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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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sende oder Millionen von Klemtheilchen, die, gleich Epikurs hakigen Ato¬
men, von Ungefähr zusammenstoßen, einen, Mann von Genie machen
könnten, sondern er ist ein mehr oder minder hochgestelltes, ein mehr
oder minder thätiges und vermögendes Glied einer Gemeinschaft, die
selbst von einer umfassenderen umschlossen ist, welche ihrerseits wiederum
andere, mehr und mehr ausgedehnte stufenmäßig umfangen, bis zu der
letzten, dem Staate. Alle diese sich umschließenden Gesellschaftskörper
wirken auf einander nach Art der planetarischen Sphären, die, umringt
von Satelliten, selbst um die Sonne gelagert sind und mit dieser eine
majestätische Einheit ausmachen. So verstanden, läßt das Repräsenta-
tivsystem viele Regierungsformen zu, und die eigentlich sogenannte Par-
lamcntsverfassung ist nichts als eine dieser besondern Formen. Da je¬
nes System mit dein Gesetz der Gleichheit untrennbar verbunden, diese
aber von der Oeffentlichkeit und Controle, das heißt, einestheils von der
gesetzlich geregelten Freiheit (denn das muß alle Freiheit sein), seine
Meinung auszusprechen, anderntheils von der Intervention von Versamm¬
lungen, welche Abgaben poliren und sich Rechenschaft ablegen lassen,
(womit keineswegs gesagt ist, daß diese Versammlungen permanent sein
und das Budget in allen Theilen Jahr für Jahr bestimmen sollen)
nicht zu scheiden ist, so muß es unfehlbar einst, ja in nächster Zukunft,
die Grundlage der allgemeinen politischen Weltordnung werden.

Die österreichische Negierung wird,,gleich den andern, zur Annah¬
me des Repräsentativsystems kommen; aber' sie ist unendlich bejonnen
und vorsichtig; zu Uebereilungen und Wagnissen ist sie am allerwenig¬
sten aufgelegt. Sobald jedoch das Bedürfniß sich im Lande fühlbar
macht, sobald die Bevölkerung jenes System fordert, wird sie gutwillig
ans Werk schreiten. Bis dahin, theils aus Schonung gegen die Ge¬
wohnheiten, die Ansichten und selbst die Vorurtheile ihrer Unterthanen,
weit mehr , jedoch vermöge jenes dem menschlichen Herzen eingeprägten
Gefühls, das uns abhält, der Macht, die wir besitzen, uns zu entäu¬
ßern, bis dahin, sage ich, wird sie sich aller Schritte enthalten.




Um Beispiele anzuführen, die zu beweisen geeignet sind, daß bei
der österreichischen Negierung die Liebe zur Ordnung und der Geist des
Cor>crvatismus das Gefühl des Fortschritts und den Sinn für die Zu¬
kunft nicht lahmen, desgleichen, daß bei ihr der Geist der Schonung mit
dem einer festen Entschlossenheit sich wohl verträgt, wird um'r unter der


sende oder Millionen von Klemtheilchen, die, gleich Epikurs hakigen Ato¬
men, von Ungefähr zusammenstoßen, einen, Mann von Genie machen
könnten, sondern er ist ein mehr oder minder hochgestelltes, ein mehr
oder minder thätiges und vermögendes Glied einer Gemeinschaft, die
selbst von einer umfassenderen umschlossen ist, welche ihrerseits wiederum
andere, mehr und mehr ausgedehnte stufenmäßig umfangen, bis zu der
letzten, dem Staate. Alle diese sich umschließenden Gesellschaftskörper
wirken auf einander nach Art der planetarischen Sphären, die, umringt
von Satelliten, selbst um die Sonne gelagert sind und mit dieser eine
majestätische Einheit ausmachen. So verstanden, läßt das Repräsenta-
tivsystem viele Regierungsformen zu, und die eigentlich sogenannte Par-
lamcntsverfassung ist nichts als eine dieser besondern Formen. Da je¬
nes System mit dein Gesetz der Gleichheit untrennbar verbunden, diese
aber von der Oeffentlichkeit und Controle, das heißt, einestheils von der
gesetzlich geregelten Freiheit (denn das muß alle Freiheit sein), seine
Meinung auszusprechen, anderntheils von der Intervention von Versamm¬
lungen, welche Abgaben poliren und sich Rechenschaft ablegen lassen,
(womit keineswegs gesagt ist, daß diese Versammlungen permanent sein
und das Budget in allen Theilen Jahr für Jahr bestimmen sollen)
nicht zu scheiden ist, so muß es unfehlbar einst, ja in nächster Zukunft,
die Grundlage der allgemeinen politischen Weltordnung werden.

