Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

umgekehrt wieder. Alles spekulative, L,chemin Holland weit,mehr, Ausdeh¬
nung gestaden^at^M in dem Mieder,Niederland^l)M
Vor der Reformation trat dieser Unterschied uicht so scharfhemuö. 'Aber die lu¬
therische Epoche war.der Schleif- und Probirsteinder Nationalitäten. Wiedie
Reformation in' dem/nördlichen Deutschland mehr/Anhänger gefunden,
als in dem, südlichen/ so war es auch in den Niederlanden der Fall,
und während die Holländer von Rom sich losgerissen haben, ist die Anhäng¬
lichkeit ber Flmnnnder eifriger als je geworden. Seit dieser Zeit trat
ein scharfer Unterschied dcrMschichte und Lebensweile ein.^ Holland warf
die ^ spanische Herrschaft entschieden-ab; es hatte nicht nur seine bürger¬
liche Freiheit, sondern , auch seine religiöse zu vertheidigen> und dieser
doppelte Sporn,, dich doppelte Angst,, dieser doppelte Haß steigerte seine
Kräfte -auf eine unerhörte Weisen In Flandern und Brabant dagegen
war es bei Weitem mehr der politische Druck, die politische Tyrannei,
als die religiöse,, gegen die! man sich empörte und selbst, in Mitte "des
blutigsten Unterjochungskrieges, der spanischen Machtvollstrecker, bestand noch
ein Band Zwischen dem Bedrücker und dem Bedrückten: der, katholische
Glaube! ' Darum ist es Spanien.-möglich geworden, in Südniedcrland
wieder festen Fuß zu fassen, und von dieser Stunde an hat der roma¬
nische Einfluß mit jedem Tage mehr Raum hier .gewonnen; Sitten und
Sprache vermengten sich; und als die Franzosen zu. Ende deS vorigen
Jahrhunderts Besitz von Belgien nahmen, wurde es , ihnen' nicht
schwer,'ihrer Sprache Eingang^zu verschaffen/ denn die Zeit hätte ih¬
nen ,tüchtig vorgearbeitet; die niederdeutsche Mundart War vernachlässigt
und uncnltivirt geblieben; man/weiß aus jener Zeit kein nur eini¬
germaßen leidliches Werk in flämändischer Sprache anzuführen, und die
Kaiserzeit hat sich natürlich nicht beeilt, das Nationalgefühl zu stärken.
Aber mit dem Sturze des großen französischen Reichs änderten sich so
viele Verhältnisse. ' Die südlichen und nördlichen Niederlande wurden
vereint, und fünfzehn Jahre hindurch gingen Flamänder und Holländer
Hand , in Hand miteinander^ Was man auch der holländifchcy. Negie¬
rung Nachteiliges nachsagt, so ,muß man doch immerhin gestehen, daß
sie, für die Erziehung Außerordentliches gethan. In den Schulen wurde
'das Flanmndische von nun an gewissenhaft gelehrt, und der alten
Sprache die Sclavenfesseln abgenommen. Hätte man sich damit begnügt!
Aber man blieb dabei'naht stehen. Die holländische Mundart sollte die Uni¬
versalsprache für das ganze Königreich der Niederlande werden. Son¬
derbares Schicksal eines Landes, in welchem zwei Mundarten leben, die


Lo"

