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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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(Mortenay) und verbot ihnen das Haus zu betreten, er umringte das
Quartier, aufdaß Niemand entfliehen konnte und hielt selbst die Wache
vor dem Eingänge der Wohnung. (Nichtsdestoweniger entkömmt sowohl
de CtMllon als Jan van Gistel, und Beide finden erst in der Schlacht
von Conrtrcch ihr verdientes Ende.)

Während das Gefecht stattfand, war Dekonink beschäftigt, in der
Steinstraße die letzten Franzosen aufzusuchen. Eben so verführet! die
andern Zünfte in den Quartieren, die ihnen zugetheilt waren. Man
warf die Leichname der Getödteten auf die Straße,' so daß man, da
die Straßen ganz damit überdeckt waren, nur mit Mühe in der Fin¬
sterniß fort konnte. Manche Söldner der Besatzung hatten sich verklei¬
det und glaubten so, durch das eine oder andere Thor zu entfliehen,
niber dies glückte ihnen nicht, da man ihnen gebot, die Worte "Schild
und Freund!" auszusprechen. Sobald man uur den Klang ihrer Stim¬
men hörte, fiel ein Beil auf ihren Nacken, und sie stürzten seufzend zur
Erde. Aus allen Theilen der Stadt erhob sich der Ruf: //Flandern,
der Löwe! Was wälsch ist, falsch ist!" verwirrt und donnernd in die
Höhe. Hie und da lief wohl noch ein Franzose vor einem Bürger, der
ihn verfolgte, aber bald gerieth er einen: andern Bewaffneten in die
Hände und starb einige Schritte weiter. - ' >' '', , > -

Dieses Gemetzeldauerte, bis die Sonne bereits hoch am Himmel stand
und die Leichen von S000 Franzosen beschei'rend, das vergossene Blut
auszutrocknen begann. Fünftausend Fremde wurden in dieser Nacht
den Manen der ermordeten Flamänder geopfert: es ist ein blutiges Blatt
in den Chroniken von Flandern, wo diese Anzahl genau aufgezeichnet
steht. ,

Als das Morden aufgehört hatte, brachte Dckoning unter dem Bei¬
falljauchzen des siegstrunkenen Volkes die Standarte von Brügge, den'
blauen Löwen im weißen Felde, in die Versammlung auf dem Freitags-'
markte, übergab sie Breidcln und sprach: "Hier mein Freund, dies ha¬
ben wir heute gewonnen,--das Sinnbild unsrer freien Väter!" Breitet
antwortete nicht, sein Herz war zu voll; bebend von Rührung schlug er
seine Arme um das Tuch der Standarte und umarmte also densblcmm
Löwen.- Er verbarg sein Haupt in den Falten der Seide, und weinte
einige Augenblicke, ohne sich zu bewegen; dann ließ'er die,^ Fahne los
und stürzte in höchster Begeisterung gegen Dekonink's Brust.

Nachdem Dekonink noch einmal seine Augen zu der wiedererlangten
Standarte aufgehoben hatte, sank er langsam auf seine Kniee, senkte das


(Mortenay) und verbot ihnen das Haus zu betreten, er umringte das
Quartier, aufdaß Niemand entfliehen konnte und hielt selbst die Wache
vor dem Eingänge der Wohnung. (Nichtsdestoweniger entkömmt sowohl
de CtMllon als Jan van Gistel, und Beide finden erst in der Schlacht
von Conrtrcch ihr verdientes Ende.)

Während das Gefecht stattfand, war Dekonink beschäftigt, in der
Steinstraße die letzten Franzosen aufzusuchen. Eben so verführet! die
andern Zünfte in den Quartieren, die ihnen zugetheilt waren. Man
warf die Leichname der Getödteten auf die Straße,' so daß man, da
die Straßen ganz damit überdeckt waren, nur mit Mühe in der Fin¬
sterniß fort konnte. Manche Söldner der Besatzung hatten sich verklei¬
det und glaubten so, durch das eine oder andere Thor zu entfliehen,
niber dies glückte ihnen nicht, da man ihnen gebot, die Worte „Schild
und Freund!" auszusprechen. Sobald man uur den Klang ihrer Stim¬
men hörte, fiel ein Beil auf ihren Nacken, und sie stürzten seufzend zur
Erde. Aus allen Theilen der Stadt erhob sich der Ruf: //Flandern,
der Löwe! Was wälsch ist, falsch ist!" verwirrt und donnernd in die
Höhe. Hie und da lief wohl noch ein Franzose vor einem Bürger, der
ihn verfolgte, aber bald gerieth er einen: andern Bewaffneten in die
Hände und starb einige Schritte weiter. - ' >' '', , > -

