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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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diener. Nachdem wir unsre Mäntel abgelegt hatten, führte uns dieser Kanmier-
diener durch den Empfangsaal hinaus (n ein kleines Gemach,' in welchem sich die
Portraits aller Päpste mit Inbegriff des jetzigen/ Gregor's XVI., des.indem. Hier
mußten wir warten, bis der Papst bereit war, uns zu empfangen. Man bot uns
Seichte an; daS Meublement war einfach und bescheiden. In dem Empfangsaal
befand sich statt allen Mobiliars nur ein Tisch von ordinärem Holz, der auf einem
Teppich von ungefähr 6 Quadratfuß stand. Der übrige Theil des Fußbodens, der
aus viereckigen Ziegeln besteht^, wie in fast allen Häusern Italiens, war nicht be¬
deckt. Nachdem wir etwa eine halbe Stunde gewartet, kam der Kammerdiener
zurück und führte uns in einen Saal, wo wir den Papst neben einem Tische fan¬
den, auf den er sich zum Theil stützte. Seine Heiligkeit trug einen geistlichen Leib¬
rock von weißem Casimir, der von oben bis unten zugeknöpft war, und hatte eine
Mütze von demselben Stoffe auf dem Haupt. Er empfing uns mit einer außeror¬
dentlichen Liebenswürdigkeit, und die Leutseligkeit seines Benehmens machte, daß
wir uns bald behaglich fühlten. Wir sagten unsre Namen lind den unsers Vater¬
landes, uno erwarteten die Fragen, die es ihm gefallen würde, an uns zu richten.

Diese Fragen bewiesen, daß er von Allem, was in der politischen Welt vor¬
ging, vollkommen unterrichtet war. Er sprach mit uns, und zwar als ein sehr
wohl unterrichteter Mann, von unsrer Republik und ihren Einrichtungen, von dem
Mißverständnis?, das zwischen unsrer Regierung, und der Englischen herrsche und
von dein Anschein eines Bruches zwischen den beiden Staaten. Hierauf befrug er
uus über unsre Reise und unsre ferneren Pläne, und ob wir die Absicht chanter,
den Vesuv und den Aetna zu besuchen, wobei er zugleich den Wunsch aussprach,
unser Aufenthalt in Rom möchte uns angenehm sein.

Die Unterhaltung hatte etwa eine halbe Stunde gedauert, als der Papst sich
verneigte; dies war das Zeichen, uns zu entfernen. Wir unsrerseits grüßten ihn
durch eine tiefe Verbeugung uno verließen den Palast. Seine Heiligkeit hielt wäh¬
rend der Audienz eine golvcne Tabaksdose in der linken Hand und machte häufig
von? Inhalte derselben Gebrauch.

Wenn der Papst in einer Unterhaltung begriffen ist, die ihm gefällt, so bele¬
ben sich seine GesschtSzüge, und werden ausdrucksvoll. Gewöhnlich aber ist seine
Haltung ernst; sein Charakter ist fast melancholisch. Wenn er in der Kapelle ist,
so entfließen den Augen des Greises oft Thränen. . . . Nach unsrer Audienz sind
wir ihm zufällig in einem entlegenen Stadtviertel begegnet; er machte, von zwei
Bedienten begleitet, einen Spaziergang zu Fuß, wahrend ihm der Wagen in der
Entfernung von einigen Schritten folgte. Der Papst war krank gewesen und schien
noch sehr schwach; er erkannte uns und grüßte sehr freundlich. Später habe
ich ihn gesehen, als er die ermüdenden Obliegenheiten der Ceremonien der Ehar-
wochecrfllllte; seineStimme war stark und volltönend; sein Gangfest. GregorXVI.
scheint siebenzig und einige Jahre alt zu sein.¬

Ich werde Ihnen, wenn dieser seltene Gast wirklich bei uns eintrifft, eine nä
here Schilderung unserer dadurch gewiß ganz eigenthümlich Mh gestaltenden Badc-
saiscm senden. Bis dahin muß ich Sie vertrösten; denn es sieht in diesem Augen¬
blicke noch so nüchtern und prosaisch bei uns aus, wie auf einem Theater, bevor
die Lampen angezündet werden. Die eigentliche Saison beginnt erst im Juli. In¬
deß sehen wir jetzt durch die Dampfschiffe, welche zwischen Dresden und Prag tcig-
lkch gehen, weit mehr Fremde, als in früherer Zeit der Fall war; alle diejenigen,
welche die sächsische Schweiz bis zu dem romantischen Teschen durchschiffen, machen
einen Abstecher Hieher, so daß wir jetzt noch weit mehr von Gesunden, als von
Kranken besucht werden. Möchten doch alle unsere Zustände diese Wendung neh¬
men und das Gesunde das Kränke überall verdrängen.