umgekehrt wieder. Alles spekulative, L,chemin Holland weit,mehr, Ausdeh¬
nung gestaden^at^M in dem Mieder,Niederland^l)M
Vor der Reformation trat dieser Unterschied uicht so scharfhemuö. 'Aber die lu¬
therische Epoche war.der Schleif- und Probirsteinder Nationalitäten. Wiedie
Reformation in' dem/nördlichen Deutschland mehr/Anhänger gefunden,
als in dem, südlichen/ so war es auch in den Niederlanden der Fall,
und während die Holländer von Rom sich losgerissen haben, ist die Anhäng¬
lichkeit ber Flmnnnder eifriger als je geworden. Seit dieser Zeit trat
ein scharfer Unterschied dcrMschichte und Lebensweile ein.^ Holland warf
die ^ spanische Herrschaft entschieden-ab; es hatte nicht nur seine bürger¬
liche Freiheit, sondern , auch seine religiöse zu vertheidigen> und dieser
doppelte Sporn,, dich doppelte Angst,, dieser doppelte Haß steigerte seine
Kräfte -auf eine unerhörte Weisen In Flandern und Brabant dagegen
war es bei Weitem mehr der politische Druck, die politische Tyrannei,
als die religiöse,, gegen die! man sich empörte und selbst, in Mitte "des
blutigsten Unterjochungskrieges, der spanischen Machtvollstrecker, bestand noch
ein Band Zwischen dem Bedrücker und dem Bedrückten: der, katholische
Glaube! ' Darum ist es Spanien.-möglich geworden, in Südniedcrland
wieder festen Fuß zu fassen, und von dieser Stunde an hat der roma¬
nische Einfluß mit jedem Tage mehr Raum hier .gewonnen; Sitten und
Sprache vermengten sich; und als die Franzosen zu. Ende deS vorigen
Jahrhunderts Besitz von Belgien nahmen, wurde es , ihnen' nicht
schwer,'ihrer Sprache Eingang^zu verschaffen/ denn die Zeit hätte ih¬
nen ,tüchtig vorgearbeitet; die niederdeutsche Mundart War vernachlässigt
und uncnltivirt geblieben; man/weiß aus jener Zeit kein nur eini¬
germaßen leidliches Werk in flämändischer Sprache anzuführen, und die
Kaiserzeit hat sich natürlich nicht beeilt, das Nationalgefühl zu stärken.
Aber mit dem Sturze des großen französischen Reichs änderten sich so
viele Verhältnisse. ' Die südlichen und nördlichen Niederlande wurden
vereint, und fünfzehn Jahre hindurch gingen Flamänder und Holländer
Hand , in Hand miteinander^ Was man auch der holländifchcy. Negie¬
rung Nachteiliges nachsagt, so ,muß man doch immerhin gestehen, daß
sie, für die Erziehung Außerordentliches gethan. In den Schulen wurde
'das Flanmndische von nun an gewissenhaft gelehrt, und der alten
Sprache die Sclavenfesseln abgenommen. Hätte man sich damit begnügt!
Aber man blieb dabei'naht stehen. Die holländische Mundart sollte die Uni¬
versalsprache für das ganze Königreich der Niederlande werden. Son¬
derbares Schicksal eines Landes, in welchem zwei Mundarten leben, die


