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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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Schnelligkeit seines Ganges sowohl wie das Bereich seiner Wirkung zu
beschränken bedacht ist.

Neben den Grundsätzen der Ordnung, die jede gute Regierung ge¬
gen schädliche Angriffe schützen muß, und sür deren Aufrechthaltung die
österreichische Regierung, mit einer Wachsamkeit, die an den Drachen
der hesveridischen Garten erinnert, alle Kräfte aufbietet, neben diesen
ewigen Grundpfeilern der Staaten, giebt es Ereignisse, welche wechseln,
und ohne Unterlaß zur Vervollkommnung drängen. In Hinsicht auf
diese, sei es directer oder indirecter Weise, müssen die Regeln eines Re¬
gierungssystems sich allmählig modificiren. Noch mehr, die Grundla¬
gen der Gesellschaft, obgleich sie ihrem Wesen nach unverrückt bleiben,
geben doch äußerlich in andere Gestalten über, um mit dem Wechsel
der Thatsachen gleichen Schritt zu halten. Daher stammen die unauf¬
hörlich wirkenden Ursachen der Wandelbarkeit und des Fortschrittes in
den'-staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen.'

Die sehr merkliche Veränderung, die in der Welt vorgeht,, hat ihren
Grund in der Vervollkommnung des Landbaus, der Manusaciuren und
des Handels, desgleichen in der Erweiterung der menschlichen Kennt¬
nisse; denn durch Alles dieses wird Wohlsein und Aufklärung, verbrei¬
tet. Daher kommen die Veränderungen in den Staats- und Gesellschafts¬
institutionen, in den internationalen Verhältnissen und in der innern Ge-,
setzgebung der Staaten. Die Folge davon ist eine immer tiefer grei¬
fende Umgestaltung der Verhältnisse der Völker untereinander, und der
verschiedenen Klassen, aus denen eine Nation zusammengesetzt ist. Der
Fortschritt der Industrie, der vorzugsweise friedlich ist, die Einweihung
einer immer größeren Anzahl von Menschen in die Geheimnisse der
Wissenschaft, welche nur im Schooße des Friedens gedeiht, dies Alles
wirkt dahin, dem Kriege unter den Völkern ein Ende zu machen, und
löscht bei jedem Volke die Sitten, Gebräuche und Gesetze des Krieges
aus. Der nämliche Einfluß, aber wohl verstanden unter der erhabenen
Einwirkung des religiösen Lebens, bringt es mit sich, daß das Verhält¬
niß des Obern zum Niedern, die Formel des Gehorsams, eine bestän¬
dige Verwandlung erleidet. So ist es geschehen, daß der Arbeiter aus
einem Sclaven ein Leibeigner, aus einem Leibeignen ein Besoldeter ge¬
worden ist, und daß er heutzutage, im westlichen Europa, den Ab¬
kömmlingen der angesehendsten Familien und den größten Würdeträgern
des Staates vor dem Gesetze gleich steht.


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Schnelligkeit seines Ganges sowohl wie das Bereich seiner Wirkung zu
beschränken bedacht ist.

Neben den Grundsätzen der Ordnung, die jede gute Regierung ge¬
gen schädliche Angriffe schützen muß, und sür deren Aufrechthaltung die
österreichische Regierung, mit einer Wachsamkeit, die an den Drachen
der hesveridischen Garten erinnert, alle Kräfte aufbietet, neben diesen
ewigen Grundpfeilern der Staaten, giebt es Ereignisse, welche wechseln,
und ohne Unterlaß zur Vervollkommnung drängen. In Hinsicht auf
diese, sei es directer oder indirecter Weise, müssen die Regeln eines Re¬
gierungssystems sich allmählig modificiren. Noch mehr, die Grundla¬
gen der Gesellschaft, obgleich sie ihrem Wesen nach unverrückt bleiben,
geben doch äußerlich in andere Gestalten über, um mit dem Wechsel
der Thatsachen gleichen Schritt zu halten. Daher stammen die unauf¬
hörlich wirkenden Ursachen der Wandelbarkeit und des Fortschrittes in
den'-staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen.'

