Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

Leopold Mozart,^ Unter-Kapellmeister in Diensteid des Fürstbischofs
von Salzburg, war der Bater von Wolfgang Mozart. Eins der Kin¬
der,' die sich an Grimm's Heerde gewärmt hatten, war bestimmt/ eines
Tags der Schöpfer des Don Juan zu sein. Leopold Mozart wär'
seit mehreren Tagen in Paris ohne Beschützer, ohne Freunde, kaum ei¬
nige Worte der französischen Sprache versteh, end; er fing an, den Muth
zu verlieren, als er sich an den Brief erinnerte, den ihm der Secretär
des Fürstbischofs für H. Grimm gegeben hatte; "er beeilte sich, ihn per¬
sönlich zu überreichen, und konnte sich Glück wünschen, diesen Beschützer
gefunden zu haben; in dem Zustande gänzlichen Alleinstehcns, in wel¬
chem er sich befand, war das ein wichtiger Punkt. Nur begriff er nicht,
wie dieser Beschützer, der, wie man ihm gesagt hatte, ein Schriftsteller
war, den Aufwand und das Benehmen einer reichen Person haben konnte.
Anstatt des' kleinen, saubern, aber einfachen Zimmers seines Freundes
Friedrich Böhmer, 'der auch ein Schriftsteller und obendrein Secretär
eines Fürstbischofs war, hatte er einen prachtvoll verzierten Salon ge¬
sehen. Wenn die Schriftsteller so leben, dachte er, was müssen die gro¬
ßen Herrn für einen Aufwand machen? Jedoch ward ihm bald Gele¬
genheit, sich zu überzeugen, daß nicht alle Schriftsteller so schön wohn¬
ten, wie Grimm, der Correspondent der nordischen Souveräne.
'

Alles, was der Unter-Kapellmeister des Fürstbischofs sah, war neu
für ihn; und seine Kinder, die ihn' auf seinen Spaziergängen durch die
Straßen von Paris begleiteten, theilten sein Erstaunen. Die Schönheit
der Gebäude, der Reichthum der Equipagen, die Eleganz der Läden, die
damals, wie heute, in ganz Europa berühmt waren, die Lebendigkeit, die
ringsumher herrschte, -- das Alles versetzte unsre guten-Bürgersleute
in Erstaunen, da sie an das Stillschweigen der kleinen Städte Deutsch¬
lands gewöhnt waren. Nur machte Wolfgang Mozart von Zeit zu
Zeit seine Schwester darauf aufmerksam, eine wie falsche Stimme die
Straßensänger hätten und mit wie schlechten Instrumenten sie sich beglei¬
teten. Als Leopold Mozart eines Tags von einer Dieser Ercursionem
heimkehrte, fand er sich angenehm überrascht, als er in seinem Gasthof
in der Se. Martinsstraße Billets zur Oper vorfand, die ihm Grimm
geschickt hatte; es war dies für die zweite Vorstellung im Tuileriensaal.
Da sie zu glauben berechtigt waren, daß der Zudrang an diesem Abend
bedeutend sein werde, so nahmen sich unsre Deutschen kaum Zeit, um
einigermaßen anständige Toilette zu machen; ihr Mittagbrod aßen sie
nur halb, und so kamen sie an die Thüren des Theaters an zwei Senn-


Leopold Mozart,^ Unter-Kapellmeister in Diensteid des Fürstbischofs
von Salzburg, war der Bater von Wolfgang Mozart. Eins der Kin¬
der,' die sich an Grimm's Heerde gewärmt hatten, war bestimmt/ eines
Tags der Schöpfer des Don Juan zu sein. Leopold Mozart wär'
seit mehreren Tagen in Paris ohne Beschützer, ohne Freunde, kaum ei¬
nige Worte der französischen Sprache versteh, end; er fing an, den Muth
zu verlieren, als er sich an den Brief erinnerte, den ihm der Secretär
des Fürstbischofs für H. Grimm gegeben hatte; „er beeilte sich, ihn per¬
sönlich zu überreichen, und konnte sich Glück wünschen, diesen Beschützer
gefunden zu haben; in dem Zustande gänzlichen Alleinstehcns, in wel¬
chem er sich befand, war das ein wichtiger Punkt. Nur begriff er nicht,
wie dieser Beschützer, der, wie man ihm gesagt hatte, ein Schriftsteller
war, den Aufwand und das Benehmen einer reichen Person haben konnte.