Lo»
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0493" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/267706"/>
            <p xml:id="ID_1725" prev="#ID_1724" next="#ID_1726"> umgekehrt wieder. Alles spekulative, L,chemin Holland weit,mehr, Ausdeh¬<lb/>
nung gestaden^at^M in dem Mieder,Niederland^l)M<lb/>
Vor der Reformation trat dieser Unterschied uicht so scharfhemuö. 'Aber die lu¬<lb/>
therische Epoche war.der Schleif- und Probirsteinder Nationalitäten. Wiedie<lb/>
Reformation in' dem/nördlichen Deutschland mehr/Anhänger gefunden,<lb/>
als in dem, südlichen/ so war es auch in den Niederlanden der Fall,<lb/>
und während die Holländer von Rom sich losgerissen haben, ist die Anhäng¬<lb/>
lichkeit ber Flmnnnder eifriger als je geworden. Seit dieser Zeit trat<lb/>
ein scharfer Unterschied dcrMschichte und Lebensweile ein.^ Holland warf<lb/>
die ^ spanische Herrschaft entschieden-ab; es hatte nicht nur seine bürger¬<lb/>
liche Freiheit, sondern , auch seine religiöse zu vertheidigen&gt; und dieser<lb/>
doppelte Sporn,, dich doppelte Angst,, dieser doppelte Haß steigerte seine<lb/>
Kräfte -auf eine unerhörte Weisen In Flandern und Brabant dagegen<lb/>
war es bei Weitem mehr der politische Druck, die politische Tyrannei,<lb/>
als die religiöse,, gegen die! man sich empörte und selbst, in Mitte "des<lb/>
blutigsten Unterjochungskrieges, der spanischen Machtvollstrecker, bestand noch<lb/>
ein Band Zwischen dem Bedrücker und dem Bedrückten: der, katholische<lb/>
Glaube! ' Darum ist es Spanien.-möglich geworden, in Südniedcrland<lb/>
wieder festen Fuß zu fassen, und von dieser Stunde an hat der roma¬<lb/>
nische Einfluß mit jedem Tage mehr Raum hier .gewonnen; Sitten und<lb/>
Sprache vermengten sich; und als die Franzosen zu. Ende deS vorigen<lb/>
Jahrhunderts Besitz von Belgien nahmen, wurde es , ihnen' nicht<lb/>
schwer,'ihrer Sprache Eingang^zu verschaffen/ denn die Zeit hätte ih¬<lb/>
nen ,tüchtig vorgearbeitet; die niederdeutsche Mundart War vernachlässigt<lb/>
und uncnltivirt geblieben; man/weiß aus jener Zeit kein nur eini¬<lb/>
germaßen leidliches Werk in flämändischer Sprache anzuführen, und die<lb/>
Kaiserzeit hat sich natürlich nicht beeilt, das Nationalgefühl zu stärken.<lb/>
Aber mit dem Sturze des großen französischen Reichs änderten sich so<lb/>
viele Verhältnisse. ' Die südlichen und nördlichen Niederlande wurden<lb/>
vereint, und fünfzehn Jahre hindurch gingen Flamänder und Holländer<lb/>
Hand , in Hand miteinander^ Was man auch der holländifchcy. Negie¬<lb/>
rung Nachteiliges nachsagt, so ,muß man doch immerhin gestehen, daß<lb/>
sie, für die Erziehung Außerordentliches gethan. In den Schulen wurde<lb/>
'das Flanmndische von nun an gewissenhaft gelehrt, und der alten<lb/>
Sprache die Sclavenfesseln abgenommen. Hätte man sich damit begnügt!<lb/>
Aber man blieb dabei'naht stehen. Die holländische Mundart sollte die Uni¬<lb/>
versalsprache für das ganze Königreich der Niederlande werden. Son¬<lb/>
derbares Schicksal eines Landes, in welchem zwei Mundarten leben, die</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Lo»</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0493] umgekehrt wieder. Alles spekulative, L,chemin Holland weit,mehr, Ausdeh¬ nung gestaden^at^M in dem Mieder,Niederland^l)M Vor der Reformation trat dieser Unterschied uicht so scharfhemuö. 'Aber die lu¬ therische Epoche war.der Schleif- und Probirsteinder Nationalitäten. Wiedie Reformation in' dem/nördlichen Deutschland mehr/Anhänger gefunden, als in dem, südlichen/ so war es auch in den Niederlanden der Fall, und während die Holländer von Rom sich losgerissen haben, ist die Anhäng¬ lichkeit ber Flmnnnder eifriger als je geworden. Seit dieser Zeit trat ein scharfer Unterschied dcrMschichte und Lebensweile ein.^ Holland warf die ^ spanische Herrschaft entschieden-ab; es hatte nicht nur seine bürger¬ liche Freiheit, sondern , auch seine religiöse zu vertheidigen> und dieser doppelte Sporn,, dich doppelte Angst,, dieser doppelte Haß steigerte seine Kräfte -auf eine unerhörte Weisen In Flandern und Brabant dagegen war es bei Weitem mehr der politische Druck, die politische Tyrannei, als die religiöse,, gegen die! man sich empörte und selbst, in Mitte "des blutigsten Unterjochungskrieges, der spanischen Machtvollstrecker, bestand noch ein Band Zwischen dem Bedrücker und dem Bedrückten: der, katholische Glaube! ' Darum ist es Spanien.-möglich geworden, in Südniedcrland wieder festen Fuß zu fassen, und von dieser Stunde an hat der roma¬ nische Einfluß mit jedem Tage mehr Raum hier .gewonnen; Sitten und Sprache vermengten sich; und als die Franzosen zu. Ende deS vorigen Jahrhunderts Besitz von Belgien nahmen, wurde es , ihnen' nicht schwer,'ihrer Sprache Eingang^zu verschaffen/ denn die Zeit hätte ih¬ nen ,tüchtig vorgearbeitet; die niederdeutsche Mundart War vernachlässigt und uncnltivirt geblieben; man/weiß aus jener Zeit kein nur eini¬ germaßen leidliches Werk in flämändischer Sprache anzuführen, und die Kaiserzeit hat sich natürlich nicht beeilt, das Nationalgefühl zu stärken. Aber mit dem Sturze des großen französischen Reichs änderten sich so viele Verhältnisse. ' Die südlichen und nördlichen Niederlande wurden vereint, und fünfzehn Jahre hindurch gingen Flamänder und Holländer Hand , in Hand miteinander^ Was man auch der holländifchcy. Negie¬ rung Nachteiliges nachsagt, so ,muß man doch immerhin gestehen, daß sie, für die Erziehung Außerordentliches gethan. In den Schulen wurde 'das Flanmndische von nun an gewissenhaft gelehrt, und der alten Sprache die Sclavenfesseln abgenommen. Hätte man sich damit begnügt! Aber man blieb dabei'naht stehen. Die holländische Mundart sollte die Uni¬ versalsprache für das ganze Königreich der Niederlande werden. Son¬ derbares Schicksal eines Landes, in welchem zwei Mundarten leben, die Lo»

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/493
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/493>, abgerufen am 02.07.2024.