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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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des Jammers nicht erwehren konnte. ES war aur hellen Tage, aber schauerlicher
wie in einer nächtlichen feuerspeienden Vcrgschlucht; die Maisonne und der Him-
melfahrtstag lächelten dazu. Als die Ricsenstnndcr der Säulcnlaube einknickten und
die schwere Kuppel zusammenstürzte, begleitete eine allgemeine Wehklage den don¬
nernden Fall. Die Spitze warf sich krachend westlich in die Straßen und auf die
Kirche selbst, und die himmelhohe Flamme setzte jetzt einen schwankenden Gluth-
thurm auf den Glockenstuhl und äffte dem geblendeten Auge einen schönen goldenen
Bau vor, daß man glaubte, Alles sei Traum, nichts als Traum; gleich einen:
Krater spie der offne > Schlund) des,-, Thurmes,, einen Feuerregen gen Himmel; die
Funken, wie Millionen Raketen, wirbelten mit dem rothenDampf wolkcnhoch und
flogen dann aus dem glühenden Rauch hervor, und trieben ein wunderbar liebli¬
ches Spiel auf dem' nächtlichen blauen Himmel, an dem die Sterne nur durch ihre
Unbeweglichkcitivon, diesen kostbaren Funken zu unterscheiden waren. .DaS dauerte
die ganze Nacht hindurch; schauerlich nickten die Flammen eins den hohen gothischen
Oeffnungen der Brandmauer, und durch die offnen Fensterwölbungen sah man sie
ein, geheimnißvoll grausig Spiel treiben; die abgerissene Kupferbekleidung hing wie
die zerfetzte Haut eines geschundenen Niesen ,über die Mistung der Brandmauer,
und'hob-und senkte sich, im Winde.' Hoch über der spielenden Dampf- und Fuii-
keufluth schwebte es silberweiß, und das scharfe Auge, erkannte an der regelmässigen
kreisförmigen Bewegung und der keilförmigen Zusammenstellung' -- die, Tauben,
dikMzu'.HMderhn' gesammelt! eine Hohe, erflatiert, 'zu '-der sie' sich .zuvor- wohl
nie.-öcrstrege'n,-'hätten'.',- ES lag etwas unaussprechlich, >Rührendes im Anblick dieser
zusa.inne.ngeschaarte'n friedlichen Geschöpfe, die nun'zu nächtlichen Zugvögeln gewor¬
den., .ihren Freunden,,den Menschen,ein schmerzlich Lebewohl brachten. Manche von
ihnen sah. man-matt .werden, und sich, nach und nach senkend in die Gluth stürzen.
Auch die,Bewohner des Thurmes, Habichte und Fledermäuse umkrcisctci^ in ra¬
schen großen Zügen die brennende Heimath, und mehrten das Grauen dieser nächt¬
lichem Scene. , Das, glühende Metall sprühte von'Zeit M Zeit über den Rand der
Brandmauer,, und.orpdir'te. sich in der'fristhcn Hist. ES war-ein herzbrechendes aber
ein großartiges tragisch-schönes Phänomen. -- Auch der Petrithurm sing am Tage
Feuer^-nachdem Alles, aufgeboten, ihn ,zu retten, mußte er gleiches Schicksal thei¬
len.',. Die, Momente, welche seinen' Sturz begleiteten, waren minder malerisch,
aber nicht minder traurig. Man war längst auf die Wahrscheinlichkeit seines
Brandes,^vorbereitet, .und als der blaue, Dampf zwischen der halbv'cr-
kalkten , Kupferbekleidung hervorzüngelte, und bald- darauf- die > Lohe her¬
ausschlug/- erschrak man nicht, - sondern stand still und dachte an die Trau-
crscene,! die,,sich jetzt verbreitete,, oder setzte, sich auch wohl weincttd an die dun¬