Dieses Gemetzeldauerte, bis die Sonne bereits hoch am Himmel stand
und die Leichen von S000 Franzosen beschei'rend, das vergossene Blut
auszutrocknen begann. Fünftausend Fremde wurden in dieser Nacht
den Manen der ermordeten Flamänder geopfert: es ist ein blutiges Blatt
in den Chroniken von Flandern, wo diese Anzahl genau aufgezeichnet
steht. ,

Als das Morden aufgehört hatte, brachte Dckoning unter dem Bei¬
falljauchzen des siegstrunkenen Volkes die Standarte von Brügge, den'
blauen Löwen im weißen Felde, in die Versammlung auf dem Freitags-'
markte, übergab sie Breidcln und sprach: „Hier mein Freund, dies ha¬
ben wir heute gewonnen,—das Sinnbild unsrer freien Väter!" Breitet
antwortete nicht, sein Herz war zu voll; bebend von Rührung schlug er
seine Arme um das Tuch der Standarte und umarmte also densblcmm
Löwen.- Er verbarg sein Haupt in den Falten der Seide, und weinte
einige Augenblicke, ohne sich zu bewegen; dann ließ'er die,^ Fahne los
und stürzte in höchster Begeisterung gegen Dekonink's Brust.

Nachdem Dekonink noch einmal seine Augen zu der wiedererlangten
Standarte aufgehoben hatte, sank er langsam auf seine Kniee, senkte das


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[0446] (Mortenay) und verbot ihnen das Haus zu betreten, er umringte das Quartier, aufdaß Niemand entfliehen konnte und hielt selbst die Wache vor dem Eingänge der Wohnung. (Nichtsdestoweniger entkömmt sowohl de CtMllon als Jan van Gistel, und Beide finden erst in der Schlacht von Conrtrcch ihr verdientes Ende.) Während das Gefecht stattfand, war Dekonink beschäftigt, in der Steinstraße die letzten Franzosen aufzusuchen. Eben so verführet! die andern Zünfte in den Quartieren, die ihnen zugetheilt waren. Man warf die Leichname der Getödteten auf die Straße,' so daß man, da die Straßen ganz damit überdeckt waren, nur mit Mühe in der Fin¬ sterniß fort konnte. Manche Söldner der Besatzung hatten sich verklei¬ det und glaubten so, durch das eine oder andere Thor zu entfliehen, niber dies glückte ihnen nicht, da man ihnen gebot, die Worte „Schild und Freund!" auszusprechen. Sobald man uur den Klang ihrer Stim¬ men hörte, fiel ein Beil auf ihren Nacken, und sie stürzten seufzend zur Erde. Aus allen Theilen der Stadt erhob sich der Ruf: //Flandern, der Löwe! Was wälsch ist, falsch ist!" verwirrt und donnernd in die Höhe. Hie und da lief wohl noch ein Franzose vor einem Bürger, der ihn verfolgte, aber bald gerieth er einen: andern Bewaffneten in die Hände und starb einige Schritte weiter. - ' >' '', , > - Dieses Gemetzeldauerte, bis die Sonne bereits hoch am Himmel stand und die Leichen von S000 Franzosen beschei'rend, das vergossene Blut auszutrocknen begann. Fünftausend Fremde wurden in dieser Nacht den Manen der ermordeten Flamänder geopfert: es ist ein blutiges Blatt in den Chroniken von Flandern, wo diese Anzahl genau aufgezeichnet steht. , Als das Morden aufgehört hatte, brachte Dckoning unter dem Bei¬ falljauchzen des siegstrunkenen Volkes die Standarte von Brügge, den' blauen Löwen im weißen Felde, in die Versammlung auf dem Freitags-' markte, übergab sie Breidcln und sprach: „Hier mein Freund, dies ha¬ ben wir heute gewonnen,—das Sinnbild unsrer freien Väter!" Breitet antwortete nicht, sein Herz war zu voll; bebend von Rührung schlug er seine Arme um das Tuch der Standarte und umarmte also densblcmm Löwen.- Er verbarg sein Haupt in den Falten der Seide, und weinte einige Augenblicke, ohne sich zu bewegen; dann ließ'er die,^ Fahne los und stürzte in höchster Begeisterung gegen Dekonink's Brust. Nachdem Dekonink noch einmal seine Augen zu der wiedererlangten Standarte aufgehoben hatte, sank er langsam auf seine Kniee, senkte das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/446>, abgerufen am 22.12.2024.