Anstatt des' kleinen, saubern, aber einfachen Zimmers seines Freundes
Friedrich Böhmer, 'der auch ein Schriftsteller und obendrein Secretär
eines Fürstbischofs war, hatte er einen prachtvoll verzierten Salon ge¬
sehen. Wenn die Schriftsteller so leben, dachte er, was müssen die gro¬
ßen Herrn für einen Aufwand machen? Jedoch ward ihm bald Gele¬
genheit, sich zu überzeugen, daß nicht alle Schriftsteller so schön wohn¬
ten, wie Grimm, der Correspondent der nordischen Souveräne.
'

Alles, was der Unter-Kapellmeister des Fürstbischofs sah, war neu
für ihn; und seine Kinder, die ihn' auf seinen Spaziergängen durch die
Straßen von Paris begleiteten, theilten sein Erstaunen. Die Schönheit
der Gebäude, der Reichthum der Equipagen, die Eleganz der Läden, die
damals, wie heute, in ganz Europa berühmt waren, die Lebendigkeit, die
ringsumher herrschte, — das Alles versetzte unsre guten-Bürgersleute
in Erstaunen, da sie an das Stillschweigen der kleinen Städte Deutsch¬
lands gewöhnt waren. Nur machte Wolfgang Mozart von Zeit zu
Zeit seine Schwester darauf aufmerksam, eine wie falsche Stimme die
Straßensänger hätten und mit wie schlechten Instrumenten sie sich beglei¬
teten. Als Leopold Mozart eines Tags von einer Dieser Ercursionem
heimkehrte, fand er sich angenehm überrascht, als er in seinem Gasthof
in der Se. Martinsstraße Billets zur Oper vorfand, die ihm Grimm
geschickt hatte; es war dies für die zweite Vorstellung im Tuileriensaal.
Da sie zu glauben berechtigt waren, daß der Zudrang an diesem Abend
bedeutend sein werde, so nahmen sich unsre Deutschen kaum Zeit, um
einigermaßen anständige Toilette zu machen; ihr Mittagbrod aßen sie
nur halb, und so kamen sie an die Thüren des Theaters an zwei Senn-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0460" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/267673"/>
          <p xml:id="ID_1635"> Leopold Mozart,^ Unter-Kapellmeister in Diensteid des Fürstbischofs<lb/>
von Salzburg, war der Bater von Wolfgang Mozart. Eins der Kin¬<lb/>
der,' die sich an Grimm's Heerde gewärmt hatten, war bestimmt/ eines<lb/>
Tags der Schöpfer des Don Juan zu sein. Leopold Mozart wär'<lb/>
seit mehreren Tagen in Paris ohne Beschützer, ohne Freunde, kaum ei¬<lb/>
nige Worte der französischen Sprache versteh, end; er fing an, den Muth<lb/>
zu verlieren, als er sich an den Brief erinnerte, den ihm der Secretär<lb/>
des Fürstbischofs für H. Grimm gegeben hatte; &#x201E;er beeilte sich, ihn per¬<lb/>
sönlich zu überreichen, und konnte sich Glück wünschen, diesen Beschützer<lb/>
gefunden zu haben; in dem Zustande gänzlichen Alleinstehcns, in wel¬<lb/>
chem er sich befand, war das ein wichtiger Punkt. Nur begriff er nicht,<lb/>
wie dieser Beschützer, der, wie man ihm gesagt hatte, ein Schriftsteller<lb/>
war, den Aufwand und das Benehmen einer reichen Person haben konnte.<lb/>
Anstatt des' kleinen, saubern, aber einfachen Zimmers seines Freundes<lb/>
Friedrich Böhmer, 'der auch ein Schriftsteller und obendrein Secretär<lb/>
eines Fürstbischofs war, hatte er einen prachtvoll verzierten Salon ge¬<lb/>
sehen. Wenn die Schriftsteller so leben, dachte er, was müssen die gro¬<lb/>
ßen Herrn für einen Aufwand machen? Jedoch ward ihm bald Gele¬<lb/>
genheit, sich zu überzeugen, daß nicht alle Schriftsteller so schön wohn¬<lb/>
ten, wie Grimm, der Correspondent der nordischen Souveräne.<lb/>
'</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1636" next="#ID_1637"> Alles, was der Unter-Kapellmeister des Fürstbischofs sah, war neu<lb/>
für ihn; und seine Kinder, die ihn' auf seinen Spaziergängen durch die<lb/>
Straßen von Paris begleiteten, theilten sein Erstaunen. Die Schönheit<lb/>
der Gebäude, der Reichthum der Equipagen, die Eleganz der Läden, die<lb/>
damals, wie heute, in ganz Europa berühmt waren, die Lebendigkeit, die<lb/>