S. --


Druck uno Verlag des deutschen VerlagSeomptoirS i" Brüssel.

diener. Nachdem wir unsre Mäntel abgelegt hatten, führte uns dieser Kanmier-
diener durch den Empfangsaal hinaus (n ein kleines Gemach,' in welchem sich die
Portraits aller Päpste mit Inbegriff des jetzigen/ Gregor's XVI., des.indem. Hier
mußten wir warten, bis der Papst bereit war, uns zu empfangen. Man bot uns
Seichte an; daS Meublement war einfach und bescheiden. In dem Empfangsaal
befand sich statt allen Mobiliars nur ein Tisch von ordinärem Holz, der auf einem
Teppich von ungefähr 6 Quadratfuß stand. Der übrige Theil des Fußbodens, der
aus viereckigen Ziegeln besteht^, wie in fast allen Häusern Italiens, war nicht be¬
deckt. Nachdem wir etwa eine halbe Stunde gewartet, kam der Kammerdiener
zurück und führte uns in einen Saal, wo wir den Papst neben einem Tische fan¬
den, auf den er sich zum Theil stützte. Seine Heiligkeit trug einen geistlichen Leib¬
rock von weißem Casimir, der von oben bis unten zugeknöpft war, und hatte eine
Mütze von demselben Stoffe auf dem Haupt. Er empfing uns mit einer außeror¬
dentlichen Liebenswürdigkeit, und die Leutseligkeit seines Benehmens machte, daß
wir uns bald behaglich fühlten. Wir sagten unsre Namen lind den unsers Vater¬
landes, uno erwarteten die Fragen, die es ihm gefallen würde, an uns zu richten.

Diese Fragen bewiesen, daß er von Allem, was in der politischen Welt vor¬
ging, vollkommen unterrichtet war. Er sprach mit uns, und zwar als ein sehr
wohl unterrichteter Mann, von unsrer Republik und ihren Einrichtungen, von dem
Mißverständnis?, das zwischen unsrer Regierung, und der Englischen herrsche und
von dein Anschein eines Bruches zwischen den beiden Staaten. Hierauf befrug er
uus über unsre Reise und unsre ferneren Pläne, und ob wir die Absicht chanter,
den Vesuv und den Aetna zu besuchen, wobei er zugleich den Wunsch aussprach,
unser Aufenthalt in Rom möchte uns angenehm sein.

Die Unterhaltung hatte etwa eine halbe Stunde gedauert, als der Papst sich
verneigte; dies war das Zeichen, uns zu entfernen. Wir unsrerseits grüßten ihn
durch eine tiefe Verbeugung uno verließen den Palast. Seine Heiligkeit hielt wäh¬
rend der Audienz eine golvcne Tabaksdose in der linken Hand und machte häufig
von? Inhalte derselben Gebrauch.

Wenn der Papst in einer Unterhaltung begriffen ist, die ihm gefällt, so bele¬
ben sich seine GesschtSzüge, und werden ausdrucksvoll. Gewöhnlich aber ist seine
Haltung ernst; sein Charakter ist fast melancholisch. Wenn er in der Kapelle ist,
so entfließen den Augen des Greises oft Thränen. . . . Nach unsrer Audienz sind
wir ihm zufällig in einem entlegenen Stadtviertel begegnet; er machte, von zwei
Bedienten begleitet, einen Spaziergang zu Fuß, wahrend ihm der Wagen in der
Entfernung von einigen Schritten folgte. Der Papst war krank gewesen und schien
noch sehr schwach; er erkannte uns und grüßte sehr freundlich. Später habe
ich ihn gesehen, als er die ermüdenden Obliegenheiten der Ceremonien der Ehar-
wochecrfllllte; seineStimme war stark und volltönend; sein Gangfest. GregorXVI.
scheint siebenzig und einige Jahre alt zu sein.¬

Ich werde Ihnen, wenn dieser seltene Gast wirklich bei uns eintrifft, eine nä
here Schilderung unserer dadurch gewiß ganz eigenthümlich Mh gestaltenden Badc-
saiscm senden. Bis dahin muß ich Sie vertrösten; denn es sieht in diesem Augen¬
blicke noch so nüchtern und prosaisch bei uns aus, wie auf einem Theater, bevor
die Lampen angezündet werden. Die eigentliche Saison beginnt erst im Juli. In¬
deß sehen wir jetzt durch die Dampfschiffe, welche zwischen Dresden und Prag tcig-
lkch gehen, weit mehr Fremde, als in früherer Zeit der Fall war; alle diejenigen,
welche die sächsische Schweiz bis zu dem romantischen Teschen durchschiffen, machen
einen Abstecher Hieher, so daß wir jetzt noch weit mehr von Gesunden, als von
Kranken besucht werden. Möchten doch alle unsere Zustände diese Wendung neh¬
men und das Gesunde das Kränke überall verdrängen.