Die österreichische Negierung wird,,gleich den andern, zur Annah¬
me des Repräsentativsystems kommen; aber' sie ist unendlich bejonnen
und vorsichtig; zu Uebereilungen und Wagnissen ist sie am allerwenig¬
sten aufgelegt. Sobald jedoch das Bedürfniß sich im Lande fühlbar
macht, sobald die Bevölkerung jenes System fordert, wird sie gutwillig
ans Werk schreiten. Bis dahin, theils aus Schonung gegen die Ge¬
wohnheiten, die Ansichten und selbst die Vorurtheile ihrer Unterthanen,
weit mehr , jedoch vermöge jenes dem menschlichen Herzen eingeprägten
Gefühls, das uns abhält, der Macht, die wir besitzen, uns zu entäu¬
ßern, bis dahin, sage ich, wird sie sich aller Schritte enthalten.




Um Beispiele anzuführen, die zu beweisen geeignet sind, daß bei
der österreichischen Negierung die Liebe zur Ordnung und der Geist des
Cor>crvatismus das Gefühl des Fortschritts und den Sinn für die Zu¬
kunft nicht lahmen, desgleichen, daß bei ihr der Geist der Schonung mit
dem einer festen Entschlossenheit sich wohl verträgt, wird um'r unter der


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[0511] sende oder Millionen von Klemtheilchen, die, gleich Epikurs hakigen Ato¬ men, von Ungefähr zusammenstoßen, einen, Mann von Genie machen könnten, sondern er ist ein mehr oder minder hochgestelltes, ein mehr oder minder thätiges und vermögendes Glied einer Gemeinschaft, die selbst von einer umfassenderen umschlossen ist, welche ihrerseits wiederum andere, mehr und mehr ausgedehnte stufenmäßig umfangen, bis zu der letzten, dem Staate. Alle diese sich umschließenden Gesellschaftskörper wirken auf einander nach Art der planetarischen Sphären, die, umringt von Satelliten, selbst um die Sonne gelagert sind und mit dieser eine majestätische Einheit ausmachen. So verstanden, läßt das Repräsenta- tivsystem viele Regierungsformen zu, und die eigentlich sogenannte Par- lamcntsverfassung ist nichts als eine dieser besondern Formen. Da je¬ nes System mit dein Gesetz der Gleichheit untrennbar verbunden, diese aber von der Oeffentlichkeit und Controle, das heißt, einestheils von der gesetzlich geregelten Freiheit (denn das muß alle Freiheit sein), seine Meinung auszusprechen, anderntheils von der Intervention von Versamm¬ lungen, welche Abgaben poliren und sich Rechenschaft ablegen lassen, (womit keineswegs gesagt ist, daß diese Versammlungen permanent sein und das Budget in allen Theilen Jahr für Jahr bestimmen sollen) nicht zu scheiden ist, so muß es unfehlbar einst, ja in nächster Zukunft, die Grundlage der allgemeinen politischen Weltordnung werden. Die österreichische Negierung wird,,gleich den andern, zur Annah¬ me des Repräsentativsystems kommen; aber' sie ist unendlich bejonnen und vorsichtig; zu Uebereilungen und Wagnissen ist sie am allerwenig¬ sten aufgelegt. Sobald jedoch das Bedürfniß sich im Lande fühlbar macht, sobald die Bevölkerung jenes System fordert, wird sie gutwillig ans Werk schreiten. Bis dahin, theils aus Schonung gegen die Ge¬ wohnheiten, die Ansichten und selbst die Vorurtheile ihrer Unterthanen, weit mehr , jedoch vermöge jenes dem menschlichen Herzen eingeprägten Gefühls, das uns abhält, der Macht, die wir besitzen, uns zu entäu¬ ßern, bis dahin, sage ich, wird sie sich aller Schritte enthalten. Um Beispiele anzuführen, die zu beweisen geeignet sind, daß bei der österreichischen Negierung die Liebe zur Ordnung und der Geist des Cor>crvatismus das Gefühl des Fortschritts und den Sinn für die Zu¬ kunft nicht lahmen, desgleichen, daß bei ihr der Geist der Schonung mit dem einer festen Entschlossenheit sich wohl verträgt, wird um'r unter der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/511>, abgerufen am 24.07.2024.