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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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waltschritt verabscheut, nimmt die Zeit, wie sie kommt, und die Welt,
wie sie ist, unbeschadet ihres Vorhabens, die Zeit zu benutzen und auf
die Welt allgemach zu wirken, Sie berücksichtigt die Sitten, selbst dann,
wenn sie damit umgeht, dieselben zu ändern. Sie nimmt vorläufig die
herrschenden Ideen an, mögen es Vorurtheile sein oder nicht, indem sie
es sich vorbehält, dieselben allmählig umzugestalten. Sie hütet sich, die
Art daran zu legen, denn das hieße der ganzen Gesellschaft, die heftig¬
sten Schmerzen bereiten, selbst Denen, deren Sache man zu dienen ge¬
sonnen wäre. Sie entsetzt sich vor den Maßregeln der Convention, wie
vor denen Peters des Großen.




Carlsbad ist tausendfach von absoluten Kaisern und Königen be¬
sucht worden, von denen einige eineM väterlichen Absolutismus, die an¬
dern einem ganz sorglosen ergeben waren, noch andere hegten den pro¬
gressivsten Despotismus, manche selbst, wie der jetzige König von Han¬
nover, zu dessen Ehren man an dem lieblichen Brunnen eine Säule er¬
richtet hat, den am wenigsten liebenswürdigen und verständigen Despo¬
tismus. Inschriften erinnern an die Anwesenheit der meisten Fürsten neue¬
rer Zeit aus dem russischen Kaiserhause. Der verstorbene König von
Preußen, ein trefflicher Mann, der sich ganz dem Wohl seiner Unter¬
chanen widmete, kam sehr oft hin. hinter dem Hause, worin ich woh¬
ne, am AbHange eines mit Tannen bedeckten Hügels ist eine ganz kleine
Esplanade, die seinen Namen-trägt, weil er sie besonders liebte; man
hat von da die schönste Aussicht aus das Töpclthal, auf Carlsbad und
auch auf die Berge, welche die Stadt von allen Seiten beherrschen.

Unter allen diesen Potentaten war Peter der Große ohne Wider¬
rede der unumschränkteste. Er gebrauchte zweimal die Bäder von Carls¬
bad. Im Jahr 1711 kam er mit einem zahlreichen Hofe hin, und auch
das nächstfolgende Jahr, nach der Vorschrift der Aerzte, welche wollen,
daß man zwei Saisons, zwei Euren mache, wie sie sagen, ein Aus¬
druck, der mir ein wenig gasconierhaft vorkommt. Peter der Große
hat Erinnerungen in Carlsbad zurückgelassen. Der Mann, welcher die
Macht besaß, eine zahlreiche Bevölkerung, so zu sagen, zwischen seinen
Händen zu kneten und den riesenhaftesten modernen Staat in die Welt
zu setzen, konnte an keinem Orte erscheinen, ohne Spuren seiner Anwe¬
senheit zu fassen. Er zeigte hier jenen stählernen Körper und jenen
ehernen Charakter, die aus ihm der Reihe nach den Soldaten des Haupt-


waltschritt verabscheut, nimmt die Zeit, wie sie kommt, und die Welt,
wie sie ist, unbeschadet ihres Vorhabens, die Zeit zu benutzen und auf
die Welt allgemach zu wirken, Sie berücksichtigt die Sitten, selbst dann,
wenn sie damit umgeht, dieselben zu ändern. Sie nimmt vorläufig die
herrschenden Ideen an, mögen es Vorurtheile sein oder nicht, indem sie
es sich vorbehält, dieselben allmählig umzugestalten. Sie hütet sich, die
Art daran zu legen, denn das hieße der ganzen Gesellschaft, die heftig¬
sten Schmerzen bereiten, selbst Denen, deren Sache man zu dienen ge¬
sonnen wäre. Sie entsetzt sich vor den Maßregeln der Convention, wie
vor denen Peters des Großen.




Carlsbad ist tausendfach von absoluten Kaisern und Königen be¬
sucht worden, von denen einige eineM väterlichen Absolutismus, die an¬
dern einem ganz sorglosen ergeben waren, noch andere hegten den pro¬
gressivsten Despotismus, manche selbst, wie der jetzige König von Han¬
nover, zu dessen Ehren man an dem lieblichen Brunnen eine Säule er¬
richtet hat, den am wenigsten liebenswürdigen und verständigen Despo¬
tismus. Inschriften erinnern an die Anwesenheit der meisten Fürsten neue¬
rer Zeit aus dem russischen Kaiserhause. Der verstorbene König von
Preußen, ein trefflicher Mann, der sich ganz dem Wohl seiner Unter¬
chanen widmete, kam sehr oft hin. hinter dem Hause, worin ich woh¬
ne, am AbHange eines mit Tannen bedeckten Hügels ist eine ganz kleine
Esplanade, die seinen Namen-trägt, weil er sie besonders liebte; man
hat von da die schönste Aussicht aus das Töpclthal, auf Carlsbad und
auch auf die Berge, welche die Stadt von allen Seiten beherrschen.

Unter allen diesen Potentaten war Peter der Große ohne Wider¬
rede der unumschränkteste. Er gebrauchte zweimal die Bäder von Carls¬
bad. Im Jahr 1711 kam er mit einem zahlreichen Hofe hin, und auch
das nächstfolgende Jahr, nach der Vorschrift der Aerzte, welche wollen,
daß man zwei Saisons, zwei Euren mache, wie sie sagen, ein Aus¬
druck, der mir ein wenig gasconierhaft vorkommt. Peter der Große
hat Erinnerungen in Carlsbad zurückgelassen. Der Mann, welcher die
Macht besaß, eine zahlreiche Bevölkerung, so zu sagen, zwischen seinen
Händen zu kneten und den riesenhaftesten modernen Staat in die Welt
zu setzen, konnte an keinem Orte erscheinen, ohne Spuren seiner Anwe¬
senheit zu fassen. Er zeigte hier jenen stählernen Körper und jenen
ehernen Charakter, die aus ihm der Reihe nach den Soldaten des Haupt-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/503>, abgerufen am 22.12.2024.