ringsumher herrschte, &#x2014; das Alles versetzte unsre guten-Bürgersleute<lb/>
in Erstaunen, da sie an das Stillschweigen der kleinen Städte Deutsch¬<lb/>
lands gewöhnt waren.  Nur machte Wolfgang Mozart von Zeit zu<lb/>
Zeit seine Schwester darauf aufmerksam, eine wie falsche Stimme die<lb/>
Straßensänger hätten und mit wie schlechten Instrumenten sie sich beglei¬<lb/>
teten.  Als Leopold Mozart eines Tags von einer Dieser Ercursionem<lb/>
heimkehrte, fand er sich angenehm überrascht, als er in seinem Gasthof<lb/>
in der Se. Martinsstraße Billets zur Oper vorfand, die ihm Grimm<lb/>
geschickt hatte; es war dies für die zweite Vorstellung im Tuileriensaal.<lb/>
Da sie zu glauben berechtigt waren, daß der Zudrang an diesem Abend<lb/>
bedeutend sein werde, so nahmen sich unsre Deutschen kaum Zeit, um<lb/>
einigermaßen anständige Toilette zu machen; ihr Mittagbrod aßen sie<lb/>
nur halb, und so kamen sie an die Thüren des Theaters an zwei Senn-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0460] Leopold Mozart,^ Unter-Kapellmeister in Diensteid des Fürstbischofs von Salzburg, war der Bater von Wolfgang Mozart. Eins der Kin¬ der,' die sich an Grimm's Heerde gewärmt hatten, war bestimmt/ eines Tags der Schöpfer des Don Juan zu sein. Leopold Mozart wär' seit mehreren Tagen in Paris ohne Beschützer, ohne Freunde, kaum ei¬ nige Worte der französischen Sprache versteh, end; er fing an, den Muth zu verlieren, als er sich an den Brief erinnerte, den ihm der Secretär des Fürstbischofs für H. Grimm gegeben hatte; „er beeilte sich, ihn per¬ sönlich zu überreichen, und konnte sich Glück wünschen, diesen Beschützer gefunden zu haben; in dem Zustande gänzlichen Alleinstehcns, in wel¬ chem er sich befand, war das ein wichtiger Punkt. Nur begriff er nicht, wie dieser Beschützer, der, wie man ihm gesagt hatte, ein Schriftsteller war, den Aufwand und das Benehmen einer reichen Person haben konnte. Anstatt des' kleinen, saubern, aber einfachen Zimmers seines Freundes Friedrich Böhmer, 'der auch ein Schriftsteller und obendrein Secretär eines Fürstbischofs war, hatte er einen prachtvoll verzierten Salon ge¬ sehen. Wenn die Schriftsteller so leben, dachte er, was müssen die gro¬ ßen Herrn für einen Aufwand machen? Jedoch ward ihm bald Gele¬ genheit, sich zu überzeugen, daß nicht alle Schriftsteller so schön wohn¬ ten, wie Grimm, der Correspondent der nordischen Souveräne. ' Alles, was der Unter-Kapellmeister des Fürstbischofs sah, war neu für ihn; und seine Kinder, die ihn' auf seinen Spaziergängen durch die Straßen von Paris begleiteten, theilten sein Erstaunen. Die Schönheit der Gebäude, der Reichthum der Equipagen, die Eleganz der Läden, die damals, wie heute, in ganz Europa berühmt waren, die Lebendigkeit, die ringsumher herrschte, — das Alles versetzte unsre guten-Bürgersleute in Erstaunen, da sie an das Stillschweigen der kleinen Städte Deutsch¬ lands gewöhnt waren. Nur machte Wolfgang Mozart von Zeit zu Zeit seine Schwester darauf aufmerksam, eine wie falsche Stimme die Straßensänger hätten und mit wie schlechten Instrumenten sie sich beglei¬ teten. Als Leopold Mozart eines Tags von einer Dieser Ercursionem heimkehrte, fand er sich angenehm überrascht, als er in seinem Gasthof in der Se. Martinsstraße Billets zur Oper vorfand, die ihm Grimm geschickt hatte; es war dies für die zweite Vorstellung im Tuileriensaal. Da sie zu glauben berechtigt waren, daß der Zudrang an diesem Abend bedeutend sein werde, so nahmen sich unsre Deutschen kaum Zeit, um einigermaßen anständige Toilette zu machen; ihr Mittagbrod aßen sie nur halb, und so kamen sie an die Thüren des Theaters an zwei Senn-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/460
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/460>, abgerufen am 22.12.2024.