Die sehr merkliche Veränderung, die in der Welt vorgeht,, hat ihren
Grund in der Vervollkommnung des Landbaus, der Manusaciuren und
des Handels, desgleichen in der Erweiterung der menschlichen Kennt¬
nisse; denn durch Alles dieses wird Wohlsein und Aufklärung, verbrei¬
tet. Daher kommen die Veränderungen in den Staats- und Gesellschafts¬
institutionen, in den internationalen Verhältnissen und in der innern Ge-,
setzgebung der Staaten. Die Folge davon ist eine immer tiefer grei¬
fende Umgestaltung der Verhältnisse der Völker untereinander, und der
verschiedenen Klassen, aus denen eine Nation zusammengesetzt ist. Der
Fortschritt der Industrie, der vorzugsweise friedlich ist, die Einweihung
einer immer größeren Anzahl von Menschen in die Geheimnisse der
Wissenschaft, welche nur im Schooße des Friedens gedeiht, dies Alles
wirkt dahin, dem Kriege unter den Völkern ein Ende zu machen, und
löscht bei jedem Volke die Sitten, Gebräuche und Gesetze des Krieges
aus. Der nämliche Einfluß, aber wohl verstanden unter der erhabenen
Einwirkung des religiösen Lebens, bringt es mit sich, daß das Verhält¬
niß des Obern zum Niedern, die Formel des Gehorsams, eine bestän¬
dige Verwandlung erleidet. So ist es geschehen, daß der Arbeiter aus
einem Sclaven ein Leibeigner, aus einem Leibeignen ein Besoldeter ge¬
worden ist, und daß er heutzutage, im westlichen Europa, den Ab¬
kömmlingen der angesehendsten Familien und den größten Würdeträgern
des Staates vor dem Gesetze gleich steht.


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[0507] Schnelligkeit seines Ganges sowohl wie das Bereich seiner Wirkung zu beschränken bedacht ist. Neben den Grundsätzen der Ordnung, die jede gute Regierung ge¬ gen schädliche Angriffe schützen muß, und sür deren Aufrechthaltung die österreichische Regierung, mit einer Wachsamkeit, die an den Drachen der hesveridischen Garten erinnert, alle Kräfte aufbietet, neben diesen ewigen Grundpfeilern der Staaten, giebt es Ereignisse, welche wechseln, und ohne Unterlaß zur Vervollkommnung drängen. In Hinsicht auf diese, sei es directer oder indirecter Weise, müssen die Regeln eines Re¬ gierungssystems sich allmählig modificiren. Noch mehr, die Grundla¬ gen der Gesellschaft, obgleich sie ihrem Wesen nach unverrückt bleiben, geben doch äußerlich in andere Gestalten über, um mit dem Wechsel der Thatsachen gleichen Schritt zu halten. Daher stammen die unauf¬ hörlich wirkenden Ursachen der Wandelbarkeit und des Fortschrittes in den'-staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen.' Die sehr merkliche Veränderung, die in der Welt vorgeht,, hat ihren Grund in der Vervollkommnung des Landbaus, der Manusaciuren und des Handels, desgleichen in der Erweiterung der menschlichen Kennt¬ nisse; denn durch Alles dieses wird Wohlsein und Aufklärung, verbrei¬ tet. Daher kommen die Veränderungen in den Staats- und Gesellschafts¬ institutionen, in den internationalen Verhältnissen und in der innern Ge-, setzgebung der Staaten. Die Folge davon ist eine immer tiefer grei¬ fende Umgestaltung der Verhältnisse der Völker untereinander, und der verschiedenen Klassen, aus denen eine Nation zusammengesetzt ist. Der Fortschritt der Industrie, der vorzugsweise friedlich ist, die Einweihung einer immer größeren Anzahl von Menschen in die Geheimnisse der Wissenschaft, welche nur im Schooße des Friedens gedeiht, dies Alles wirkt dahin, dem Kriege unter den Völkern ein Ende zu machen, und löscht bei jedem Volke die Sitten, Gebräuche und Gesetze des Krieges aus. Der nämliche Einfluß, aber wohl verstanden unter der erhabenen Einwirkung des religiösen Lebens, bringt es mit sich, daß das Verhält¬ niß des Obern zum Niedern, die Formel des Gehorsams, eine bestän¬ dige Verwandlung erleidet. So ist es geschehen, daß der Arbeiter aus einem Sclaven ein Leibeigner, aus einem Leibeignen ein Besoldeter ge¬ worden ist, und daß er heutzutage, im westlichen Europa, den Ab¬ kömmlingen der angesehendsten Familien und den größten Würdeträgern des Staates vor dem Gesetze gleich steht. 67

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/507>, abgerufen am 23.07.2024.