kele Allster' und, faltete unröMührlich die Hände. Der Wind wehte heftig, und


des Jammers nicht erwehren konnte. ES war aur hellen Tage, aber schauerlicher
wie in einer nächtlichen feuerspeienden Vcrgschlucht; die Maisonne und der Him-
melfahrtstag lächelten dazu. Als die Ricsenstnndcr der Säulcnlaube einknickten und
die schwere Kuppel zusammenstürzte, begleitete eine allgemeine Wehklage den don¬
nernden Fall. Die Spitze warf sich krachend westlich in die Straßen und auf die
Kirche selbst, und die himmelhohe Flamme setzte jetzt einen schwankenden Gluth-
thurm auf den Glockenstuhl und äffte dem geblendeten Auge einen schönen goldenen
Bau vor, daß man glaubte, Alles sei Traum, nichts als Traum; gleich einen:
Krater spie der offne > Schlund) des,-, Thurmes,, einen Feuerregen gen Himmel; die
Funken, wie Millionen Raketen, wirbelten mit dem rothenDampf wolkcnhoch und
flogen dann aus dem glühenden Rauch hervor, und trieben ein wunderbar liebli¬
ches Spiel auf dem' nächtlichen blauen Himmel, an dem die Sterne nur durch ihre
Unbeweglichkcitivon, diesen kostbaren Funken zu unterscheiden waren. .DaS dauerte
die ganze Nacht hindurch; schauerlich nickten die Flammen eins den hohen gothischen
Oeffnungen der Brandmauer, und durch die offnen Fensterwölbungen sah man sie
ein, geheimnißvoll grausig Spiel treiben; die abgerissene Kupferbekleidung hing wie
die zerfetzte Haut eines geschundenen Niesen ,über die Mistung der Brandmauer,
und'hob-und senkte sich, im Winde.' Hoch über der spielenden Dampf- und Fuii-
keufluth schwebte es silberweiß, und das scharfe Auge, erkannte an der regelmässigen
kreisförmigen Bewegung und der keilförmigen Zusammenstellung' — die, Tauben,
dikMzu'.HMderhn' gesammelt! eine Hohe, erflatiert, 'zu '-der sie' sich .zuvor- wohl
nie.-öcrstrege'n,-'hätten'.',- ES lag etwas unaussprechlich, >Rührendes im Anblick dieser
zusa.inne.ngeschaarte'n friedlichen Geschöpfe, die nun'zu nächtlichen Zugvögeln gewor¬
den., .ihren Freunden,,den Menschen,ein schmerzlich Lebewohl brachten. Manche von
ihnen sah. man-matt .werden, und sich, nach und nach senkend in die Gluth stürzen.
Auch die,Bewohner des Thurmes, Habichte und Fledermäuse umkrcisctci^ in ra¬
schen großen Zügen die brennende Heimath, und mehrten das Grauen dieser nächt¬
lichem Scene. , Das, glühende Metall sprühte von'Zeit M Zeit über den Rand der
Brandmauer,, und.orpdir'te. sich in der'fristhcn Hist. ES war-ein herzbrechendes aber
ein großartiges tragisch-schönes Phänomen. — Auch der Petrithurm sing am Tage
Feuer^-nachdem Alles, aufgeboten, ihn ,zu retten, mußte er gleiches Schicksal thei¬
len.',. Die, Momente, welche seinen' Sturz begleiteten, waren minder malerisch,
aber nicht minder traurig. Man war längst auf die Wahrscheinlichkeit seines
Brandes,^vorbereitet, .und als der blaue, Dampf zwischen der halbv'cr-
kalkten , Kupferbekleidung hervorzüngelte, und bald- darauf- die > Lohe her¬
ausschlug/- erschrak man nicht, - sondern stand still und dachte an die Trau-
crscene,! die,,sich jetzt verbreitete,, oder setzte, sich auch wohl weincttd an die dun¬
kele Allster' und, faltete unröMührlich die Hände. Der Wind wehte heftig, und


