Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester., cher ins Gebiet der Phraseologie/ aber die einschränkende Erklärung der Auch finden wir es ganz natürlich, daß sich die Begeisterung nicht , cher ins Gebiet der Phraseologie/ aber die einschränkende Erklärung der Auch finden wir es ganz natürlich, daß sich die Begeisterung nicht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0484" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/267697"/> <p xml:id="ID_1699" prev="#ID_1698"> , cher ins Gebiet der Phraseologie/ aber die einschränkende Erklärung der<lb/> Phrase liegt eben in der Zahl. Das Publikum weiß, daß Phrasen nichts<lb/> kosten, und hält sich an den Schluß des Berichts: Der Künstler wurde<lb/> zwölfmal gerufen/ Jetzt ist der Leser im Reinen, und weiß, der Künstler<lb/> Hat nicht besonders gefallen. —</p><lb/> <p xml:id="ID_1700"> Auch finden wir es ganz natürlich, daß sich die Begeisterung nicht<lb/> sogleich mit dem letzten Fallen des Vorhangs beschwichtigen läßt. Was<lb/> hat die Begeisterung mit dem Vorhang zu schaffen^? Der Enthusiasmus<lb/> thut wohl daran, den Künstler bis an sein Haus zu geleiten, vor seinen<lb/> Fenstern sich noch einmal zu mamfestire'n, und unter freiem Himmel end¬<lb/> lich sich in süße Erinnerung an den gehabten Kunstgenuß sanft aufzulö¬<lb/> sen.. Was ist daran Arges, wenn z. B. eine Künstlerin jungen feurigen<lb/> Leuten, die ihren Wagen umringen, das Schnupftuch zuwirft? Umgekehrt<lb/> könnte die Moral einen Anstoß daran finden, aber so ist es ganz in der<lb/> Orwung. Nicht minder unrecht ist es, Personen, die in der Lage sind,<lb/> unabhängig leben zu können, und die es gerade nicht nöthig haben, Last¬<lb/> thieren gleich an dem Pfluge des Geschäftslebens M ziehen, einen Vor¬<lb/> wurf aus ihrer Liebe zum Theater zu machen, ihre Neigung zur Kunst,<lb/> Theaterwuth, und sie selbst Enthusiasten, wenn nicht gar schlimmer zu<lb/> benennen. Hätte nur jedes Theater recht viel solcher Enthusiasten. Sie<lb/> sind der Bühne das, was ein respectabler reicher Hausfreund jener Fa¬<lb/> milie ist, zu der er' in freundschaftlicher Beziehung steht. Er ist in Leid<lb/> und Freud der freundliche Berather, er spricht aller Orten Gutes von<lb/> ihr, er tadelt niemals öffentlich und laut, höchstens unter vier Augen,<lb/> wenn es schon geschehen muß, er hilft, wo er kann, und hat auch für<lb/> das geringste Glied der Familie (in unserem Beispiel für die letzte Sta¬<lb/> tistin) taufend Aufmerksamkeiten. Kann es befremden, daß er sich auch<lb/> gegen die gern gesehenen Gäste des Hauses in Artigkeiten erschöpft, daß<lb/> er sie freudig willkommen heißt, und ihnen, wenn sie scheiden, ein herz¬<lb/> liches „Lebewohl" nachruft? Man muß es seiner Freundschaft zu Gute<lb/> halten, wenn er in seiner liebenswürdigen Freundlichkeit allenfalls et¬<lb/> was zu weit geht. Diese Hausfreunde in entsprechender Anzahl sind die<lb/> sichersten Bürgen für das Gedeihen der Entreprise. In gewisser Hin¬<lb/> sicht sind zwar auch die Männer des Freibillets Bürgen des Gelingens,<lb/> aber die Hausfreunde sind es in weit höherem Grade, denn diese sind<lb/> Bürgen und Zahler.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0484]
, cher ins Gebiet der Phraseologie/ aber die einschränkende Erklärung der
Phrase liegt eben in der Zahl. Das Publikum weiß, daß Phrasen nichts
kosten, und hält sich an den Schluß des Berichts: Der Künstler wurde
zwölfmal gerufen/ Jetzt ist der Leser im Reinen, und weiß, der Künstler
Hat nicht besonders gefallen. —
Auch finden wir es ganz natürlich, daß sich die Begeisterung nicht
sogleich mit dem letzten Fallen des Vorhangs beschwichtigen läßt. Was
hat die Begeisterung mit dem Vorhang zu schaffen^? Der Enthusiasmus
thut wohl daran, den Künstler bis an sein Haus zu geleiten, vor seinen
Fenstern sich noch einmal zu mamfestire'n, und unter freiem Himmel end¬
lich sich in süße Erinnerung an den gehabten Kunstgenuß sanft aufzulö¬
sen.. Was ist daran Arges, wenn z. B. eine Künstlerin jungen feurigen
Leuten, die ihren Wagen umringen, das Schnupftuch zuwirft? Umgekehrt
könnte die Moral einen Anstoß daran finden, aber so ist es ganz in der
Orwung. Nicht minder unrecht ist es, Personen, die in der Lage sind,
unabhängig leben zu können, und die es gerade nicht nöthig haben, Last¬
thieren gleich an dem Pfluge des Geschäftslebens M ziehen, einen Vor¬
wurf aus ihrer Liebe zum Theater zu machen, ihre Neigung zur Kunst,
Theaterwuth, und sie selbst Enthusiasten, wenn nicht gar schlimmer zu
benennen. Hätte nur jedes Theater recht viel solcher Enthusiasten. Sie
sind der Bühne das, was ein respectabler reicher Hausfreund jener Fa¬
milie ist, zu der er' in freundschaftlicher Beziehung steht. Er ist in Leid
und Freud der freundliche Berather, er spricht aller Orten Gutes von
ihr, er tadelt niemals öffentlich und laut, höchstens unter vier Augen,
wenn es schon geschehen muß, er hilft, wo er kann, und hat auch für
das geringste Glied der Familie (in unserem Beispiel für die letzte Sta¬
tistin) taufend Aufmerksamkeiten. Kann es befremden, daß er sich auch
gegen die gern gesehenen Gäste des Hauses in Artigkeiten erschöpft, daß
er sie freudig willkommen heißt, und ihnen, wenn sie scheiden, ein herz¬
liches „Lebewohl" nachruft? Man muß es seiner Freundschaft zu Gute
halten, wenn er in seiner liebenswürdigen Freundlichkeit allenfalls et¬
was zu weit geht. Diese Hausfreunde in entsprechender Anzahl sind die
sichersten Bürgen für das Gedeihen der Entreprise. In gewisser Hin¬
sicht sind zwar auch die Männer des Freibillets Bürgen des Gelingens,
aber die Hausfreunde sind es in weit höherem Grade, denn diese sind
Bürgen und Zahler.
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