S. —


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[0456] diener. Nachdem wir unsre Mäntel abgelegt hatten, führte uns dieser Kanmier- diener durch den Empfangsaal hinaus (n ein kleines Gemach,' in welchem sich die Portraits aller Päpste mit Inbegriff des jetzigen/ Gregor's XVI., des.indem. Hier mußten wir warten, bis der Papst bereit war, uns zu empfangen. Man bot uns Seichte an; daS Meublement war einfach und bescheiden. In dem Empfangsaal befand sich statt allen Mobiliars nur ein Tisch von ordinärem Holz, der auf einem Teppich von ungefähr 6 Quadratfuß stand. Der übrige Theil des Fußbodens, der aus viereckigen Ziegeln besteht^, wie in fast allen Häusern Italiens, war nicht be¬ deckt. Nachdem wir etwa eine halbe Stunde gewartet, kam der Kammerdiener zurück und führte uns in einen Saal, wo wir den Papst neben einem Tische fan¬ den, auf den er sich zum Theil stützte. Seine Heiligkeit trug einen geistlichen Leib¬ rock von weißem Casimir, der von oben bis unten zugeknöpft war, und hatte eine Mütze von demselben Stoffe auf dem Haupt. Er empfing uns mit einer außeror¬ dentlichen Liebenswürdigkeit, und die Leutseligkeit seines Benehmens machte, daß wir uns bald behaglich fühlten. Wir sagten unsre Namen lind den unsers Vater¬ landes, uno erwarteten die Fragen, die es ihm gefallen würde, an uns zu richten. Diese Fragen bewiesen, daß er von Allem, was in der politischen Welt vor¬ ging, vollkommen unterrichtet war. Er sprach mit uns, und zwar als ein sehr wohl unterrichteter Mann, von unsrer Republik und ihren Einrichtungen, von dem Mißverständnis?, das zwischen unsrer Regierung, und der Englischen herrsche und von dein Anschein eines Bruches zwischen den beiden Staaten. Hierauf befrug er uus über unsre Reise und unsre ferneren Pläne, und ob wir die Absicht chanter, den Vesuv und den Aetna zu besuchen, wobei er zugleich den Wunsch aussprach, unser Aufenthalt in Rom möchte uns angenehm sein. Die Unterhaltung hatte etwa eine halbe Stunde gedauert, als der Papst sich verneigte; dies war das Zeichen, uns zu entfernen. Wir unsrerseits grüßten ihn durch eine tiefe Verbeugung uno verließen den Palast. Seine Heiligkeit hielt wäh¬ rend der Audienz eine golvcne Tabaksdose in der linken Hand und machte häufig von? Inhalte derselben Gebrauch. Wenn der Papst in einer Unterhaltung begriffen ist, die ihm gefällt, so bele¬ ben sich seine GesschtSzüge, und werden ausdrucksvoll. Gewöhnlich aber ist seine Haltung ernst; sein Charakter ist fast melancholisch. Wenn er in der Kapelle ist, so entfließen den Augen des Greises oft Thränen. . . . Nach unsrer Audienz sind wir ihm zufällig in einem entlegenen Stadtviertel begegnet; er machte, von zwei Bedienten begleitet, einen Spaziergang zu Fuß, wahrend ihm der Wagen in der Entfernung von einigen Schritten folgte. Der Papst war krank gewesen und schien noch sehr schwach; er erkannte uns und grüßte sehr freundlich. Später habe ich ihn gesehen, als er die ermüdenden Obliegenheiten der Ceremonien der Ehar- wochecrfllllte; seineStimme war stark und volltönend; sein Gangfest. GregorXVI. scheint siebenzig und einige Jahre alt zu sein.¬ Ich werde Ihnen, wenn dieser seltene Gast wirklich bei uns eintrifft, eine nä here Schilderung unserer dadurch gewiß ganz eigenthümlich Mh gestaltenden Badc- saiscm senden. Bis dahin muß ich Sie vertrösten; denn es sieht in diesem Augen¬ blicke noch so nüchtern und prosaisch bei uns aus, wie auf einem Theater, bevor die Lampen angezündet werden. Die eigentliche Saison beginnt erst im Juli. In¬ deß sehen wir jetzt durch die Dampfschiffe, welche zwischen Dresden und Prag tcig- lkch gehen, weit mehr Fremde, als in früherer Zeit der Fall war; alle diejenigen, welche die sächsische Schweiz bis zu dem romantischen Teschen durchschiffen, machen einen Abstecher Hieher, so daß wir jetzt noch weit mehr von Gesunden, als von Kranken besucht werden. Möchten doch alle unsere Zustände diese Wendung neh¬ men und das Gesunde das Kränke überall verdrängen. S. — Druck uno Verlag des deutschen VerlagSeomptoirS i» Brüssel.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/456>, abgerufen am 22.12.2024.