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[0516] des Jammers nicht erwehren konnte. ES war aur hellen Tage, aber schauerlicher wie in einer nächtlichen feuerspeienden Vcrgschlucht; die Maisonne und der Him- melfahrtstag lächelten dazu. Als die Ricsenstnndcr der Säulcnlaube einknickten und die schwere Kuppel zusammenstürzte, begleitete eine allgemeine Wehklage den don¬ nernden Fall. Die Spitze warf sich krachend westlich in die Straßen und auf die Kirche selbst, und die himmelhohe Flamme setzte jetzt einen schwankenden Gluth- thurm auf den Glockenstuhl und äffte dem geblendeten Auge einen schönen goldenen Bau vor, daß man glaubte, Alles sei Traum, nichts als Traum; gleich einen: Krater spie der offne > Schlund) des,-, Thurmes,, einen Feuerregen gen Himmel; die Funken, wie Millionen Raketen, wirbelten mit dem rothenDampf wolkcnhoch und flogen dann aus dem glühenden Rauch hervor, und trieben ein wunderbar liebli¬ ches Spiel auf dem' nächtlichen blauen Himmel, an dem die Sterne nur durch ihre Unbeweglichkcitivon, diesen kostbaren Funken zu unterscheiden waren. .DaS dauerte die ganze Nacht hindurch; schauerlich nickten die Flammen eins den hohen gothischen Oeffnungen der Brandmauer, und durch die offnen Fensterwölbungen sah man sie ein, geheimnißvoll grausig Spiel treiben; die abgerissene Kupferbekleidung hing wie die zerfetzte Haut eines geschundenen Niesen ,über die Mistung der Brandmauer, und'hob-und senkte sich, im Winde.' Hoch über der spielenden Dampf- und Fuii- keufluth schwebte es silberweiß, und das scharfe Auge, erkannte an der regelmässigen kreisförmigen Bewegung und der keilförmigen Zusammenstellung' — die, Tauben, dikMzu'.HMderhn' gesammelt! eine Hohe, erflatiert, 'zu '-der sie' sich .zuvor- wohl nie.-öcrstrege'n,-'hätten'.',- ES lag etwas unaussprechlich, >Rührendes im Anblick dieser zusa.inne.ngeschaarte'n friedlichen Geschöpfe, die nun'zu nächtlichen Zugvögeln gewor¬ den., .ihren Freunden,,den Menschen,ein schmerzlich Lebewohl brachten. Manche von ihnen sah. man-matt .werden, und sich, nach und nach senkend in die Gluth stürzen. Auch die,Bewohner des Thurmes, Habichte und Fledermäuse umkrcisctci^ in ra¬ schen großen Zügen die brennende Heimath, und mehrten das Grauen dieser nächt¬ lichem Scene. , Das, glühende Metall sprühte von'Zeit M Zeit über den Rand der Brandmauer,, und.orpdir'te. sich in der'fristhcn Hist. ES war-ein herzbrechendes aber ein großartiges tragisch-schönes Phänomen. — Auch der Petrithurm sing am Tage Feuer^-nachdem Alles, aufgeboten, ihn ,zu retten, mußte er gleiches Schicksal thei¬ len.',. Die, Momente, welche seinen' Sturz begleiteten, waren minder malerisch, aber nicht minder traurig. Man war längst auf die Wahrscheinlichkeit seines Brandes,^vorbereitet, .und als der blaue, Dampf zwischen der halbv'cr- kalkten , Kupferbekleidung hervorzüngelte, und bald- darauf- die > Lohe her¬ ausschlug/- erschrak man nicht, - sondern stand still und dachte an die Trau- crscene,! die,,sich jetzt verbreitete,, oder setzte, sich auch wohl weincttd an die dun¬ kele Allster' und, faltete unröMührlich die Hände. Der Wind wehte heftig, und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/516>, abgerufen am 22.12.2024.