
abspazirte, versunken in süße träumerische Erinnerungen, an das hei-,-
mathliche Dorf oder in traurige Betrachtungen über die Entfernung
von^ den Schlachtfeldern, den Erntefeldern des Ruhms, in,jener Zeit..
Der Himmel war düster, und die Festung in einen so dichten Nebel -
gehüllt, daß man von der Stadt aus auch nicht das kleinste Lichtchen
daselbst hätte schimmern sehn., Die Lampen erloschen , übrigens eine
nach der andern. Nur einige noch kämpften ihren Todeskampf mit
der Finsterniß in den Laternen des-Saals,,, wo die Bewohner des
Bägno', rings' herüm auf ihren. Holzbetten ausgestreckt waren.; und!
je mehre dieser Lichter völlig erstarben, desto geräuschvoller und tiefer,
würde' der Schlaf,dex' Insassen, dieses unglücklichen sagts..

So kam der Augenblick herbei, wo die vier Schildwachen, deren."


71
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0539" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/267752"/>
          <p xml:id="ID_1867" prev="#ID_1866"> ner'.Kraft sich verlassen" fühlte, dann war .er stets sicher, eine zu sei¬<lb/>
ner Unterstützung bereite Hand zu finden., und seine ermattende Seele<lb/>
ward durch den Zuruf einer immer wachen Stimme.gekräftigt. Denn-<lb/>
keinesweges waren alle guten Gefühle, all? edlen Neigungen.in ihm,<lb/>
erstorben. Wenn sie gleich mitten in der schwindelnden Bewegung des<lb/>
Weltlebens eine Zeitlang in ihm eingeschlafen, waren, so. waren sie in "<lb/>
seiner jetzigen Existenz, wo er ringsum von Elend und Verworfen¬<lb/>
heit umgeben war, in all ihrer Kraft wieder erwacht; und dieses Elend,<lb/>
diese Verworfenheit wurden ihm übergoldet durch Alles, , was eS Su--.'<lb/>
ßes und Reines'giebt in der Erinnerung an ein fleckenloses, in dem^<lb/>
Andenken an ein glückliches Leben. Eine jener unerklärlichen Wahl¬<lb/>
verwandtschaften, welche die unvollkommene Sprache der Menschen nur.<lb/>
mit dem Namen Sympathien: bezeichnen kann, hatte ihn zu Richard -<lb/>
hingezogen, und beide kräftigem und stärkten einander, und halfen ein- &gt;<lb/>
ander das schwere Kreuz ihrer Schmach tragen. .</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1868"> Seit langer Zeit schon hatte der Tambour der. .Citadelle das Zei-'<lb/>
chen des Schlafengehens gegeben; denn schon hatte die Glocke der Ca-<lb/>
thcdmle neun Uhr geschlagen. Draußen hörte man nur noch das<lb/>
Gemurmel der Wogen des Flusses und der Stadt, welche sich zum<lb/>
Schlafe anschickte. Drinnen wurde es auch überall.still. Die. Gar-!<lb/>
nison hätte sich zur Ruhe begeben, und nur auf. den Wällen.hörte<lb/>
man den.von Bastion zu Bastion kreisenden Ruf:. Habet Acht&gt;!<lb/>
Schildwachen! ' ' ...</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1869"> Hin und wieder begleitete diesen Ruf . das Klirren, edles Gewehrs !<lb/>
oder der Schritt "einer Schildwache/ die auf.ihrem Posten auf- und.<lb/>
abspazirte, versunken in süße träumerische Erinnerungen, an das hei-,-<lb/>
mathliche Dorf oder in traurige Betrachtungen über die Entfernung<lb/>
von^ den Schlachtfeldern, den Erntefeldern des Ruhms, in,jener Zeit..<lb/>
Der Himmel war düster, und die Festung in einen so dichten Nebel -<lb/>
gehüllt, daß man von der Stadt aus auch nicht das kleinste Lichtchen<lb/>
daselbst hätte schimmern sehn., Die Lampen erloschen , übrigens eine<lb/>
nach der andern.  Nur einige noch kämpften ihren Todeskampf mit<lb/>
der Finsterniß in den Laternen des-Saals,,, wo die Bewohner des<lb/>
Bägno', rings' herüm auf ihren. Holzbetten ausgestreckt waren.; und!<lb/>
je mehre dieser Lichter völlig erstarben, desto geräuschvoller und tiefer,<lb/>
würde' der Schlaf,dex' Insassen, dieses unglücklichen sagts..</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1870" next="#ID_1871"> So kam der Augenblick herbei, wo die vier Schildwachen, deren."</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 71</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0539] ner'.Kraft sich verlassen" fühlte, dann war .er stets sicher, eine zu sei¬ ner Unterstützung bereite Hand zu finden., und seine ermattende Seele ward durch den Zuruf einer immer wachen Stimme.gekräftigt. Denn- keinesweges waren alle guten Gefühle, all? edlen Neigungen.in ihm, erstorben. Wenn sie gleich mitten in der schwindelnden Bewegung des Weltlebens eine Zeitlang in ihm eingeschlafen, waren, so. waren sie in " seiner jetzigen Existenz, wo er ringsum von Elend und Verworfen¬ heit umgeben war, in all ihrer Kraft wieder erwacht; und dieses Elend, diese Verworfenheit wurden ihm übergoldet durch Alles, , was eS Su--.' ßes und Reines'giebt in der Erinnerung an ein fleckenloses, in dem^ Andenken an ein glückliches Leben. Eine jener unerklärlichen Wahl¬ verwandtschaften, welche die unvollkommene Sprache der Menschen nur. mit dem Namen Sympathien: bezeichnen kann, hatte ihn zu Richard - hingezogen, und beide kräftigem und stärkten einander, und halfen ein- > ander das schwere Kreuz ihrer Schmach tragen. . Seit langer Zeit schon hatte der Tambour der. .Citadelle das Zei-' chen des Schlafengehens gegeben; denn schon hatte die Glocke der Ca- thcdmle neun Uhr geschlagen. Draußen hörte man nur noch das Gemurmel der Wogen des Flusses und der Stadt, welche sich zum Schlafe anschickte. Drinnen wurde es auch überall.still. Die. Gar-! nison hätte sich zur Ruhe begeben, und nur auf. den Wällen.hörte man den.von Bastion zu Bastion kreisenden Ruf:. Habet Acht>! Schildwachen! ' ' ... Hin und wieder begleitete diesen Ruf . das Klirren, edles Gewehrs ! oder der Schritt "einer Schildwache/ die auf.ihrem Posten auf- und. abspazirte, versunken in süße träumerische Erinnerungen, an das hei-,- mathliche Dorf oder in traurige Betrachtungen über die Entfernung von^ den Schlachtfeldern, den Erntefeldern des Ruhms, in,jener Zeit.. Der Himmel war düster, und die Festung in einen so dichten Nebel - gehüllt, daß man von der Stadt aus auch nicht das kleinste Lichtchen daselbst hätte schimmern sehn., Die Lampen erloschen , übrigens eine nach der andern. Nur einige noch kämpften ihren Todeskampf mit der Finsterniß in den Laternen des-Saals,,, wo die Bewohner des Bägno', rings' herüm auf ihren. Holzbetten ausgestreckt waren.; und! je mehre dieser Lichter völlig erstarben, desto geräuschvoller und tiefer, würde' der Schlaf,dex' Insassen, dieses unglücklichen sagts.. So kam der Augenblick herbei, wo die vier Schildwachen, deren." 71

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/539
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/539>, abgerufen am 22.12.2024.